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Er stand mit wild pochendem Herzen und weit aufgerissenen Augen auf dem Inspektionsbalkon an einem Ende der langen, gekrümmten Reihe von Sälen, die sich in mehreren Schichten übereinander durch den Außenrumpf des Schiffes zogen, und holte mehrmals tief Atem. Bei Gott oder der ›Wahrheit‹, was für ein herrlicher Anblick. Auf seine Weise sogar noch intensiver, noch befriedigender als Sex.

Sie schwebten jetzt antriebslos dahin, die Bremsphase war fast abgeschlossen, nur einen letzten Schub galt es noch zu überstehen, ein paar Tage, in denen man sich unangenehm schwer fühlte. In einer Woche hätten sie das System erreicht und könnten endlich zum Angriff übergehen. Bisher waren sie kaum auf Widerstand gestoßen, zum Teil deshalb, weil sie einen sehr hohen, steilen Kurs geflogen waren. Wenn jemand Minenwolken und Drohnenschwärme ausgesetzt hätte, um sie aufzuhalten, dann sicher auf den direkteren Anflugschneisen. Auf dieser längeren aber sichereren Route waren sie bisher davon verschont geblieben. Die einzige Gefahr hatte bei der Kurskorrektur auf halbem Wege vor einigen subjektiven Jahren bestanden. Damals wären die Antriebe der Flotte auf jedem Weltallüberwachungssystem in Ulubis zu sehen gewesen, das in ihre Richtung zeigte. das Risiko war gering gewesen, und soweit man das feststellen konnte, waren sie unentdeckt geblieben. Zumindest hatte Ulubis keine Flotte ausgeschickt, um die Angreifer zurückzuschlagen, sondern wollte lieber abwarten, um auf der eigenen Schwelle zu kämpfen. Lusiferus’ Taktiker schlossen daraus, dass Ulubis vorbereitet, aber schwach war. Man mochte einigen Sonden und eventuell Schiffen der Zerstörerklasse begegnen, aber das wäre wahrscheinlich alles, bis man die mittleren und inneren Systemregionen erreichte. Seine Admiräle waren überzeugt, dass ihre Laserschiffe und ihre Nahkampfverteidigung mit allem fertig werden konnten, was an Hindernissen zu erwarten wäre.

Lusiferus registrierte Geräusche hinter sich. Dort durften einige seiner höheren Befehlshaber stehen, und hinter ihnen hatte sich seine Leibgarde postiert. Er hörte Getuschel und ängstliches oder gereiztes Zischen. Sein Körper versteifte sich abwehrend. Gerade jetzt wollte er nicht gestört werden, es sei denn, der Untergang seiner ganzen Flotte stünde unmittelbar bevor. Das müssten die Leute doch wissen. Schon kehrte wieder Ruhe ein.

Er entspannte sich und richtete sich noch weiter auf. Die Rotation erzeugte eine Schwerkraft von drei Viertel Ge. Wieder holte er tief Luft und blickte auf seine Männer und ihre Ausrüstung hinab. welch ein erhebender Anblick! Die verkörperte Unbesiegbarkeit, ein erregendes Spektakel kompromissloser, handfester Macht. Und all das gehörte ihm, war eins mit ihm.

Der Untergang seiner gesamten Flotte … Er malte sich aus, wie es wäre, wenn jetzt, in diesem Augenblick eine Hyperwaffe aus uralter Zeit mit einer gewaltigen Explosion die ganze Invasionsstreitmacht auslöschte, ohne dass irgendjemand etwas dagegen tun könnte. unsinn – nun ja, zumindest war die Wahrscheinlichkeit verschwindend gering –, aber was für ein Schauspiel! Vor seinen Augen würde ein Schiff nach dem anderen erlöschen, verschwinden, in Flammen aufgehen oder zur grellen Lichtfackel werden. zerstörung, so weit das Auge reichte.

Er erschauerte, halb vor Entsetzen, halb vor Entzücken. Natürlich würde es niemals dazu kommen, aber schon die Vorstellung war ungemein erregend. Und natürlich war sie auch eine Warnung. Nicht von einem Gott oder einem Programm, die nach den Lehren der ›Wahrheit‹ das Universum beherrschten, sondern von einer unmittelbareren, zuverlässigeren Instanz: seinem eigenen Innern. Sein Unterbewusstsein oder ein wachsamer Teil seiner Persönlichkeit spielte die Rolle des Narren, der im Triumphzug stets an Caesars Seite ging und ihn daran erinnerte, dass alles eitel war. Etwas dergleichen. Diese Zerstörungsphantasien waren eine Mahnung seines eigenen Ichs, nichts für selbstverständlich zu halten, sich zu konzentrieren, alles im Griff zu behalten, den kommenden Krieg mit gewohnter Skrupellosigkeit anzugehen und innere Stimmen zu ignorieren, die zur Mäßigung oder zu ungerechtfertigter Gnade rieten. Jemand hatte einmal gesagt, Grausamkeit wie Gnade sollten niemals der eigenen Eitelkeit schmeicheln, sondern stets Mittel zum Zweck sein. Das würde er nie vergessen.

