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Pjotr blickte erstaunt in das breite, dunkle Gesicht seiner Lehrmeisterin. Sie leckte sich, mit geblähten Nüstern, die Lippen, wischte sich mit dem Tuch das fette Kinn und den Hals und sprach deutlich rohe, schamlose Worte, indem sie zum Abschied wiederholte: »Glaube ihrem Schreien und Weinen nicht«, dann wankte sie aus dem Zimmer und ließ einen Schnapsgeruch zurück, Pjotr bekam aber einen Zornanfall, – er riß sich die Stiefel von den Füßen, schleuderte sie unter das Bett, entkleidete sich rasch und sprang auf das Lager wie auf ein Pferd. Er biß die Zähne zusammen und fürchtete, infolge der allzu großen Kränkung, die an ihm würgte, in Tränen auszubrechen.

»Diese Teufel!«

Auf den Daunenbetten war es heiß; er sprang auf die Erde, trat ans Fenster und riß es auf, aus dem Garten klang ihm betrunkenes Schreien, Lachen und Mädchengekreisch entgegen; im bläulichen Dunkel, zwischen den Bäumen irrten schwarze menschliche Gestalten herum. Die dünne Spitze des Nikolausturmes stach wie ein Finger aus Messing in den Himmel; es war kein Kreuz darauf, man hatte es zum Vergolden abgenommen. Hinter den Häuserdächern schimmerte traurig die Oka, über der ein Stück des Mondes dahinschmolz – und in der Ferne lagen die schwarzen Massen endloser Wälder. Ihm fiel ein anderes Land ein, – die weite Erde goldener Äcker; er seufzte, auf der Treppe wurde gestampft und gekichert; er sprang wieder ins Bett, die Tür ging auf, es raschelten seidene Bänder, Schuhe knarrten, jemand weinte unter Aufschluchzen; es klappte der vorgelegte Türhaken. Pjotr hob behutsam den Kopf, im Dunkel stand eine weiße Gestalt an der Tür, bewegte gemessen die Hand und verneigte sich fast bis zur Erde.

»Sie betet. Und ich habe nicht gebetet.«

Er hatte aber nicht den Wunsch zu beten.

»Natalia Jewsejewna,« begann er leise, »fürchte dich nicht. Ich habe selbst Angst. Ich bin ganz matt.«

Er strich sich mit beiden Händen die Haare glatt, zupfte sich am Ohr und murmelte:

»Das ist alles nicht nötig, das Stiefelausziehen und all das. Das ist Unsinn. Mir tut das Herz weh, und sie kommt mit diesen Possen. Weine nicht!«

Sie schritt vorsichtig seitwärts zum Fenster hin und sagte leise:

»Sie feiern immer noch ...«

»Ja.«

Sie fürchteten sich vor etwas, wagten nicht einander nahezukommen, waren beide müde und wechselten lange überflüssige Worte. Beim Morgengrauen knarrte die Treppe, jemand tastete mit der Hand die Wand entlang, Natalia ging zur Tür.

»Laß die Barskaja nicht herein«, flüsterte Pjotr.

»Das ist die Mutter«, sagte Natalia, die Tür öffnend.

Pjotr setzte sich auf dem Bett auf und ließ die Beine herabhängen. Er war mit sich unzufrieden und dachte voll Bangigkeit:

»Ich bin nichts wert, ich habe es nicht gewagt, ich werde noch erleben daß sie mich auslacht ...«

Die Tür ging auf, Natalia sagte leise:

»Die Mutter ruft dich.«

Sie lehnte sieh an den Ofen und war von den weißen Kacheln kaum zu unterscheiden. Pjotr ging zur Tür hinaus, ihn empfing im Dunkel das gekränkte, erschrockene und leidenschaftliche Flüstern der Bajmakowa:

»Was fällt dir denn ein Pjotr Iljitsch? Was treibst du, willst du mich und meine Tochter dem Spott preisgeben? Es tagt ja schon, man wird euch bald wecken kommen, man muß den Leuten das jungfräuliche Hemd zeigen, damit sie sehen, daß meine Tochter ehrbar ist!«

Sie hielt im Sprechen Pjotr mit der einen Hand an der Schulter fest und stieß ihn mit der andern weg, indem sie entrüstet fragte:

»Was bedeutet das denn? Hast du keine Kraft oder keine Lust ? Ängstige mich nicht, schweige nicht ...«

Pjotr sprach mit dumpfer Stimme:

»Sie tut mir so leid. Ich fürchte mich.«

Er sah das Gesicht der Schwiegermutter nicht, es kam ihm aber so vor, als hörte er die Frau kurz auflachen.

