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»Ist alles klargegangen?«, fragte er schließlich.

»Dein Bruder hat die Nachricht, die wir geschickt haben, erhalten und ist gleich aktiv geworden. Soweit ich gehört habe, wurde ein Schiff der Navy zum Fort entsandt. Aber nach dem zu urteilen, was du gestern Nacht noch vor dich hingemurmelt hast, werden sie nicht viel mehr als Asche vorfinden.

Und selbst wenn die britische Regierung die französischen Behörden dazu bewegen kann, Maupertuis’ Château zu durchsuchen, so glaube ich nicht, dass sie viel mehr als leere Räume vorfinden werden. Er wird samt seiner Dienerschaft geflohen sein. Aber seine Verschwörung ist wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Dank dir und Matty.«

»Sein Plan hätte nie funktioniert«, sagte Sherlock und musste an die Auseinandersetzung denken, die Virginia und er mit dem Baron ausgetragen hatten. »Jedenfalls nicht so, wie er es wollte.«

»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber ich denke, dass einige Menschen gestorben wären, und ihr habt sie gerettet. Dafür muss man euch danken. Das wird übrigens auch dein Bruder tun, wenn er kommt.«

»Mycroft kommt hierher?«

»Er sitzt bereits im Zug.«

Eine Frau mit Schürze kam aus der Taverne. Sie trug einen Teller, der mit allem Möglichem beladen war, was man sich für ein Frühstück nur wünschen konnte. Plus diverser Köstlichkeiten, die Sherlock noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Lächelnd stellte sie den Teller vor Sherlock ab.

»Hau rein«, forderte Crowe ihn auf. »Du hast es dir verdient.«

Sherlock hielt einen Moment lang inne. Alles um ihn herum schien auf einmal überaus scharf umrissen und dennoch gleichzeitig leicht entrückt zu sein.

»Bist du okay?«, fragte Crowe.

»Ich bin nicht sicher«, antwortete Sherlock.

»Du hast eine Menge durchgemacht. Du bist k. o. geschlagen und mit Laudanum betäubt worden. Diverse Schlägereien und einen Rudermarathon nicht zu vergessen. Das muss sich zwangsläufig auf den Organismus auswirken.«

Laudanum. Sherlock musste an die seltsamen Träume denken, die ihn heimgesucht hatten, als er betäubt und nach Frankreich verschleppt worden war. Er empfand einen Anflug von … Ja, von was eigentlich? Melancholie? Vielleicht. Wehmut. Oder gar Verlangen? … Bestimmt nicht. Was immer für ein Gefühl es auch sein mochte, er verdrängte es für den Moment. Er hatte von Leuten gehört, die von der Wirkung des Laudanums abhängig geworden waren, und er verspürte keine Lust, ihrem Beispiel zu folgen. Nicht die geringste.

»Wie geht es Virginia?«, fragte er, um auf andere Gedanken zu kommen.

»Sie ist sauer, dass sie den ganzen Spaß verpasst hat. Und sie vermisst natürlich ihr Pferd. Sie wollte sich ein wenig in der Stadt umsehen, aber ich habe ihr gesagt, dass sie nicht alleine raus darf. Ich denke mal, sie wird froh sein, dass du wieder wach bist.«

Sherlock starrte aufs Meer hinaus. »Ich kann gar nicht glauben, dass jetzt alles vorbei ist«, sagte er.

»Das ist es nicht«, erwiderte Crowe. »Es ist Teil deines Lebens geworden. Du kannst diese Ereignisse nicht einfach als separate Geschichte betrachten, die einen Anfang und ein Ende hat. Du bist jetzt ein anderer geworden, eben wegen dieser Ereignisse. Und das bedeutet, dass die Geschichte niemals wirklich enden wird. Aber als dein Lehrer stellt sich mir da folgende Frage: Was hast du aus dem Ganzen gelernt?«

Sherlock dachte eine Minute lang nach. »Ich habe gelernt«, sagte er schließlich, »dass Bienen faszinierende Kreaturen sind, über die sich die Leute so gut wie keine Gedanken machen. Ich denke, ich möchte mehr über sie erfahren. Vielleicht sogar versuchen, die Meinung, die man über sie hat, zu verändern.« Er verzog das Gesicht. »Vermutlich bin ich ihnen das schuldig, wo ich doch so viele von ihnen umgebracht habe.« Er blickte zu Matthew Arnatt hinüber. »Und was ist mit dir, Matty? Was hast du gelernt?«

Matty sah von seinem Frühstück auf. »Ich hab gelernt«, sagte er, »dass du jemanden brauchst, der auf dich aufpasst. Denn sonst werden dich deine logischen Einfälle eines Tages noch umbringen.«

»Meldest du dich freiwillig für diesen Job?«, fragte Amyus Crowe, um dessen Augen sich Lachfältchen gebildet hatten.

