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Y’sul betrachtete das Bild auf dem Schirm von der anderen Seite des Raumes und schüttelte seine Flossensäume. »Jetzt müssen wir uns auch noch unter die Morbs mischen«, sagte er. Es klang verschlafen, mürrisch und resigniert zugleich. »Na großartig.«

Und was ist aus den Schuftern geworden, fragte Fassin. Ich dachte, Leisicrofe wollte als Nächstes die Schufter erforschen.

Sie haben offenbar umsonst geschuftet, sendete Y’sul.

Eine falsche Spur.

– Ein Bluff.

Die Velpin hing über einem ganzen Friedhof von Schiffen, die um den Totenträger herumlagen. y’sul und Fassin waren allein auf dem Weg zu dem Riesenschiff. Die Ythyn hatten ihnen vorgeschlagen, mit der Velpin in die Rovruetz hineinzufahren, aber das hatten Quercer & Janath in ihrem glänzenden Overall mit einem durchaus überzeugenden Schauer des Entsetzens abgelehnt. Fassin kam es so vor, als seien ihnen das Nekro-Schiff und seine Kollektion von uralten, zerfallenden Wracks so unheimlich, dass sie sich möglichst davon fern halten wollten.

Die Ythyn waren Sammler, und sie hatten eine Spezialität: Sie sammelten Tote. Sie stellten nichts weiter mit ihnen an, sondern sortierten sie nur grob nach Art, Typ und Größe und lagerten sie dann ein. Im Allgemeinen sammelten sie nur Leichen  – und manchmal auch die Schiffe und anderen Transportmittel, auf denen sie sich befanden – die sonst niemand haben wollte. Dennoch war die ganze Tätigkeit hoffnungslos morbide, und deshalb bezeichnete man die Ythyn zusammen mit anderen todessüchtigen Spezies nur als die Morbs.

Fassin und Y’sul wurden in der sanft erleuchteten, höhlenartigen Eingangshalle von einem Ythyn-Offizier empfangen, – einem imposanten dunklen Vogelwesen, mehr als drei Meter groß, in einem engen, glänzenden, fast durchsichtigen Gelanzug. Die Haut darunter erinnerte an dunkelblaues Pergament. Die fest zusammengebundenen Doppelschwingen, die ausgebreitet eine Spannweite von zwölf Metern gehabt hätten, ließen erkennen, dass der Ythyn noch jung war. Er stand auf drei ungleichen Beinen: eine dicke Gliedmaße hinten, zwei dünnere vorne. Der breite Lippenschnabel unter dem Gelanzug war mit glitzernden Intarsien aus Edelmetall verziert. Die beiden Augen glichen riesigen schwarzen Tellern. von den vergitterten Nüstern führten dünne, geschwungene Röhren zu kleinen runden Tanks aus fleckigem Silber, die ihm wie Eier auf dem Rücken hingen. Auf Ythyn-Schiffen gab es keine Atmosphäreschleusen; die Besatzung verbrachte mit ihren toten Schützlingen die ganze Zeit im harten Vakuum. Nur diesem lautlosen Nichts ausgesetzt und deshalb immer auf wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt, konnten die Leichname in dem großen Schiff eine Ewigkeit lang ungestört lagern, ohne zu verwesen. Die einzigen Verfallserscheinungen waren bedingt durch die Todesursache und die Nebenwirkungen des schnellen oder langsamen Gefrierprozesses.

Ich heiße Sie willkommen, erklärte der Ythyn-Offizier mit einem flachen Signal ohne jede Betonung, nur eingeleitet von formelhaften Zeichen für Traurigkeit und Ehrfurcht. – Sie sind Mr. taak, und Sie sind Mr. y’sul, richtig?

– Richtig, sendete Fassin.

Mein Name ist Neunter Lapidarius, ich bin der diensthabende Rezeptionär. Aber auch die Anreden ›Neunter‹ oder ›Diensthabender‹ sind ehrenvoll und werden gern akzeptiert. Haben Sie, meine Herren, schon verfügt, wie Ihr Körper nach Ihrem Ableben behandelt oder entsorgt werden soll?

Infolge eines grausigen Techno-Fluches, der Rache einer Spezies, von der sie nach einem harten Kampf vernichtend geschlagen worden waren, mussten die Ythyn schon seit einer Milliarde Jahren die Toten einsammeln. Sie hatten durch jene Niederlage ihr kleines Reich, ihre Hand voll Planeten, ihre großen Habitate und die meisten ihrer Schiffe verloren. Sogar ihre Identität hatte man ihnen genommen und sie in ein genetisches Manipulationsprogramm gezwungen, das sie aus Geschöpfen mit ausgewogenem Intellekt zu todesbesessenen Kreaturen machte.

Die Sieger hatten mit teuflischer Gerissenheit eine verborgene Schwäche ihrer Opfer entdeckt und ausgenützt. Die Ythyn hatten sich von jeher etwas zu sehr für das Phänomen der Sterblichkeit interessiert, jedenfalls mehr, als es bei ähnlichen Spezies üblich war. Die Faszination ging allerdings nicht so weit, dass man von einer ernsthaften Perversion hätte sprechen können, und erst recht nicht so weit, dass sie davon definiert worden wären. wären sie bei dem Prozess, der sie so überaus morbide machte, psychisch bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden, dann wäre die Strafe unangemessen plump ausgefallen. Stattdessen wurden sie durch eine subtile, aber signifikante Veränderung der eigenen Körpersignale zu dem, wozu sie vielleicht ohnehin geworden wären, wenn ähnlich bizarre Veränderungen in ihrer Umwelt und ihrer Lebensweise es so gefügt hätten. wer sich weigerte, sich der Erbgutmanipulation zu unterziehen und sich nicht das Leben nahm, wurde entweder getötet oder gefangen genommen und zu der Behandlung gezwungen. Die meisten dieser Opfer begingen hinterher Selbstmord.

Die Überlebenden wurden zu Wanderern, zu einer jener Dutzenden von Spezies, die sich auf Planeten entwickelt hatten, aber nun keine Heimatwelt mehr haben durften – oder, in ganz wenigen Fällen, haben wollten. Sie bauten massive kalte und dunkle Schiffe und häuften riesige Bibliotheken und Datenbanken zum Thema Tod an. Die Schauplätze großer Schlachten, grausiger Blutbäder oder schrecklicher Katastrophen übten eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf sie aus. Mit der Zeit begannen sie, an diesen Orten die namenlosen Leichen einzusammeln und mehr oder weniger so, wie sie sie gefunden hatten, in ihren großen, luftleeren Schiffen einzulagern. Jedes Schiff schleppte seine Totenfracht von einem Ende der Galaxis zum anderen oder drehte langsame Spiralen am Rand entlang. Die Nekro-Schiffe waren für Wurmlochreisen zu groß und wagten sich nicht einmal allzu nahe an einen Stern heran, deshalb brauchten die Ythyn kleinere Schiffe, um die Toten zu ernten. Doch auch diese benützten die Wurmlöcher in diesen Tagen nur noch selten. Die Propylaea, die alle Portale der Merkatoria verwaltete, war keine Wohlfahrtsorganisation und verlangte Geld für jede Passage. und die Ythyn waren nicht reich.

Sie nahmen die Schiffe, mit denen man die Toten zu ihnen brachte – oder deren Insassen zum Sterben zu ihnen kamen –, aber das waren gewöhnlich nur noch leere Rümpfe, Wracks oder schrottreife Kähne, außerdem waren sie den Ythyn ebenso heilig wie die Toten selbst. Gelegentlich gab es Spenden und Legate von verschiedenen Vereinigungen, aber nur vereinzelt und in großen Abständen. Wenn es am anderen Ende eines Wurmlochs Tote zu bergen gab und die Ythyn sich die Ausgabe leisten konnten, mieteten sie mit ihren spärlichen Reserven ein Nadelschiff. aber gewöhnlich suchten sie die Stellen in der Galaxis, an denen es sporadisch zu Massentodesfällen kam, persönlich auf.

Die letzten Leichen der inzwischen ausgestorbenen Spezies, die ihnen einst ihre Strafe auferlegt hatte, waren längst eingesammelt. Nun hätten sie ohne große Mühe und ohne auf Widerstand zu stoßen die Erbgutveränderung rückgängig machen und den ursprünglichen Zustand wiederherstellen können. Dass sie darauf verzichtet hatten, war entweder ihre größte Tragik, oder ein Zeichen dafür, dass sie in der galaktischen Gemeinschaft einen Platz gefunden hatten, der ihnen besser entsprach als jeder andere.