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»Lassen Sie mich wenigstens das Mädchen umbringen«, beharrte Surd. »Lassen Sie mich wenigstens das für Sie machen.«

»Na schön«, gab der Baron nach. »Dann kümmere ich mich um den Jungen.«

Als wäre er schwerelos, glitt Maupertuis auf Sherlock zu, und obwohl sich seine Füße bewegten, berührten sie kaum das Holz.

Er streckte die Hände nach Sherlock aus und einen Moment lang dachte Sherlock, der Baron würde ihn einladen, auf den Tisch hinaufzukommen. Doch stattdessen wurden irgendwo im Ärmel seiner Uniform Schnüre und Drähte straff gezogen und eine glänzende Klinge glitt aus einer am Unterarm verborgenen Scheide hervor. Die zweigartigen Finger des Barons schlossen sich um den wulstigen Griff, wobei sie die Klinge weniger aktiv dirigierten als vielmehr nur lose führten.

Sherlock wich zurück und geriet dabei unversehens neben die Ritterrüstung, die in der Nähe der Tür stand. Er zerrte das Schwert aus dem Panzerhandschuh und warf die Rüstung zu Boden.

Sherlock nahm nur halb wahr, wie MrSurd, der die mit einer Metallspitze versehene Peitsche bedrohlich von einer Hand herabbaumeln ließ, aus dem Schatten hervortrat. Denn in diesem Augenblick kam der Baron mit geschwungenem Säbel vom Tisch auf ihn herabgesprungen. Erst jetzt registrierte Sherlock, dass die gerüstartige Struktur, die seinen Hüften und Beinen Halt gab, unten mit Rädern versehen war. Hinter dem Baron konnte Sherlock weitere Diener ausmachen, mit deren Hilfe sich das Gerüst rasch in alle Richtungen schieben und ziehen ließ. Maupertuis konnte sich innerhalb von Sekunden an jede Stelle des Raumes begeben. Und sogar schneller noch, als Sherlock es konnte.

Der Baron schwang seinen Säbel. Sherlock parierte ungeschickt und spürte, wie die Wucht des Hiebes ihm schmerzhaft in die Schulter fuhr. Funken blitzten auf, als Klinge auf Klinge prallte. Der Baron schwang sich in die Luft und zielte mit dem Säbel genau auf Sherlocks Kopf. Einen Lidschlag später fuhr die Klinge in die Rückenlehne des Stuhls, auf dem Sherlock gerade noch gesessen hatte. Der Hieb spaltete mühelos den Stuhl und Holzsplitter flogen in alle Richtungen.

Sherlock blickte verzweifelt nach rechts, wo Virginia gerade vor MrSurd zurückwich, der dabei war, seine Peitsche zu entrollen. Im nächsten Augenblick schlug MrSurd auch schon zu, und der Peitschenschwanz schnellte Virginia entgegen. Sie wich zurück. Aber sie hatte nicht schnell genug reagiert, denn auf ihrer Wange klaffte ein tiefer Schnitt. Blut spritzte hervor und ergoss sich in einem blütenförmigen Muster über ihre Haut.

Sherlock wollte ihr auf der Stelle zur Hilfe eilen, aber mit spielerischer Leichtigkeit landete der Baron direkt vor ihm auf dem Fußboden. Sherlock sprang auf die Beine und führte mit dem Schwert einen seitlich gerichteten Hieb aus, um eines der Seile und Fäden zu durchtrennen, die den Baron aufrecht hielten. Aber die schwarz gekleideten Diener zogen ihren Meister rasch aus Sherlocks Reichweite. Das bleiche, totenschädelähnliche Gesicht des Barons verzog sich zu einer grinsenden Grimasse. Die rosafarbenen rattenartigen Augen schienen vor Triumph förmlich zu glühen. Er machte einen Satz nach vorn, indem er mit dem rechten Fuß über den Teppich glitt und den rechten Arm, der den Säbel führte, zu einem perfekten Stoß ausfuhr, während sein linker Fuß den Körper abstützte. Sherlock konnte hören, wie die Diener in den Schatten vor Anstrengung schnauften, als sie ihr Gewicht gegen die Seile stemmten, um den Baron aufrechtzuhalten. Die Klinge sauste auf Sherlocks Kehle zu. Er versuchte den Hieb zu parieren, aber seine Füße verfingen sich in ein paar Teppichfalten. Er fiel der Länge nach rückwärts hin und schlug mit dem Kopf auf den Boden.

»Ich war der beste Fechtmeister in ganz Frankreich!«, prahlte Maupertuis. »Und bin es immer noch!«

Virginia schrie auf, und Sherlock blickte unfreiwillig in ihre Richtung. Surd hatte sie in die Enge getrieben, und nun stand sie mit dem Rücken an der Wand. Auf ihrer Stirn klaffte eine weitere Schnittwunde.