»Nein, geh nur, geh und erfülle deine Pflicht als Mann! Bete zum Märtyrer Christophor. Komm, ich will dir einen Kuß geben ...«

Sie umschlang fest seinen Hals und küßte ihn mit süßen, klebrigen Lippen, wobei ihm warmer Weingeruch entgegenwehte. Er kam nicht dazu, ihren Kuß zu erwidern, – sein lautes Schnalzen traf nur noch die Luft. Als er in die Kammer zurückkehrte, schloß er hinter sich die Tür und streckte entschlossen die Hände aus. Das Mädchen trat vor und geriet in den Ring seiner Arme, wobei sie mit zitternder Stimme sagte:

»Sie ist ein wenig angeheitert.«

Pjotr hatte andere Worte erwartet. Er murmelte, indem er sich rückwärts dem Bette näherte:

»Fürchte dich nicht. Ich bin nicht schön, aber gut. ..«

Sie schmiegte sich immer fester an ihn und flüsterte:

»Die Füße wollen mich nicht mehr tragen ...«

... Man feierte in Driomow gern Feste. Die Hochzeit dauerte fünf Tage; man trieb sich vom Morgen bis zur Mitternacht herum, ging in Haufen über die Straßen und von einem Haus ins andere, vom Wirbel der Weindünste erfaßt. Ein besonders reichlicher und protziger Schmaus fand bei Barskis statt, aber Alexej prügelte ihren Sohn dafür durch, daß er den Backfisch Olga Orlowa irgendwie beleidigt hatte. Als Vater und Mutter Barski sich bei Artamonow über Alexej beklagten, staunte dieser:

»Kommt es denn nicht überall vor, daß die Burschen miteinander raufen?«

Er beschenkte die Mädchen freigebig mit Bändern und Naschwerk und die Burschen mit Geld, bewirtete Väter und Mütter bis zur Bewußtlosigkeit mit Getränken und umarmte und zerrte alle herum:

»Ach, ihr Leute! Leben wir oder nicht?«

Er randalierte und trank viel, als löschte er ein innerliches Feuer, wurde aber vom Trinken nicht berauscht und magerte in diesen Tagen sichtlich ab. Er hielt sich abseits von Uljana Bajmakowa, seine Kinder bemerkten jedoch, daß er sie von Zeit zu Zeit zornig und herausfordernd betrachtete. Er prahlte sehr mit seiner Kraft: erzog mit den Garnisonsoldaten um die Wette an einem Stock, überwand beim Ringen einen Feuerwehrmann und drei Maurer, worauf der Erdarbeiter Tichon Wialow zu ihm kam und nicht bat, sondern verlangte:

»Jetzt komme ich dran.«

Artamonow wunderte sich über seine Art und musterte den stämmigen Körper des Erdarbeiters.

»Was ist mit dir: bist du stark oder bist du nur ein Prahlhans?«

»Ich weiß nicht«, erwiderte jener ernst.

Sie packten einander beim Gürtel und stampften lange auf einem Fleck herum. Ilja blickte über Wialows Schulter auf die Frauen und blinzelte ihnen schamlos zu. Er war größer, aber schmäler als der Erdarbeiter und etwas besser gebaut. Wialow stemmte die Schulter gegen des andern Brust und bemühte sich, den Gegner aufzuheben und über sich hinüberzuwerfen. Ilja erriet das und rief ihm zu:

»Du bist nicht schlau, Bruder, du bist nicht schlau!« Und auf einmal schrie er auf und schleuderte Tichon mit solcher Gewalt über seinen Kopf hinüber, daß er sich beim Sturz auf die Erde beide Beine verletzte. Der Erdarbeiter sagte beschämt, als er im Grase saß und sich den Schweiß vom Gesicht wischte:

»Er ist stark.«

»Das sehen wir«, wurde ihm spöttisch erwidert.

»Er hat Kraft«, wiederholte Wialow.

Ilja streckte ihm die Hand hin:

»Steh auf!«

Der Erdarbeiter versuchte aufzustehen, ohne die Hand zu nehmen, er konnte es aber nicht und streckte wieder die Beine aus, indem er der Menge mit seltsamen, gleichsam hinschmelzenden Augen nachblickte. Nikita kam auf ihn zu und fragte teilnahmsvolclass="underline"

»Tut es weh? Soll ich helfen?«

Der Arbeiter lächelte:

»Die Knochen schmerzen. Ich bin ja stärker als dein Vater, aber nicht so geschickt. Nun, wollen wir ihnen folgen, Nikita Iljitsch, du bist ein schlichter Mensch!«

Er faßte den Buckligen freundschaftlich unter den Arm und schloß sich der Menge an, wobei er mit den Füßen aufstampfte und so den Schmerz zu beschwichtigen hoffte.

... Die durch schlaflose Nächte ermatteten Neuvermählten schoben sich willenlos, den Menschen zur Schau, inmitten der bunten, lärmenden, betrunkenen Menge durch die Straßen; sie aßen und tranken, gerieten bei den schamlosen Scherzen in Verlegenheit, bemühten sich krampfhaft, einander nicht anzusehen und schwiegen, als wären sie sich fremd, während sie Arm in Arm herumgingen oder, wie immer, nebeneinander saßen. Das gefiel Matriona Barskaja sehr, die Ilja und Uljana prahlerisch befragte: