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Er sah den Wellen eine Weile zu, bewunderte ihre dumpfe Gewalt und war wider Willen beeindruckt von so viel lärmender Unermüdlichkeit. Der Salzgischt benetzte sein Haar und drang ihm in Augen, Nase und Lungen. Er atmete tief ein, fühlte sich vereint, verbunden mit, aufgehoben in diesem ewigen erbitterten Kampf der Elemente.

Ein goldener Strahl glitt flach über den rauen Meeresflor, hinter einem dicken Wolkengebirge im Westen kam langsam die Sonne hervor. Die Nebelschleier über den fernen Gipfeln und Felstürmen lösten sich auf und zogen über dem langen, gewölbten Strand nach Norden ab.

Seevögel kämpften über den Wellen mit dem Wind, stießen herab, packten mit ihren Krallen schlanke, in allen Regenbogenfarben schillernde Fische und flogen mit ihnen davon.

Zunächst hatte er sich außerhalb des Gasschiffchens ganz fremd gefühlt. Das war immer so gewesen, doch diesmal war das Gefühl der Fremdheit anders, irgendwie intensiver. Dies war die Heimat fremder Wesen, ein vertrauter und doch ganz anderer Ort; näher der Welt, die sein Zuhause sein sollte, weiter weg von der, die es tatsächlich war. Elftausend Lichtjahre waren sie diesmal von Ulubis entfernt, obwohl sie hierher einen weiteren Weg zurückgelegt hatten als beim letzten Mal. Und doch hatten sie nur zwölf Tage gebraucht.

Als er die Luke des Gasschiffs geöffnet hatte und aufgestanden war, hatte er so stark geschwankt, dass Y’sul ihn stützen musste. Ein krampfhafter Husten hatte ihn geschüttelt, bis er würgen musste, er hatte sich abgemagert und schwach gefühlt, wie ausgelaugt. Diese Rückkehr in den Urzustand des Menschen war wie eine Steigerung von Nacktheit. Er war schleimig, feucht und unbekleidet wie ein Neugeborenes, und ihm war kalt. Sogar die Kiemenwasser-und Schockgelröhren, die sich aus seinem Körper zurückzogen, erinnerten an Nabelschnüre und passten zum Bild einer Geburt. Er kam sich leichter und zugleich schwerer vor, das Blut sackte ihm in die Beine, seine Knochen protestierten.

Nach einer Weile empfand er die Nacktheit – und nackt fühlte er sich auch in gewöhnlicher Kleidung – allmählich wieder als normal. Dennoch überlief ihn hin und wieder ein Frösteln. Der Replikator der Velpin hatte sein Möglichstes getan, um Kleidung zu produzieren, die ein Mensch tragen konnte, aber das Ergebnis lag dennoch fremdartig kalt und glatt auf seiner Haut.

Sie waren auf Mavirouelo, einer zu neunzig Prozent erdähnlichen Welt, nicht weit vom Rand der Galaxis entfernt, aber weniger isoliert als Ulubis. Eine Kolonie von Wasserweltbewohnern, ein Sceuri-Planet. wasserwelten waren die Abart von Felsplaneten, die in der Galaxis am häufigsten zu finden war, obwohl man den Fels nicht sehen konnte. Ein im Durchschnitt etwa erdgroßer Metall/Felskern war unter fünftausend Kilometern Druckeis begraben, auf dem wiederum ein hundert Kilometer tiefer Ozean lastete. Dieser Planetentyp war nach den fast allgegenwärtigen Gasriesen der gängigste, und ihm verdankte die Merkatoria drei ihrer acht Hauptspezies: die Sceuri, die Ifrahile und die Kuskunde.

Mavirouelo war keine klassische Wasserwelt – der Wasseranteil war nicht einmal so hoch wie auf der Erde –, aber es war von den Sceuri kolonisiert worden, bevor sich irgendein einheimisches Tier – zu Land, zu Wasser oder in der Luft – weit genug hatte entwickeln können, um den Planeten als Lebensraum zu beanspruchen. So war Mavirouelo zu einer der Fernwelten der Sceuri geworden, ein Außenposten ihres Semi-Imperiums innerhalb des übergeordneten politischen Gemeinwesens unter der Kontrolle der Merkatoria.

Die Sceuri waren auch keine konventionellen Wasserweltbewohner, sondern Cetasegler, sie ähnelten großen Meeressäugern, hatten aber Spinnakerflossen auf dem Rücken, die sie in den Wind drehen konnten. Daher konnten sie nicht nur schwimmen, sondern auch über ihre Welten segeln.

