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Verwirrt dachte Sherlock einen Moment lang, dass er auf die Pferde schießen würde, die die Kutsche zogen. Aber dann wurde ihm klar, dass der Mann über die Köpfe der Tiere hinweggeschossen hatte, und er begriff: Der Schütze versuchte, sie zu erschrecken, um sie zu noch schnellerem Tempo anzutreiben, und wie es aussah, funktionierte das auch. Der Abstand vergrößerte sich rasch, während die Kutsche mit vollem Tempo auf der Straße dahindonnerte. Sherlock war klar, dass sich diese Geschwindigkeit nicht lange aufrechterhalten ließ, denn ihre Pferde würden rasch erschöpft sein. Aber offensichtlich hatten die Männer etwas anderes im Sinn.

Der Schütze verschwand wieder im Kutscheninneren, jedoch nur einen Moment lang. Dann sprang plötzlich die Tür auf, und der Mann hechtete nach draußen. Sein Sprung war perfekt geplant, und er landete mitten in der weichen Schilfzone, die das Flussufer säumte. Er war zunächst verschwunden, doch die lange Schneise umgeknickter Schilfrohre, die seinen Sturz gebremst hatten, war gut zu verfolgen.

Unsicher, was er nun tun sollte, zügelte Crowe sein Pferd. Doch dann trieb er es wieder an und eilte der Kutsche hinterher, anstatt sich um den Mann zu kümmern. Gleich darauf beobachtete Sherlock, wie dieser plötzlich wieder aus dem Schilf auftauchte. Er war triefend nass, und sein Gesicht wies an den Stellen, wo ihm das Schilf beim Sturz die Haut aufgeritzt hatte, Schnittwunden auf.

Er hielt ein Gewehr in den Händen. Er hob es, als Crowe sich näherte, nahm entlang des langen Laufes sorgfältig Ziel und feuerte.

In dem Moment, als das Mündungsfeuer aufblitzte, warf Crowe die Arme hoch und fiel rückwärts aus dem Sattel. Er landete mit der rechten Schulter auf der Straße und rollte, sich unzählige Male überschlagend, durch den Staub, bis er wie ein gefällter Baumstamm reglos liegenblieb. Sein Pferd galoppierte zunächst noch etwas weiter, aber ohne seinen Reiter, der es antrieb, wurde es langsamer und ging allmählich in den Trab über. Schließlich blieb es stehen und blickte der in der Ferne verschwindenden Kutsche nach, als ob es sich fragen würde, wozu der ganze Aufruhr eigentlich veranstaltet worden war.

»Vater!«, schrie Virginia. Sie zügelte ihr Pferd so scharf, dass es mit schlitternden Hufen zum Halten kam, und sprang vom Sattel. Ohne auf den Mann mit der Waffe zu achten, der sie beobachtete, rannte sie die Straße entlang auf ihren Vater zu.

Dann hob der Mann sein Gewehr.

Die englische Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel ›Young Sherlock Holmes – Red Leech‹ bei Macmillan Children’s Books, London, England

Copyright © Andrew Lane 2010

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012

ISBN 978-3-596-19301-1