»Dennoch interessant!«, verkündete der Sceuri. Seine Stimme dröhnte durch den ohnehin schon überfüllten Raum. Der Aumapile von Aumapile war noch lauter als Y’sul. »Hmm«, sagte er. »Ja, interessant, kein Zweifel. Seid ihr beiden schon aufgewacht, oder bin ich der Erste? Ha-ha!«
»Wenn ich nicht wach bin, dann habe ich einen sehr lauten Albtraum«, giftete Y’sul von der anderen Seite her.
»Gleichfalls«, sagte Fassin.
»Super! Sind wir denn schon da?«
Sie waren da.
Und sie waren es nicht.
Als das verschwommene Bild auf dem Schirm scharf wurde, zeigte sich, dass sie sich in den mittleren Schichten einer Gasriesen-Atmosphäre befanden. Die Velpin hatte doch einige Drehungen bei hoher Geschwindigkeit hinter sich, und die K. o.-Schläge waren noch derber ausgefallen als zuvor. Sie hatten zwei Tage gebraucht, um an ihr Ziel zu kommen.
Dies sei, so versicherte ihnen ihr Expeditionscaptain, Rovruetz, Direaliete, ein Wetterbezirk und eine Gasregion des systemeigenen Gasriesen Nhouaste.
Der Aumapile von Aumapile war entzückt. Genauso hatte er es sich vorgestellt! Er hüpfte förmlich aus der Gasschleuse der Velpin in die riesige Schattenlandschaft aus turmhohen WurzelWolken und bis zum Horizont reichenden StrahlenBaldachinen. Er rotierte vor lauter Glück wie eine Zentrifuge. Sie verbrachten, ohne in irgendeiner Weise von eingeborenen Dwellern belästigt zu werden, einen weiteren Tag damit, die angeblichen Schufter-Reste zu untersuchen, die bemerkenswert viel Ähnlichkeit mit einer verlassenen Dweller-Kugelstadt auf einer unendlich langen beschädigten und nicht mehr benützten BandTurbine hatten. Alles sehr eindrucksvoll, aber nicht, wie Fassin und Y’sul bald erkannten, das, wonach sie wirklich suchten.
– Das ist nicht Rovruetz, Direaliete, nicht wahr?, fragte Fassin den Vollzwilling kurz nach ihrer Ankunft, während der Aumapile von Aumapile wie ein Wilder durch die Ruinen stürmte, Instrumente kalibrierte und alles auf Filmen festhielt.
– Bist du wahnsinnig? Natürlich nicht.
– Direaliete befindet sich auf der anderen Seite der Galaxis.
– Würde Tage dauern, um dorthin zu kommen.
– Ein System?, fragte Fassin.
– Ein System.
– Es ist bei mir nicht verzeichnet, bemerkte Fassin.
– Natürlich nicht. Direaliete ist der Name in der Altsprache.
– Jedenfalls einer Variante davon.
– Also, sendete Fassin, – ist das hier nur ein Trick.
– Richtig.
– Unser Freund hat, was er wollte, und wir haben, was wir wollten. Zwei von zwei. Einer unserer erfolgreicheren Einsätze.
– Aber, sendete Fassin, – wir vergeuden Zeit.
– Die Zeit vergeudet sich selbst.
– Wie kämen wir dazu, ihr in den Weg zu schweben?
Nachdem Quercer & Janath sich erst erboten hatten, den atemlosen Sceuri-Forscher zurückzulassen und wieder abzuholen – aber so leichtgläubig war er nun auch wieder nicht – und ihm dann erklärten, sie müssten nun wirklich wieder zurück – während er meinte, es gäbe noch viel zu viel, wonach er suchen müsste – setzten sie den Sceuri einfach aus. Sie warteten, bis der Aumapile von Aumapile in das Zentrum der verlassenen Stadt geschwirrt war, und beteuerten Fassin, er hätte endlich Vernunft angenommen und würde gleich wiederkommen, um mit ihnen die Rückreise anzutreten. Dann schnallten sie den Menschen und Y’sul an, schlossen die Außentüren, warnten die Fahrgäste, dass ihnen einige ziemlich heftige Spiralen bevorstünden, und starteten.