Ein letzter tiefer Atemzug. Er war bereit. Für alles gewappnet. Dennoch, die Hochstimmung war verflogen. die kleine Unterbrechung hatte keinen echten Schaden angerichtet. Dennoch wäre es sein gutes Recht, wütend zu werden, wenn es sich als nötig erwiese. Aber lieber erst nachsehen, worum es eigentlich gegangen war. Er machte auf dem Absatz kehrt, richtete sich zu voller Höhe auf – man suche sich seine höheren Befehlshaber immer danach aus, ob man auf sie hinabschauen konnte – und sagte laut: »Ja?«

Wie schön, wenn diese aufgeblasenen Prahlhänse erschrocken zusammenzuckten, wenn Männer, die es gewöhnt waren, dass man ihnen auf der Stelle und ohne Widerrede gehorchte, sich auch nur kaum merklich vor ihm duckten.

Tuhluer, der Adjutant, der ihm noch am wenigsten auf die Nerven ging, in letzter Zeit sogar so etwas wie sein Favorit, trat lächelnd vor und runzelte zugleich die Stirn. »Ich bedauere die Störung vorhin.« Dabei hob er die Augenbrauen ein wenig an, als wollte er sagen: Nicht meine Schuld – Sie kennen die Typen ja selbst. »Eben kam ein Alarm von der Kommandozentrale: Hochgeschwindigkeitsschiff direkt von Ulubis im Anflug, laut Signal unbewaffnet, keine Sprengköpfe, ein bis zwei menschliche Insassen, die ein Gespräch suchen. Bremst bereits ab und wird in zehn Stunden auf gleicher Geschwindigkeit mit uns sein. Bei derzeitigem Kurs müsste es linksseits hundert Kilometer neben dem Flottenzentrum anlegen.«

Der Archimandrit funkelte die anderen über Tuhluers Kopf hinweg an. »Und das erforderte mein Eingreifen?«

»Ein Leitstandproblem«, sagte Tuhluer sanft mit einem kleinen Lächeln. »Das Schiff passierte zu diesem Zeitpunkt die vordersten Schiffe der ersten Zerstörerfront und war im Begriff, sich aus der Reichweite der Strahlenwaffen zu entfernen. Die Frage war, ob man schießen sollte oder nicht. Hat sich erledigt. Es kommt in einer halben Stunde in Reichweite der zweiten Verteidigungsfront. Natürlich kann man auch Raketen einsetzen. Eine Trägerdrohne hat bereits die Verfolgung aufgenommen.«

Der Archimandrit Lusiferus stutzte einen Moment, dann lächelte er. Alle atmeten erleichtert auf. »Nun ja«, sagte er. »Dann läuft doch alles nach Wunsch. Es gab also keinen Grund, mich zu stören?«

»Wahrhaftig nicht«, versicherte sein Adjutant und nickte reumütig.

»Und welchen Rang haben die Menschen, falls dieses Ding wirklich Menschen enthält?«

»Laut Meldung ist ein Mann an Bord, ein hochrangiger Industrieller mit Namen Saluus Kehar.«

Wieder die Benommenheit, diese Müdigkeit, das Gefühl, schmutzig zu sein, sich kratzen zu müssen. Fassin war sicher, dass er nach jeder Schlafphase länger brauchte, um wieder zu sich zu kommen, und dass die Trägheit, die dumpfe Verwirrung jedes Mal stärker wurden. Mehr als vierzig Tage hatte die Reise an einen Punkt auf der anderen Seite der Galaxis gedauert, der volle neunzigtausend Lichtjahre von Ulubis entfernt war, wobei die Zahlen nicht viel bedeuteten. Die Zeit innerhalb des Wurmlochs wäre dennoch nicht der Rede wert gewesen. Die Tage und Wochen hatte der Flug vom Portal zu dem Schiff in den Tiefen des interstellaren Raums verschlungen, nach dem sie suchten.

Etliche Tage. Eine weite Strecke. Noch mehr Zeit verloren, noch weiter entfernt von dem, wonach er suchte, während zu Hause in Ulubis die Dinge ohne ihn ihren Lauf nahmen.

Er testete den defekten linken Manipulatorarm des Pfeilsschiffs, winkelte ihn an und streckte ihn wieder. Dann zwang er sich, auf den Bildschirm an der Wand zu schauen. Die Sterne drehten wie eh und je ihre Kreise und bildeten dann den Hintergrund für ein großes, schwarzes Schiff mit unregelmäßiger Oberfläche, eine riesige Ringröhre von zweihundert Kilometern Durchmesser mit pechschwarzen, glänzenden Rippen und vielen Facetten, die im matten Licht einer fernen Sonne glänzte wie eine primitive Krone aus feuchter Kohle. Das war das Nekro-Cineropol-Schiff Rovruetz, ein Totenträger, und es gehörte zur weit verstreuten Großen Exitus-Flotte der Ythyn.