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Sal überlegte kurz. »Da würde ich sie schon lieber zerstören«, sagte er.

Thovin drehte sich um und sah ihn abwartend an. Sein Gesicht verriet nichts.

»Das ist kein Scherz. Es ist wirklich ein Prototyp«, sagte Sal lächelnd. »Man kann doch das Staatsoberhaupt eines ganzen Systems nicht einer Maschine anvertrauen, die noch nicht ausgereift ist, noch dazu, wenn sie mit Spitzengeschwindigkeiten fliegen sollte, und nur deshalb würde man sie doch überhaupt haben wollen! Es ist ein Unterschied, ob ich selbst mich hineinsetze oder sie dem Hierchon gebe. Angenommen, er käme damit ums Leben? Wie sähe das denn in der Öffentlichkeit aus? Du meine Güte, Mann, denken Sie doch an die Börsenkurse.«

Thovin nickte eine Weile vor sich hin, dann richtete er den Blick wieder auf die Jacht. »Also Rakete«, sagte er.

»Ich auch«, sagte Liss leise im Dunkeln. »Ich hätte ihn auch für einen Idioten gehalten, den man nach oben gehievt hat.«

»Ich glaube, er spielt den Idioten nur recht geschickt«, sagte Sal. »Wahrscheinlich ist seine Dummheit genauso wenig echt wie die Naivität unserer Dweller-Unterhändler. vielleicht sollte Thovin die Führung der Gespräche übernehmen. Verderben könnte er ohnehin nicht mehr viel.«

Sie lagen an Bord der Prototyp-Jacht im Bett. Hier waren sie sicherer als auf dem Linienschiff oder einem der anderen Unterstützungsschiffe der Abordnung, aber die Kabine war viel kleiner und lange nicht so luxuriös. Man wusste zwar nicht ganz genau, ob nicht jemand während der Bauzeit eine Wanze an Bord geschmuggelt hatte, aber Saluus hatte seine vertrauenswürdigsten Leute abgestellt und die Arbeiten so scharf wie möglich überwachen lassen; jedenfalls war hier der sicherste Ort, um Dinge zu besprechen, die andere nicht hören sollten.

»Glaubst du, er wollte dir ein Geschäft vorschlagen? Damit du ihn mitnimmst, falls du dich zur Flucht entschließen solltest ?«

Saluus zögerte. Über eine Flucht hatte er noch nicht einmal mit Liss offen gesprochen. Sie hatte natürlich erraten, dass er die Jacht dazu verwenden könnte – und Thovin offenbar auch. Das warf die Frage auf, für wen das sonst noch auf der Hand lag (die Vorstellung trieb ihm den Schweiß auf die Stirn!) – aber keiner von ihnen hatte etwas zu gewinnen, wenn er solche Gedanken aussprach.

Sal entschied sich dagegen, diese Wahrheit ans Tageslicht zu zerren. »Nein«, sagte er. »Ich hatte eher den Verdacht, Thovin könnte so etwas wie ein Spion sein.«

»Tatsächlich?«

»Sollte mich nicht wundern, wenn er dem Hierchon direkt oder zumindest den obersten Geheimdienstchefs des Hohen Herrn berichtete. Ich glaube, seine Raubeinigkeit ist nur gespielt, um die Leute einzulullen. Gut möglich, dass der Dreckskerl Verräter aufspüren soll.«

Liss schmiegte sich an ihn und bewegte ihren schlanken Körper langsam auf und ab. »Aber bei dir hat er nichts gefunden ?«

»Wie könnte er denn?«, sagte Sal. »So offen und ehrlich, wie ich nun einmal bin?«

»Natürlich.«

Manchmal, wenn ihr schon die Augen zufielen, während sie ihn noch an sich drückte, klopfte sie mit den Fingern seltsame Rhythmen auf seine Flanke oder seinen Rücken, eine Art Geheimcode der Liebe. Wenn sie dann einschlief, hörte sie auf, oder sie schreckte noch einmal hoch, rutschte von ihm weg, als schämte sie sich, und rollte sich zusammen.

Wieder diese Benommenheit. An Bord der Velpin. Immer noch. Keine Vorstellung, wie lange sie diesmal gebraucht hatten. Quercer & Janath hatten den dreien lediglich gesagt, die Reise würde ›ein paar Tage‹ dauern. Und als der Sceuri nicht hinsah, hatten sie sich mit Signalgeflüster an Fassin und Y’sul gewandt: Dieses ›Du musst uns vertrauengilt auch für euch beide. Aber kein Wort, ja?

Y’sul und Fassin hatten sich nur angesehen.