– Was zur Hölle?, signalisierte Fassin an Y’sul, bevor die Systeme des Gasschiffs abgeschaltet wurden. – Was ist mit dem Sceuri?
Der Dweller war eingeweiht gewesen.
– Ein guter Witz, wie?, sendete er lachend zurück.
Fassin schickte Signale zum Bildschirm und erreichte Quercer & Janath im Kommandoraum.
– Habt ihr den Aumapile gewarnt, dass ihr starten wolltet?
– Ja.
Fassin wartete eine Weile. Es kam nichts mehr. Er sendete: Und?
– Er hat uns nicht geglaubt.
– Hat nur gelacht.
– Ihr setzt also diesen sagenhaft reichen, prominenten, dweller-verrückten Idioten in einem Gasriesen seines Heimatsystems einfach aus?
– So könnte man es sehen.
– Aber er kann nicht sagen, wir hätten ihn nicht gewarnt.
– Reisebedingungen.
– Und wenn man nun Jagd auf ihn macht oder er aus einem anderen Grund stirbt?, fragte Fassin. – Oder irgendwann nach Hause kommt und sehr verärgert ist?
– Wäre natürlich möglich.
– Und weiter?
– Wird er, wenn er nach Hause kommt, nicht einen tiefen Groll auf alle Dweller hegen? Und könnte das für die Dweller, die in Nhouaste leben, nicht von Nachteil sein?
– Argument.
– Könnte zu Reibereien führen.
– Kudos-Verlust!
– Vielleicht hätten wir jemanden informieren sollen, dass wir vorhatten, diesen Plumpsack mit den Sauglöchern zurückzulassen.
– Mal überlegen. vorschlag. ich hab’s! Wir senden ein Signal.
– Zufrieden ?
Fassin bekam keine Zeit für eine Antwort.
– Genug geredet. Jetzt wird abgeschaltet. Leiten Spiralen ein.
Der Archimandrit Lusiferus inspizierte seine Truppen. Die nächsten Einheiten befanden sich gleich an Ort und Stelle, in den gewölbten, konzentrischen Rümpfen der Hauptkampfeinheit Lusiferus VII: seine Kerntruppen für den Einsatz im Weltall und am Boden. Die Soldaten hatten neben ihren schnittigen, für alle Bedingungen geeigneten Angriffsschiffen und ihren Hochleistungswaffen Aufstellung genommen. Die Kriegs-und Hilfsschiffe, Truppentransporter, Landefahrzeuge, Monitore, Senkrechtstarterdrohnen, Raketenträger, Kundschafter-und Überwachungsschiffe sowie verschiedenes schweres Gerät, die er außerdem sehen konnte – sie erstreckten sich so weit in die Ferne, wie das Auge ohne Hilfsmittel reichte –, waren nur Projektionen. Aber es waren Live-Projektionen in Echtzeit, und die Originale befanden sich überwiegend im Umkreis von nur wenigen Lichtsekunden vom Kern der Invasionsflotte, deren innerstes Stahlherz die Hauptkampfeinheit Lusiferus VII war.
Dies war eigentlich der Moment, den der Archimandrit am meisten genoss. Inzwischen war es einfach deshalb Tradition, vor jeder größeren Schlacht und besonders vor jeder Eroberung eines Systems eine solche Truppeninspektion abzuhalten, weil das ein so starkes und so befriedigendes Erlebnis war. Nicht einmal der Triumph nach einem Sieg – das Gefühl, den Gegner zermalmt und jeden Widerstand gebrochen zu haben – konnte diesen Moment übertreffen. Gleich würden sich alle diese Streitkräfte in das unvermeidliche Chaos, das Gewimmel einer Schlacht werfen, um dort zusammengeschossen, verwundet und getötet zu werden, sich zu beschmutzen, ziellos umherzuirren und so weiter. Doch jetzt standen oder saßen, lagen oder schwebten sie noch in perfekter Formation vor ihm, blitzblank, dicht gedrängt, angetreten zu exakt ausgerichteten, in Reih und Glied aufgestellten, symmetrisch und systematisch geordneten Einheiten, strotzend vor Energie und Zuversicht, eine tödliche Bedrohung.