Выбрать главу

Nachdenklich rieb sich Raban über das Kinn. Ein dunkles Knurren in seinem Kopf ließ ihn aufschrecken.

»Glaubt nicht, auf finstere Gedanken kommen zu können. Ihr habt mir Euer Leben verschrieben, genau wie Inmee es tat. Falls Ihr Euch meinen Befehlen widersetzt, wird es Euch wie ihr ergehen. Ihr werdet das geheime Wissen der Macht nur erlangen, wenn Brunhild tot ist.«

Raban nickte.

»Ich werde unten vor dem Portal warten! Ihr könnt herunterkommen, wenn es mit Inmee vorbei ist, dann sehen wir weiter«, sagte die Stimme in Rabans Kopf. Das Tier verließ den Raum. Leise hörte er die Schritte des Dämonen sich entfernen und atmete auf.

Schon seit einer Weile beschlich ihn das Gefühl, daß die Wölfin nichts von dem halten würde, was sie ihm versprochen hatte. Seit er ihr wirklich folgte, hatte sie ihn kein einziges Mal mehr mit diesem warmen Blick bedacht, der ihm die Erfüllung seiner Wünsche prophezeit hatte. Nur Kälte und Haß waren von ihr ausgegangen. Voller Unruhe hatte sie ihn angetrieben, zur Flammenburg zu reiten. Mit der Zeit war ihm die Vorstellung gekommen, daß die Wölfin niemals wirklich ein Interesse an ihm hatte. Sie hatte ihn allein auf ihre Seite gelockt, um ihren eigenen Kampf mit Brunhild zu gewinnen.

Inmee stöhnte wieder. Offensichtlich hatte sie große Schmerzen. Raban beugte sich über sie und strich ihr sanft ein paar feuchte Haarsträhnen aus dem verletzten Gesicht. Ihr Kopf glühte. Wieder hatte er den Eindruck, ein unschuldiges Opfer vor sich zu sehen und nicht eine zornige, wilde Zerstörerin.

»Ich kann leider nichts für Euch tun«, sagte er leise und fragte sich, warum die Wölfin ihr nicht half. Schließlich war Inmee die Hohepriesterin der schwarzen Göttin. Nachdenklich schaute er sich um und zog sich einen Stuhl an das Bett.

»Wißt Ihr«, sagte er und betrachtete die ohnmächtige Frau. »Ich bin den weiten Weg von Worms hierher gekommen, um die Magie zu lernen. Seit ich als Kind dieses Land verlassen mußte, habe ich davon geträumt, das Wesen der Magie meines Vaters zu verstehen.«

Die Frau rührte sich nicht, ihr Atem ging flach und war kaum noch zu spüren.

Raban griff in die Tasche und zog seine Flöte heraus. Schüchtern begann er ein paar Töne darauf zu blasen, dann spielte er ein kleine Melodie.

Als er geendet hatte, strich er wieder sanft über den Kopf der Priesterin.

»Wißt Ihr, Faramund hat mir das Musizieren beigebracht. Abend für Abend ließ er es mich üben. Ich fand es scheußlich, doch Faramund war in dieser Sache unerbittlich. Er war der Meinung, nur ein Ritter, der ein Instrument spielen kann, würde auch einst das Herz einer Dame erringen. Und wenn kein Weib in der Nähe ist, hat Faramund gesagt, dann kann man sich selbst damit ein wenig Kurzweil bereiten.«

Raban dachte einen Augenblick nach. »Ich habe das Flötenspiel wirklich nicht geliebt, darum habe ich Faramund nie gedankt für das, was er für mich getan hat. Er war mir ein guter Lehrer, und ich bedauere, kein besserer Schüler gewesen zu sein. Aber ich hatte nur Augen und Ohren für die Magie. Mein Vater ist ein großer Feuermagier, und meine Mutter war lange vor Euch die Hohepriesterin der schwarzen Göttin. Also habe ich Stunde um Stunde in Faramunds Burg gesessen, hoch oben im Turmzimmer, und habe mich in alle alten Schriften vertieft, die ich finden konnte. Doch ich fand nicht wirklich, was ich darin suchte. Der Schlüssel zu Weisheit und Macht blieb mir verborgen. Also kam ich nach dem Ritterschlag hierher in meine Heimat zurück, um nach den Dingen zu suchen, von denen ich glaubte, daß mein Herz sie begehrte.«

