Bei dieser Knappheit an leicht zugänglichen Rohstoffen in den Weltraum zu gelangen, war nicht einfach, und die Sceuri fanden, sie hätten für diesen Triumph des Intellekts über den Mangel reichlich Anerkennung und Respekt verdient. Wenn jemand von einem Planeten mit felsiger Oberfläche kam und die gleiche Leistung vollbrachte, war das nicht anders zu erwarten, eine Kleinigkeit, ein eher banaler Trick. Deshalb bezeichneten die Sceuri die Bewohner solcher Planeten als Verschwender, ohne ihnen das freilich immer ins Gesicht oder den entsprechenden Körperteil zu sagen.
»Wir bitten um Verdeutlichung, oh großer A von A«, bat die andere Hälfte von Quercer & Janath.
Fassin glaubte die Gedankengänge des Sceuri bereits erraten zu haben. Der hiesige – natürlich von Dwellern bewohnte – Gasriese Nhouaste war wie die überwiegende Mehrheit der Dweller-Gasriesen eine Welt, die weder Seher noch andere Wesen außer Dwellern willkommen hieß. Aumapile von Aumapile hatte wahrscheinlich erfahren, in welche Richtung Leisicrofe als Nächstes wollte, und da er nicht das Merkatoria-Wurmloch genommen hatte – und wohl auch kaum vorhatte, mit Unterlichtgeschwindigkeit durch den interstellaren Raum zu reisen –, hatte der Sceuri angenommen, sein Gast wollte seine Forschungen an einem Ort fortsetzen, der ihm selbst trotz seines sagenhaften Reichtums und seiner famosen Beziehungen in diesem wie in jedem anderen System immer verschlossen bleiben würde: in einem von Dwellern bewohnten Gasriesen.
»Ich denke nämlich, die Schufter, die unser gemeinsamer Freund finden wollte, haben eine neue Nische gefunden, nicht mehr im All, sondern im Gas«, sagte der Sceuri. Die Genugtuung in seiner Stimme war noch im Lautsprecher zu hören.
»Schufter?«, fragte Y’sul.
»Bekannt.«
»Gutartige Semi-Schwarmwesen«, verkündete die andere Hälfte von Quercer & Janath. »Unterhalb der Empfindungsfähigkeit. Berüchtigt dafür, an willkürlichen Stellen Weltraumkonstruktionen mit unbekannter Funktion zu errichten. Vermutlich Anfänge einer Infrastruktur für eine Invasion, die nie stattgefunden hat, im Auftrag einer längst ausgestorbenen und gründlich vergessenen Rasse. Verbreitung weiträumig, aber spärlich. Zahlen schwanken. Selten gefährlich, manchmal gejagt, kein Kopfgeld.«
»Ganz genau.«
»Wirklich?«, fragte Y’sul. es klang überrascht.
»Nun tu doch nicht so, als wüsstest du das nicht«, schalt ihr Gastgeber und erzeugte Sinuswellen im Wasser, als hätte man ihn gekitzelt. »Natürlich!« Der Aumapile von Aumapile stieß an jedem Ende einen Wasserstrahl aus. Leichter Verwesungsgeruch stieg Fassin in die Nase. »Aber ich weiß, wohin euer Freund als Nächstes wollte, und ihr wisst es nicht. Wenn ihr mich mitnehmt, bin ich bereit, es euch zu verraten. Aber erst, wenn ich auf eurem Schiff bin. Gasriesen sind so groß! Und wir haben natürlich vier davon. Da denkt man sich: Wer weiß schon, wo man suchen soll?« Der Sceuri schlug mit dem Schwanz. Fassin wurde mit Wasser bespritzt. »Was haltet ihr denn nun davon?«
Y’sul sah Fassin an und zuckte unauffällig mit dem Flossensaum, was bei den Dwellern gleichbedeutend mit einem Kopfschütteln war.
Der Expeditionscaptain schwieg einen Augenblick, dann sagte er:
»Wenn wir dich mitnehmen …«
»Aha! Aber ich habe mein eigenes Schiff! Ihr befindet euch bereits darin.«
»Geht nicht.«
»Du musst mit auf unser Schiff.«
»Ich habe auch kleinere Schiffe! Viele davon! Große Auswahl!«
»Spielt keine Rolle. Nur auf unserem Schiff!«
»Reisebedingungen.«
»Hm …«, sagte der Sceuri.