Sherlock versuchte, zu ihr zu kommen, aber wie aus dem Nichts kam die blitzende Säbelklinge des Barons auf ihn zugeschossen. Sie durchschnitt seinen Hemdkragen und brachte ihm eine Wunde quer über die Brust bei, die wie Feuer brannte. Sherlock rappelte sich wieder auf und wich hastig zurück, während er gleichzeitig wild mit der Klinge vor seinem Körper hin- und herfuchtelte, im verzweifelten Versuch, die Hiebe des Barons zu parieren.

Unter heftigem Seilgeknarze wurde plötzlich die hölzerne Stützkonstruktion und mit ihr der Baron in die Höhe gehievt und gleich darauf kam Maupertuis’ Körper auch schon auf Sherlock zugeflogen. In einem Angriff, den zu parieren selbst einem Übermenschen Probleme bereitet hätte, drang er auf Sherlock ein und schwang seinen Säbel wie eine Sense in horizontalen Bewegungen hin und her. Ungeachtet seiner Fechtmeisterambitionen hatte er offensichtlich jeden Gedanken an die hohe Fechtkunst verbannt, denn er hackte nun einfach nur noch wie von Sinnen auf Sherlock ein. Von der Anstrengung, die Streiche zu parieren, wurden Sherlocks Arme immer schwerer. Seine Muskeln brannten, und die Sehnen waren so straff gespannt wie Violinensaiten.

Etwas flog durch die Luft an Sherlocks Kopf vorbei und er drehte sich danach um. Es war ein eiserner Panzerhandschuh, der zur Ritterrüstung gehörte, die er zuvor umgeworfen hatte. Virginia hatte ihn vom Boden aufgehoben und auf MrSurd geworfen, der versuchte, sein Gesicht mit der Hand zu schützen. Gleich darauf nahm Virginia einen Panzerschuh und schleuderte ihn MrSurd entgegen. Diesmal hatte sie mehr Erfolg. Die Spitze des Metallschuhs traf den Narbenmann knapp über dem Auge, und er stieß einen wilden Fluch aus.

Sherlock wich noch einmal zurück, als Maupertuis weiteren Boden gutmachte, während über ihm laut die Seile unter der Last des deformierten Mannes knarrten.

Wie brachten es die schwarz gekleideten Marionettenspieler nur fertig, ihre Bewegungen so gut zu koordinieren? Maupertuis bewegte sich genauso gut wie jemand, der nicht solche schrecklichen Verletzungen erlitten hatte. Seine Schritte hatten sogar etwas Prahlerisches.

Der Baron hob den Säbel an seinem linken Ohr vorbei und ließ die Klinge diagonal auf Sherlocks Kopf niedersausen. Sherlock parierte den Hieb, und als die Klingen aufeinanderprallten, stoben Funken wie kleine Glühwürmchen in alle Richtungen davon und brannten sich ihm schmerzhaft in Hals und Schulter.

Es war hoffnungslos. Maupertuis war ein meisterhafter Fechter, selbst mit dem Nachteil, dass er jede einzelne Bewegung von seinen anonymen Dienern ausführen lassen musste. Entweder handelte es sich bei seinen Helfern auch um Fechtmeister – was Sherlock sich fast vorstellen konnte – oder sie hatten mit dem Baron so lange trainiert, dass sie mittlerweile alle, ohne nachzudenken oder miteinander zu kommunizieren, instinktiv wie ein einziger Organismus agierten. Wie viele Tausende von Stunden hatte Maupertuis wohl damit verbracht, sie zu drillen, bis sie zu personifizierten Verlängerungen seines eigenen Willens geworden waren?

Sherlock wich abermals zurück, stieß aber mit Ellenbogen und Schultern gegen etwas Hartes. Die Wand! Er hatte sich nun so weit zurückgezogen, wie es möglich war.

Maupertuis’ Ellenbogen hob sich mit einem Ruck, und der Säbel schoss wie ein Blitz auf Sherlock zu. Verzweifelt warf sich Sherlock zur Seite. Die Klinge fuhr durch den Jackenkragen und bohrte sich dann knirschend zwischen zwei Ziegelsteinen in eine Fuge. Sherlock versuchte, sich loszureißen, aber er steckte fest. Aufgespießt wie ein Schmetterling auf einer Schautafel.

Er spannte den Körper an und wartete darauf, dass Maupertuis die Klinge für den finalen Stoß zurückziehen würde, um dann zur Seite zu gleiten und vielleicht noch einmal zu entkommen. Aber stattdessen hob Maupertuis seine linke Hand in die Höhe. Drähte und Schnüre spannten und krümmten sich wie Sehnen, und dann glitt etwas aus dem linken Ärmel des Barons. Einen Moment lang dachte Sherlock, es wäre ein Messer. Aber die Spitze war irgendwie merkwürdig. Sie sah aus wie eine Metallscheibe mit einem gezackten Rand.