Ein paar Tage. Von einem Portal zum anderen gelangte man natürlich nahezu ohne Zeitverlust, aber der Weg zu und von den Portalen auf beiden Seiten nahm Tage in Anspruch. Dazu kamen möglicherweise einige Umwege, um eventuelle Beobachter oder Verfolger zu verwirren, die versuchten, die geheimen Zugänge ausfindig zu machen. wer wusste das schon? Natürlich Quercer & Janath, aber die verrieten nichts und waren auch nicht dazu zu bewegen, Fassin oder wenigstens Y’sul während dieser phantastischen und dabei mit solcher Selbstverständlichkeit durchgeführten Sprünge kreuz und quer durch die Galaxis bei Bewusstsein zu lassen.

Beobachter und Verfolger. Wie konnte ein Schiff so viele Reisen unternehmen, ohne dabei bemerkt zu werden? Teleskope für alle Wellenlängen, schwerkraftsensoren, neutrinosucher: in praktisch jedem hoch entwickelten System gab es Instrumente, die mit vernichtend scharfem Blick in naher, mittlerer und großer Entfernung das All nach Signalen absuchten; irgendetwas musste ihnen doch aufgefallen sein. Oder führten die Portale nur in unentwickelte Systeme, wo man bessere Chancen hatte, unbemerkt zu bleiben?

Nein, es gab sie auch in Ulubis und Achum.

Beobachter und Verfolger. Vielleicht Verfolger, die so klein waren, dass sie noch weniger auffielen als das Schiff selbst? Irgendetwas müsste doch einmal hinter einem Dweller-Schiff hergeflogen und unversehens in ein geheimes Wurmloch gestürzt sein … Aber nichts wies darauf hin.

So lässig, so gleichgültig, so la-la-la; war das womöglich nur eine perfekte, immerwährende Schau? Waren alle Dweller in Wirklichkeit geniale Schauspieler, brillant in der Tarnung, Meister in allen Techniken, die erforderlich waren, um jede einzelne Reise, jeden Transfer, jeden Sprung unter absoluter Geheimhaltung durchzuführen? Beim Schicksal und der Vernunft, sie hatten zehn Milliarden Jahre Zeit gehabt, um sich in jeder Disziplin zu vervollkommnen. was mochten sie in dieser Zeit an Fähigkeiten entwickelt und zur Perfektion gebracht haben? (Dennoch blieb das Chaos, blieben extreme Zufälle, blieb die schlichte Wahrscheinlichkeit, dass nichts so perfekt war, dass nicht irgendwann einmal ein Fehler passierte …)

Er kam langsam zu sich. Rovruetz, Direaliete. Verdammte Scheiße, noch mehr neue Namen, noch mehr Orte, die man sich merken musste, noch ein verdammter Schritt auf dem Weg zum Ziel. Er würde diesem Dreckskerl von einem Dweller, der sich nicht fassen ließ, so lange folgen, bis sein letztes Stündchen schlug, oder bis er so orientierungslos war, so verblödet von den vielen Betäubungen, dass er vergaß, worum es bei der ganzen irrwitzigen Suche eigentlich ging. wenn er Leisicrofe eines Tages endlich fände, wenn ohnehin alles zu spät war, würde er den Kerl nur ratlos anstarren, ohne sich erinnern zu können, wonach er ihn fragen wollte oder was in aller Welt ein Dweller besitzen könnte, das für ihn interessant oder wichtig wäre.

Die Kabine der Velpin war fast völlig ausgefüllt vom Schutzanzug des Sceuri namens Aumapile von Aumapile: die riesige schwarze Raute mit den weißen Tupfen war wie ein alles verzerrendes Fenster ins All. Fassin kam nur langsam zu sich, wie jedes Mal taten ihm alle Glieder weh, und er fühlte sich schmuddelig. und nun konnte er nicht einmal Y’sul oder den ohnehin nutzlosen Bildschirm an der Rückwand sehen.

»Würg!«, rief der riesige schwarze Anzug. »Das also nennt man Bewusstlosigkeit? Sehr unangenehm. Und das ist, wie ich vermute, zwangsläufig so.«

Fassin war froh, dass irgendjemand seiner Meinung war. Er fuhr die Systeme des Pfeilschiffs wieder hoch und überprüfte sie dabei. Der linke Manipulatorarm erwies sich als schwer gängig, aber die Autoreparaturmechanismen hatten bereits getan, was sie konnten. Aller Erfahrung nach würde der noch ein paar Monate in Realzeit mit halber Kraft und ziemlich ruckartig funktionieren und dann vollends blockieren. Vermutlich konnte Fassin von Glück reden, dass er bisher ohne größere Pannen davongekommen war, das Schiffchen hatte seit dem Flug von Third Fury immerhin einiges auszuhalten gehabt.