»Fahrgäste reisen vorbehaltlos.«
»Vorbehaltlos.«
»Was heißt das?«
»Du musst uns vertrauen.«
»Richtig. was auch geschieht.«
»Das heißt nichts anderes, als dass du bei jeder Reise k. o. geschlagen wirst,«, erklärte Y’sul ihrem Gastgeber. Quercer & Janath zischten empört. »Und«, fuhr Y’sul fort, ohne darauf zu achten, »dass du nicht unbedingt dort landen wirst, wo du eigentlich hinwolltest.«
»Wie primitiv! Aber was für ein Vergnügen!«
Elfhundert Schiffe. sie hatten es mit elfhundert Schiffen zu tun. Alle mussten mehr als eine bestimmte Größe haben, um den gewaltigen Abgrund zwischen dem E-5-Separat und diesem System in annehmbarer Zeit überwinden zu können, und wahrscheinlich waren sie alle bewaffnet. Ulubis konnte auch nach dem hektischen Schiffsbauprogramm nur knapp dreihundert wirklich raumtaugliche Kriegsschiffe aufbieten. Die Generalflotte, die ihnen zu Hilfe kommen wollte, war zahlenmäßig ähnlich stark, aber ihre Schiffe gehörten von der Schlagkraft her in eine andere Größenordnung: eine bunte Mischung aus Zerstörern, leichten, mittleren und schweren Kreuzern und wirklich dicken Kähnen, den Schlachtkreuzern und Schlachtschiffen.
Ulubis hatte Fregatten, Zerstörer, leichte Kreuzer und einen einzigen alten Schlachtkreuzer, die Carronade. Man hatte in den Jahrhunderten nach der Zerstörung des Portals eine ganz beachtliche Flotte aufgebaut, und in dem halben Jahr seit Erhalt der Nachricht von der bevorstehenden Invasion waren noch einige Schiffe mehr dazugekommen, aber das reichte bei weitem nicht aus, um den Invasoren ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen. Vor wenigen Monaten hatte man in Nasqueron bei der Schlacht im Sturm in wenigen Minuten ein Sechstel der gesamten Streitmacht verloren, darunter den einzigen Schlachtkreuzer. sonst waren es hauptsächlich leichtere Schiffe gewesen, dennoch war es ein herber Verlust.
Die jüngste Hiobsbotschaft lautete, das Konsortium, das an der Railgun arbeitete, sei so weit hinter den Zeitplan zurückgefallen, dass es mehr als fraglich sei, ob die Waffe vor der Invasion auch nur das Versuchsstadium erreichen würde. Jetzt wurde die Riesenkanone demontiert, damit sie nicht in die Hände des Hungerleider-Kults fiele. Das ganze Projekt, dachte Sal, war eine so grenzenlose Verschwendung von Zeit, Arbeitskräften, Ressourcen und harter Arbeit, dass man schon fast von sublimer Eleganz sprechen konnte.
Kehar Heavy Industries und die anderen Waffenschmieden hatten alles daran gesetzt, um möglichst viele Kriegsschiffe zu bauen, instand zu setzen, aufzurüsten und umzugestalten. Dutzende von Zivilschiffen waren militarisiert worden. Aber alles hatte seine Grenzen. was sie tun konnten, würde niemals ausreichen. Ulubis war unterlegen. Man konnte kämpfend untergehen, aber untergehen würde man in jedem Fall.
»Es könnte nicht schlimmer sein!«, zischte General Thovin von den Sicherheitskräften so erbost, dass er fast seinen ganzen Drink versprühte. Das Gespräch fand im Orbit um Nasqueron statt, auf einem requirierten ehemaligen Kreuzfahrtschiff, einem der Unterstützungsschiffe der Abordnung. Saluus und Submeister Sorofieve von der Propylaea waren vom Kriegskabinett entsandt worden, um bei den Verhandlungen mit den Dwellern womöglich noch etwas mehr Druck zu machen. thovin, der von seinen Verpflichtungen bei den Sicherheitskräften freigestellt und zum Oberbefehlshaber der Orbitalstreitkräfte von Ulubis ernannt worden war, hatte die Verantwortung für die nur leicht bewaffnete Eskorte. Damit war er aus dem Weg und konnte nicht viel Schaden anrichten. Sein wohlklingender neuer Titel wog das Fehlen einer schlagkräftigen Artillerie offenbar fast völlig auf.
»Wir können nicht einmal vor den Hungerleidern kapitulieren«, sagte er, »sonst beziehen wir Prügel, wenn die Generalflotte eintrifft. Dann sind wir zweimal angeschissen!« Er stürzte den Rest seines Drinks hinunter.
Saluus konnte Thovin nicht leiden – er war einer von den Männern, die durch Glück, Beziehungen, nachsichtige Vorgesetzte und jener Gleichgültigkeit gegenüber anderen, die von leicht zu Beeindruckenden als Skrupellosigkeit und von weniger Leichtgläubigen als Soziopathie bezeichnet wurde, an die Spitze einer Organisation gelangt waren. Aber manchmal polterte er einfach los, ohne die Folgen bedenken, und dann sprach er genau das aus, was alle anderen nur dachten. Wie ein Komödiendichter, der in die Obszönität abrutschte.