»Ich bin damals einen Tag und eine Nacht geritten, ohne länger als einige Minuten anzuhalten, und habe mir alle Mühe gegeben, meine Spur unsichtbar zu machen. Der Erfolg zeigt, daß mir dies gelungen ist. Natürlich war ich ganz begierig darauf, die Barranca nach Gold zu untersuchen, mußte dies aber unter diesen Umständen auf einige Wochen verschieben. Diese Zeit brachte ich in Chiccana zu, wo ich so glücklich war, einen Althändler zu finden, welcher mir die goldene Beute abkaufte und leidlich bezahlte, ohne viel danach zu fragen, wie ich zu diesen Gegenständen gekommen war. Die Summe, welche ich erhielt, verlockte mich, nach Salta zu gehen. Dort fand ich Gelegenheit zum Spiele und verlor so viel, daß mir kaum das verblieb, was ich brauchte, um mich für den Ritt nach der Barranca auszurüsten.«
»Er war aber ohne Erfolg?«
»Leider! Als ich an die Stelle kam, wo ich den Indianer erschossen hatte, war keine Spur mehr von ihm zu sehen. Die Kondors hatten sogar seine Knochen verschleppt. Dann in der Barranca angekommen, habe ich sie Fuß für Fuß, Zoll für Zoll durchsucht, ohne das geringste zu finden. Auch so oft ich später wieder hingekommen bin, ist mein Nachforschen vergeblich gewesen. Und doch bin ich überzeugt, daß dort Kostbarkeiten verborgen liegen, welche einst den Herrschern von Peru gehört haben.«
»Das ist allerdings leicht möglich. Du hast deine Nachforschungen jedenfalls nicht sorgfältig genug angestellt. Zu so etwas gehört ein Scharfsinn, welcher eine weit längere Übung und Schulung durchgemacht hat, als die deinige ist.«
»Das habe ich mir auch schon gesagt, und darum denke ich, in dir den rechten Mann gefunden zu haben. Du würdest also bereit sein, mit hinauf nach der Schlucht zu gehen?«
»Ja. Und je eher wir dies thun können, desto besser wird es sein. Man soll nicht zaudern, wenn es sich um so wertvolle Sachen handelt. Der Zufall könnte gar zu leicht einen andern hinführen, welcher das entdeckt, was du trotz aller Mühe nicht gesehen hast. Sollte unser Zug gegen die Cambas aus irgend einem Grunde eine andre Wendung nehmen, als wir erwarten, so sind wir arme Leute geworden und können nichts besseres thun, als schleunigst nach den Bergen zu reiten, um uns die Schätze deines toten Indianers anzueignen.«
»Meinst du denn, daß wir sie finden werden?«
»Ich halte es mehr für wahrscheinlich als für unwahrscheinlich. Deutliche Spuren, nach denen wir uns richten könnten, werden wir freilich nicht finden, aber es gibt doch einen oder gar einige Anhaltepunkte, welche uns von Nutzen sein werden.«
»Welche sind das?«
»Durch diese Frage lieferst du eben den Beweis, daß du nicht erfahren und scharfsinnig genug bist. Man muß scharf nachzudenken verstehen. Jener Indianer stieg auf der einen Seite in die Schlucht hinab und kam auf der andern wieder empor. Warum das? Warum kam er nicht auf der ersteren zurück?«
»Jedenfalls deshalb, weil auf der andern Seite der Weg leichter war.«
»Keineswegs. Wer in der Nacht einen so halsbrecherischen Abstieg wagt, der frägt am allerwenigsten dann am Tage nach der Schwierigkeit des Terrains. Nein; er ist jenseits emporgestiegen, weil er dort gearbeitet hat. Dort unten liegt der Ort, den wir suchen. Als er fertig war, hat er es nicht für nötig gefunden, dadurch, daß er zurückkehrte, einen Umweg zu machen, sondern ist von der Stelle, an welcher der Schatz liegt, stracks bergan geklettert. Das ist das eine, und wenn wir erst dort sind und ich die Örtlichkeit genau in Augenschein nehme, so werden sich auch noch andre Fingerzeige ergeben.
Nur fragt es sich natürlich, welche Ansprüche du machst, und welche du dann mir zu machen erlaubst.«
»Du meinst, welche Teile auf mich und dich kommen sollen?«
»Ja.«
»Ich habe die Sache entdeckt und darf also mehr fordern. Zwei Drittel für mich und eins für dich!«
»Ja, du bist der Entdecker, hast aber nichts gefunden und wirst ohne meine Hilfe auch niemals etwas finden.