Raban strich mit den Fingern über die Flöte und betrachtete sie eine Weile. »Mit Euch, Priesterin, und der Wölfin, dachte ich, diesen Traum meiner Kindheit erfüllen zu können. Dafür habe ich selbst Brunhild, meine treue Gefährtin, verraten. Ich glaubte an Eure unbesiegbare Kraft, an Eure Schönheit. Ich vertraute Eurer gewaltigen Macht, mit der Ihr den Garten der Gwenyar habt zu Stein erstarren lassen. Und nun?« Er schaute auf. »Nun weiß ich, nichts von alledem ist wahr. Ihr seid nicht einmal in der Lage, diesen Fluch von Euch zu nehmen, der Euch umbringt. Ich habe mich geirrt. Ihr seid längst nicht so mächtig, wie ich glaubte. Und was die Wölfin betrifft...« Er seufzte. »Sie wird mich nicht zum unterirdischen Schloß meiner Väter führen, wie sie es versprach. Selbst dann nicht, wenn ich Brunhild dafür töte. Genausowenig, wie sie Eure Schmerzen lindert oder Euch wirklich zur Hüterin des Feuers macht, wird sie sich meiner annehmen. Sie geht ihre eigenen Wege, fernab von den Wünschen, Hoffnungen und Träumen der Menschen. Sie ist ein dunkler Dämon ohne Herz!« Er schwieg eine Weile und starrte vor sich hin. »Ich bin ein solcher Narr gewesen, zu glauben, dieses warme Feuer in ihren Augen wäre die Wahrheit.« Er steckte die Flöte zurück in die Tasche. Dann stand er auf und fuhr sich nachdenklich mit den Fingern durch das lange Haar.

»Aber warum erzähle ich Euch das eigentlich? Ihr werdet sterben, und ich...?« Er ging ein paar Schritte in dem Raum auf und ab. Dann zog er noch einmal die Flöte aus der Tasche. »Es ist verrückt. Ihr liegt da und sterbt für einen Traum, den ihr hattet, doch es war Euch nicht bestimmt, Hüterin des Feuers zu sein.« Raban trat an das Bett. »Der Rubin, die Wölfin, all die Toten, Eure Macht und selbst diese Burg machen Euch nicht dazu, weil Brunhild die wahre Hüterin ist und es bleiben wird, gleichgültig, was geschieht. Selbst wenn ich sie töte.«

Er hielt wieder einen Augenblick inne. »Das ist die Wahrheit! Und ich werde vielleicht für den Traum sterben, die gleiche Macht haben zu wollen, wie mein Vater sie hatte. Ich wollte so sein wie er, doch erst jetzt weiß ich, daß ich es niemals sein werde. Mir ist es genausowenig bestimmt, Herr des unterirdischen Feuerschlosses zu sein, wie es Euch nicht bestimmt ist, die Hüterin des Feuers zu werden.«

Eine Weile drehte er das Instrument in seinen Händen. »Wißt Ihr, mein Vater konnte nicht Flöte spielen«, sagte er und setzte den silbernen Stab wieder an die Lippen. Eine zarte Melodie erklang und erfüllte den ganzen Raum. Zum ersten Mal spürte Raban eine wahre Freude über sein eigenes Spiel in sich aufsteigen. Er fühlte sich glücklich und seltsam befreit.

Erst nach einer ganzen Weile steckte er das Instrument schweigend weg und ließ sich wieder auf dem Stuhl an Inmees Bett nieder.

»Ich werde hier wachen, bis Ihr zum Totentor geht, Priesterin. Habt keine Angst. Ich verdanke Euch viel!« sagte er.

Als Raban die Augen aufschlug, saß der rotbraune Kater auf Inmees Bett, dem er schon ein paar Mal begegnet war, und schaute ihn an. Raban rieb sich über die Augen. Ich muß eingeschlafen sein, dachte er und warf einen Blick auf die Frau. Sie war immer noch ohnmächtig, ihr Zustand hatte sich offenbar nicht verschlechtert.

»Du mußt wirklich Inmees Kater sein, wenn du ihr den langen Weg bis hierher gefolgt bist«, sagte Raban gähnend, streckte den Arm aus und berührte mit den Fingern das weiche Fell. Der Kater mauzte und ließ sich willig das Köpfchen kraulen.

Die schweren Vorhänge hatten Raban schon beim Eintreten in dieses Zimmer gestört. Er ging zum Fenster und schob die dicken Stoffe zur Seite. Matt fiel die Abenddämmerung in den Raum.

»Ich hätte sie früher aufziehen sollen«, sagte er und bedauerte, daß er erst jetzt daran gedacht hatte, Licht in dieses Zimmer zu lassen.

Vom Fenster aus konnte er einen Teil des Burghofes übersehen. Dahinter lag die schmale, steinerne Brücke, die über den Lavaring führte. Am Ende der Brücke sah er undeutlich zwei Reiter langsam näher kommen. Sein Herz schlug ein wenig schneller.