Y’sul tauchte in seinem Schutzanzug aus dem Meer wie der Kommandoturm eines U-Boots. Die Seevögel flogen erschrocken auf. Er schwamm ans Ufer und kämpfte sich durch die tosenden Wellen zu Fassin vor, der auf einer flachen Klippe stand. Der Mensch sah sich plötzlich wieder mit Saluus Kehar auf dem Balkon des Hauses auf der Wassersäule stehen und zusehen, wie Hatherence in ihrem Schutzanzug über die künstliche Brandung schwebte.

»Fassin!«, dröhnte Y’sul und schwebte summend und Wasser versprühend zehn Meter in die Höhe. »Noch nichts zu sehen?«

»Noch nichts zu sehen.«

Y’sul hielt ein Netz in die Höhe, in dem es glitzerte, flatterte und zappelte. »Schau mal, was ich gefangen habe!« Er hielt sich das Netz vor den vorderen Flossensaum, um es zu begutachten. »Ich glaube, das nehme ich mit zum Schiff zurück.«

Ein Regen von Wassertropfen und kleinen Muscheln ging auf Fassin nieder, als Y’sul über ihn hinweg landeinwärts flog. Ein paar hundert Meter entfernt stand ein Schiffsabschnitt auf einem mit Pflanzen bewachsenen Sims vor den schroffen Klippen, Felssäulen und Bergen. Das fünfzig Meter lange Landefahrzeug war der Nasenkegel der Velpin, der Rest des Schiffes war mit Quercer & Janath an Bord im Orbit geblieben.

Fassin sah dem Dweller nach, dann wandte er sich wieder dem Ozean zu. Er war hier mit einem Sceuri verabredet, der den Dweller Leisicrofe gesehen hatte. Jener hatte sich angeblich bis vor zwölf Jahren hier aufgehalten. Noch hatte sich kein Sceuri blicken lassen. Die Velpin war von der Orbitalkontrolle des Planeten angerufen und von mehreren Militäreinheiten ins Visier genommen worden, bis sie notgedrungen einen Grund für ihren Besuch angegeben hatte.

»Wir suchen nach einem alten Knacker von einem Dweller mit Namen Leisicrofe«, hatten Quercer & Janath erklärt – genau mit diesen Worten.

Man hatte ihnen befohlen, in einen Orbit um den Planeten zu gehen und dort zu bleiben. Die Visierstrahlen blieben auf sie gerichtet. Sie hatten sich verdächtig gemacht, weil sie nicht durch das hiesige Portal gekommen waren, obwohl ihr Schiff ’lochtauglich aussah.

»Sceuri«, hatten Quercer & Janath Fassin und Y’sul erklärt. »Ewig misstrauisch.«

»Paranoid.«

Drei Tage lang hatten sie zugesehen, wie sich der Planet unter ihnen drehte. y’sul hatte abfällig etwas von flachen und langweiligen Stürmen vor sich hin gemurmelt, Fassin hatte fasziniert die großen Schneeflockenstädte zu Wasser und zu Lande betrachtet, während sich der Vollzwilling damit beschäftigt hatte, längst vergessenes Schiffszubehör zu inventarisieren und lärmende Bildblattspiele zu spielen. Nachdem die beiden auf die Fragen der planetaren Verkehrskontrolle nach ihrem Woher geantwortet hatten, von Nhouaste, dem größten der vier Gasriesenplaneten des Systems, war endlich ein Signal gekommen. Ein Forscher namens Aumapile von Aumapile hätte die Ehre gehabt, dem Dweller-Forscher Leisicrofe bei sich aufzunehmen, und würde sich geschmeichelt fühlen, auch für die Neuankömmlinge den Gastgeber zu spielen.

Ein weiterer Schritt auf dem Weg, ein Schritt, der sie vielleicht dem wandernden Dweller und den Daten näher brachte, die er bei sich trug. Falls Leisicrofe noch lebte, falls er die Daten noch hatte, falls die Daten das waren, was sie sein sollten, falls Valseir die Wahrheit gesagt hatte und falls sie nicht völlig veraltet waren, ohne Bedeutung, überholt von der scheinbar sicheren Erkenntnis, dass es ein Netz geheimer Wurmlöcher gab, die nur Dwellern zugänglich waren, dass die Dweller diese Wurmlöcher aber mit niemandem teilen wollten und dass womöglich kein Zusammenhang mit der Dweller-Liste existierte.

Fassin suchte nach irgendeinem Hinweis auf das System, das er bereits zweimal benützt hatte. Er hatte mindestens zwei Wurmlöcher passiert und war durch die halbe Galaxis gereist, ohne dem Schlüssel zu diesem Labyrinth aus Falltüren und Geheimgängen wirklich näher zu kommen. Man hatte ihn in bewusstlosem Zustand hindurchgetragen wie eine verzauberte Jungfrau aus einem Schauerroman, der man einen Schlaftrunk eingeflößt hatte, aber das Geheimnis, das hinter alledem stand, durfte er nicht erfahren.