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Angewidert starrte Brunhild auf die Überreste der Wölfin. Das zottige Fell löste sich auf, das Fleisch fiel in blutigen Fetzen von den Knochen und wurde zu Staub, sobald es den Boden berührte.

»Antana«, sagte sie leise. Sie berührte die Heilerin sanft an der Schulter. »Es ist vorüber!«

Die Heilerin schaute auf und nahm ihre schmerzenden Arme von dem zerfallenen Tier. Außer den Knochen und dem Gürtel war nichts zurückgeblieben.

Mit den Fingerspitzen griff Brunhild nach einem der silbernen Ringe und fischte den Schmuck unter den Knochen hervor.

Langsam stand Antana auf und betrachtete ihre verbrannten Hände.

»Offenbar können nicht alle dieses kostbare Teil tragen«, sagte sie leise.

Brunhild nickte und hielt den Gürtel fest in der Hand.

Schweigend betrachtete sie eine Weile den nahen Abgrund mit der rötlich schimmernden Lava, die tief unter ihnen kochte. Mit einem raschen Tritt beförderte sie kurz entschlossen die Knochenreste über den Rand hinaus und sah, wie sie in der schwelenden Glut versanken.

»Die Wölfin ist tot!« Sie schaute sich um. »Kümmert Euch um Norwin, Heilerin. Ich bin noch nicht fertig.«

Ohne Antanas Antwort abzuwarten, rannte sie zur Flammenburg.

Immer noch erklang das Flötenspiel. Brunhild horchte einen Augenblick, dann sprang sie die Stufen hinauf. Sie lief durch einen langen Gang, bis sie mit klopfendem Herzen vor einer Tür stehenblieb.

Sie atmete noch einmal tief ein und stieß in der Erwartung, Raban und einer kampfbereiten Hohenpriesterin der schwarzen Göttin gegenüberzustehen, die Tür auf.

Die Melodie verstummte.

Raban hob den Kopf. Er saß neben einer verletzten Frau auf einem Bett und schaute sie an. Eine Weile standen sie sich schweigend gegenüber.

»Habt Ihr die Wölfin besiegt?« fragte Raban leise.

Brunhild nickte.

»Ich dachte es mir! Es war Euch bestimmt!«

Fragend hob Brunhild die Brauen. Raban machte keinerlei Anzeichen, sie anzugreifen. Mißtrauisch ließ sie ihn nicht aus den Augen. Irgend etwas war anders. Eine ungewöhnliche, fast schon heitere Ruhe ging von ihm aus. Ihr Blick fiel auf die Frau in dem Bett.

»Ist das Inmee?« fragte sie. Die Wunden, die sie ihr mit dem Gürtel geschlagen hatten, waren größer geworden und bluteten immer noch.

Raban lächelte traurig. »Sie wird sterben! Ihr braucht also nicht mehr mit Ihr zu kämpfen.« Er hielt inne. »Auch mit mir nicht, falls Ihr das geglaubt habt. Ich werde jedenfalls nicht mit Euch die Klinge kreuzen.« Er schaute auf den Gürtel in ihrer Hand. »Oder wollt Ihr mich vielleicht mit diesem Schmuck dort erschlagen?« Dann warf er einen Blick auf Inmee, als begreife er nun erst, woher ihre Verletzungen stammten. »Ich nehme an, es ist eine magische Waffe, die Euch vor Dämonen schützt.«

»Ja!« erwiderte Brunhild mit ernster Stimme.

»Dann würde es Euch bei mir nichts nützen, denn ich bin kein Dämon und auch kein Priester der schwarzen Göttin!«

»Aber Ihr steht auf Ihrer Seite!«

»Auch wenn es für Euch so aussehen mag, so ist es doch nicht mehr wahr. Daß ich noch hier bin, liegt allein an ihr.« Er deutete auf die Priesterin. »Ich habe Ihr versprochen, hier zu wachen, bis sie das Totentor erreicht.«

»Das soll die Wahrheit sein?« Brunhild ärgerte sich über die Lügen, die Raban ihr versuchte zu erzählen. War er nicht Manns genug, zu seinen Taten zu stehen? Antana fiel ihr ein. Die Heilerin hatte den Gürtel nicht ohne Schaden berühren können, denn sie hatte ein Teil ihres Lebens mit dem Feuermagier verbracht und dunkle Rituale zelebriert. Doch Norwin und der Craiach hatten die silbernen Ringe berührt, ohne daß ihnen etwas geschehen war.

»Hier, haltet das Ende des Gürtels«, sagte Brunhild und reichte es Raban.

Eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn. »Es gab einmal eine Zeit, da hat Euch mein Wort genügt«, sagte er, und seine Stimme klang noch trauriger. Dann schüttelte er den Kopf und stand auf, ohne den Gürtel zu berühren. »Ich werde mich von Euch nicht prüfen lassen.« Er ging zum Fenster. Draußen war es dunkel geworden. Nur der rote Schein des Lavaringes glühte noch und warf seltsame Schatten in den Raum.

»Ich habe es eingesehen, Brunhild! Ich habe mich geirrt«, sagte er leise. »Es war der falsche Weg.«

»Das ist alles, was Ihr dazu zu sagen habt?« fragte Brunhild und ließ sich auf einem Stuhl nieder, der nahe am Bett stand.

»Ja! Das ist alles.«

Brunhild schüttelte ungläubig den Kopf. »Und wenn ich die Wölfin nicht besiegt hätte? Wäre es dann auch noch der falsche Weg?«

»Dann wäre mein Leben jetzt zu Ende. Ebenso wie ihres.« Raban deutete auf Inmee. »Die Wölfin hatte ihre eigenen Ziele.«

»Das klingt zu einfach, Raban!«

Er trat einen Schritt vom Fenster weg auf sie zu. »Vielleicht, aber ich sehnte mich nach der Kraft der Magie, nach dem geheimen Wissen der Macht, und die Wölfin versprach mir, alle diese Wünsche zu erfüllen.«

Brunhild erinnerte sich, daß der Dämon sie auf ähnliche Weise gelockt hatte. Ihr Zorn auf Raban legte sich ein wenig. Sollte sie wütend sein, nur weil er zu schwach war, einer Versuchung zu widerstehen, die selbst sie als Priesterin in Gefahr gebracht hatte?

»Ich wollte nicht nur ein einfacher Ritter sein. So wie mein Vater wollte ich werden.«

Ein leises Lachen erklang von der Tür her.

Brunhild fuhr auf dem Stuhl herum. Antana stand dort. Sie hielt ihre schmerzenden Arme immer noch ein wenig von sich fortgestreckt, doch auf ihrem Gesicht lag eine ausgelassene Heiterkeit.

»O Raban, ich glaube, so zu werden wie Euer Vater, wird Euch nicht gelingen!«

»Antana?« Raban schaute freudig auf. Dann fiel ein Schatten über sein Gesicht. »Spottet meiner nicht. Ich habe erkannt, daß ich nicht so sein werde wie er. Es ist nicht mein Weg!«

»Na, das will ich doch hoffen!« sagte Antana und lachte wieder. »Zwei Kater sind mir nämlich zuviel!«

»Was soll das heißen?« fragte Brunhild.

»Sprecht nicht in Rätseln«, drängte Raban. »Was meint Ihr damit?«

»Nun, daß die alte Ramee vor langer Zeit in der Nacht des brennenden Wasserfalls deinen Vater in einen Kater verwandelt hat, um ihn nicht töten zu müssen. Seither ist er ein rotbraunes Fellknäuel mit Samtpfoten und einem eigenwilligen Kopf.«

»Ein rotbrauner Kater?« Rabans Gesicht hellte sich auf. Er lächelte. »Ein rotbrauner Kater!«

»Seid Ihr ihm schon begegnet?« fragte Brunhild.

Raban nickte. Er ging zurück zum Fenster und schaute hinaus. »Ja«, sagte er leise. »Ich denke, er hat einen sehr eigenwilligen Kopf. Und ein weiches Fell.«

Dann griff er nach seiner Flöte und begann wieder zu spielen.

Epilog

Der Sieg über die Wölfin und die schwarze Priesterin verbreitete sich schnell im Land. Brunhild wurde von den Menschen als die neue Herrin der Flammenburg gefeiert. Immer wieder aber überfiel sie die Erkenntnis, daß sie ihre göttliche Aufgabe keineswegs schon gelöst hatte. Denn der Rubin, das Wahrzeichen der Macht für eine Hüterin des Feuers, blieb auf geheimnisvolle Weise verschwunden. Auch das dringende Gefühl, noch einmal fortziehen zu müssen, um eine Möglichkeit zu finden, den versteinerten Garten zu erlösen, quälte Brunhild oft. Ihre Gefühle für Raban waren durch die Tatsache, daß er sie verlassen hatte, tief verletzt worden, doch mit der Zeit, als er fortgezogen war, lernte sie ihn aus der Ferne wie einen Bruder zu lieben, den sie schätzte und gelegentlich auch sehr vermißte. Ihr Herz und ihre Sehnsucht gehörten aber dem geheimnisvollen Waldkönig, dem Craiach. Sie trug seinen Ring, und sie schwor, niemals einen anderen zu lieben. Einmal glaubte sie, auf einem Maskenfest dem Craiach begegnet zu sein, doch nach dem Tanz hatte sich der Maskierte rasch von ihr verabschiedet und war davongegangen. Brunhild träumte oft von ihm.