»Keine Ahnung«, antwortete Matty. »Wie is’ denn die Bezahlung?«

Während Amyus Crowe herzhaft lachte und Matty laut protestierend erklärte, es sei sein voller Ernst gewesen, blickte Sherlock gedankenversunken auf das weite und zeitlose Meer hinaus. Was würde wohl als Nächstes in seinem Leben passieren? Er hatte das Gefühl, als hätte das Schicksal ihn auf eine Straße verschlagen, von deren Existenz er noch gar nichts gewusst hatte, und er fragte sich, was ihn an ihrem Ende erwarten würde.

Eine Bewegung, die er aus den Augenwinkeln wahrnahm, erregte seine Aufmerksamkeit. Er blickte an der Taverne vorbei, wo die Straße in zwei unterschiedliche Richtungen wegführte. Eine Kutsche näherte sich. Eine schwarze Kutsche, die von zwei schwarzen Pferden gezogen wurde. Einen Moment lang dachte er, dass Mycroft eingetroffen sei. Er wollte sich schon erheben, doch dann erstarrte er.

Fröstelnd blickte er in ein kalkweißes Gesicht und rosafarbene Augen. Einen kurzen Moment lang starrten sie ihn durch das Glas an, bevor eine behandschuhte Hand energisch den Vorhang zuzog und die Kutsche weiterfuhr. Spätestens jetzt wusste er, dass ihn sein Gefühl nicht betrogen hatte: Die Dinge würden nie wieder so sein, wie sie einmal gewesen waren. Baron Maupertuis und die Paradol-Kammer waren immer noch irgendwo da draußen, und er würde niemals Ruhe geben.

Was bedeutete, dass es das auch für ihn niemals geben würde.

Danksagungen

Ich habe eine ganze Reihe von Büchern zurate gezogen, um die Geschichte der Zeit und der Region annähernd richtig wiederzugeben. Insbesondere möchte ich die folgenden Werke würdigen:

London’s Lost route to Basingstoke: The Story of the Basingstoke Canal. Von P. A. L. Vine. Erschienen bei Allan Sutton Publishing 1968 (überarbeitete und erweiterte Neuauflage 1994). Enthält großartige Informationen über die lokalen Wasserwege und Kanäle in der Farnham-Region.

The Tongham Railway. Von Peter A. Harding. Erschienen 1994 im Selbstverlag. Ganz offensichtlich Ergebnis der obsessiven Begeisterung des Autors über das Thema, aber immens nützlich.

Bygone Farnham. Von Jean Parratt. Erschienen bei Phillimore & Co. Ltd., 1985. Sehr nützlich, wenn auch nur wegen der darin enthaltenen Liste von Pubs und Tavernen, die den Schluss nahelegt, dass in jedem zweiten Haus in Farnham Bier verkauft wurde.

London Under London – A Subterraean Guide. Von Richard Trench und Ellis Hillman. Erschienen bei John Murray 1984 (dem originalen Buchverlag, in dem die Sherlock-Holmes-Geschichten erschienen sind). Das klassische Handbuch für Londons unterirdische Flüsse und Tunnel.

Subterranean City – Beneath the Streets of London. Von Antony Clayton. Erschienen bei Historical Publications 2000. Behandelt so ziemlich die gleiche Thematik wie das Buch von Trench und Hillman, profitiert jedoch von erst später entdecktem, aktuellerem Material. Oder vielleicht wäre »ausgegraben« dafür das bessere Wort.

The London of Sherlock Holmes. Von Michael Harrison. Erschienen bei David & Charles 1972. Eine unschätzbar wertvolle und makellos recherchierte Untersuchung, die sich damit befasst, wie London aus der Perspektive von Sherlock Holmes ausgesehen hätte.

Außerdem dankbare Anerkennung an:

Rebecca McNally und Robert Kirby für ihren Glauben und ihr Vertrauen;

Jon Lellenberg, Charles Foley und Andrea Plunkett für ihr Einverständnis;

Gareth Pugh dafür, dass er mir alles über Bienen erzählt hat;