Warum da doppelt so viel, wie ich erhalten soll, für dich? Teilen wir! Das ist das einfachste und gerechteste.«
»Darüber läßt sich noch sprechen. Wir haben ja Zeit.«
»Ja, wir haben Zeit, wie es scheint; aber es wird sich schon morgen entscheiden, ob wir gegen die Cambas glücklich sind oder nicht. Im letzteren Falle geht es sofort in die Berge, und dann möchte ich bald wissen, woran ich bin. Jetzt möchte ich einen Rundgang machen, um mich zu überzeugen, ob wir hier sicher liegen.
Ich kann mich je länger desto weniger nicht von dem Gedanken losmachen, daß dieser Vater Jaguar sich doch hier in der Nähe befindet und uns umschleicht.«
Als der Lauscher diese Worte hörte, hielt er es, um nicht entdeckt zu werden, für geraten, sich schleunigst zurückzuziehen. Er verließ also den Ort, an welchem er lag, genau auf dem Wege, auf welchem er gekommen war, kroch an dem Schilfe hin und schlich sich dann nach seiner Lagerstelle. Da alle fest schliefen, kam er dort an, ohne daß seine Abwesenheit bemerkt wurde.
Hätte er nicht so viel Sorge vor der Entdeckung gehabt, so wäre er Zeuge einiger weiterer Äußerungen geworden, welche sich auch mit auf ihn selbst bezogen. Nämlich als der Gambusino sich bei seinen letzten Worten erheben wollte, um seinen Rundgang zu beginnen, hielt ihn Antonio Perillo noch zurück und sagte:
»Warte noch einen Augenblick! Gesetzt den Fall, daß der Vater Jaguar wirklich hier ist und morgen unser Vorhaben zu schanden macht, so willst du sofort nach den Bergen. Wen aber nehmen wir mit?«
»Welch eine Frage!« fuhr der Gambusino auf. »Wen wir mitnehmen wollen! Keinen Menschen natürlich.«
»So meinst du, daß wir allein reiten?«
»Ja.«
»Ich halte es aber für besser, einige Begleiter mitzunehmen.«
»Warum?«
»Wegen der Gefährlichkeit der Gegend.«
»Du bist doch früher auch allein dort gewesen!«
»Daß ich niemand bei mir hatte, war Zufall. Zudem wissen wir nicht, was uns bevorsteht. Vielleicht erfordert die Hebung des Schatzes so viel Arbeit, daß wir sie gar nicht allein zu verrichten vermögen.«
»Jener Indianer aber hat sie ganz allein verrichtet!«
»Weil es seine Absicht war, nur. einzelne Gegenstände, nicht aber den ganzen Schatz mitzunehmen. Wir brauchen also höchst wahrscheinlich Arbeitskräfte.«
»Mit denen wir teilen müßten !«
»Nein.«
»Wie? Nicht? Kein Mensch würde uns helfen, ohne seinen Anteil zu verlangen.«
»Das ist wohl richtig; aber es würde niemand etwas bekommen.«
»Wie meinst du das?«
»Das errätst du nicht? ja, ein jeder würde nach gethaner Arbeit etwas erhalten, nämlich eine Kugel oder einen Messerstich.«
»Ah, denkst du so! Das ist freilich etwas andres. Damit wäre ich sofort einverstanden.«
»Schön! Also gehen wir nicht allein?«
»Nein. Wenn du so willst, so können wir Hilfskräfte mitnehmen, ohne sie bezahlen zu müssen.«
»So ist es geraten, gleich jetzt diejenigen zu bestimmen, welche wir auffordern werden, uns zu begleiten.
Etwa die Soldaten, welche sich bei uns befinden?«
»Fällt mir nicht ein!«
»Oder einige Abipones?«
»Auch nicht.«
»Wen sonst?«
»Warum denn überhaupt von denen, die jetzt bei uns sind, welche auswählen? Der Weg nach der Mordschlucht ist weit, und wir legen ihn viel leichter und schneller zurück, wenn wir ganz allein reiten. Die Weißen will ich übrigens schon deshalb nicht mitnehmen, weil ich sie dann nicht gern erschießen mag.
Müssen einige Indianer ins Gras beißen, so nehme ich mir das viel weniger zu Herzen. Und die Abipones können wir aus dem Grunde nicht brauchen, weil wir durch Gegenden kommen werden, in denen Indianerstämme hausen, die ihnen feindlich gesinnt sind. Wir würden dadurch uns selbst in Gefahr begeben.