Выбрать главу

Wenn Sie nicht kooperieren, sagte die Stimme, – wird der Schmerz stärker werden.

Er würgte, wollte mit dem Mund sprechen, schaffte es nicht.

Verdammte Scheiße, was sollte das?, sendete er endlich. – Was habe ich …? Also gut, ich bin Saluus Kehar. Wo bin ich?

– Sie sind Industrieller?

– Ja. Ich bin der Besitzer von Kehar Heavy Industries. Wo liegt das Problem? Wo bin ich?

– Woran erinnern Sie sich als Letztes, bevor Sie aufwachten?

Was? Seine letzte Erinnerung? Er überlegte. Woran hatte er eben noch gedacht? Liss. Sie waren auf der Jacht gewesen, auf Schiff 8770, und er hatte sich schläfrig gefühlt. Was war wohl aus Liss geworden? Wo mochte sie sein? War sie hier, wo immer ›hier‹ war? War sie tot? Sollte er sie erwähnen oder besser nicht?

Antworten Sie.

– Ich war am Einschlafen.

– Wo?

– Auf einer Jacht. Einem Raumschiff mit Namen Schiff 8770.

Und wo war das?

– Im Orbit um Nasq. Hören Sie, könnten Sie mir nicht verraten, wo ich bin? Ich bin durchaus kooperationsbereit, ich werde Ihnen alles sagen, was Sie wissen wollen, aber ich brauche einen gewissen Kontext. Ich muss zumindest wissen, wo ich bin.

– Waren Sie mit jemandem zusammen?

– Eine Freundin war bei mir, eine Kollegin.

– Name?

– Sie heißt Liss Alentiore. Ist sie auch hier? Wo ist sie? Und wo bin ich?

– Wie steht sie zu Ihnen?

– Sie? Sie ist meine Assistentin, meine Privatsekretärin.

Stille. Nach einer Weile sendete er: — Hallo?

Stille.

Etwas klickte, dann wich die Dunkelheit, es wurde hell. Saluus kehrte in eine reale Welt zurück, in einen realen Körper. Die Decke über ihm glänzte wie Silber und war von Hunderten von Leuchtstreifen durchzogen. An Licht fehlte es jedenfalls nicht.

Er lag in einem Bett, bei etwa einem halben Ge oder weniger, gehalten von … er konnte sich nicht bewegen. Vielleicht wurde er gar nicht physisch niedergedrückt, aber Arme oder Beine waren immer noch wie gelähmt. Jemand in der Kleidung eines Arztes oder einer Krankenschwester hatte ihm soeben einen Helm vom Kopf genommen. Saluus zwinkerte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Im Gesicht und im Hals registrierte er eine gewisse Beweglichkeit, aber das war auch alles. Den restlichen Körper glaubte er immerhin zu spüren, sicher war er allerdings nicht. Vielleicht war er doch nur noch ein Kopf?

Ein großer, dünner Mann, eine unheimliche Gestalt mit rot glühenden Augen schaute auf ihn herab. Gekleidet, als wollte er in einer Oper auftreten. Nun lächelte er, aber er hatte keine Zähne. Oh doch, er hatte Zähne; sie waren nur völlig durchsichtig, aus Glas oder einem noch transparenteren Material.

Saluus holte ein paarmal tief Atem. Es tat gut, wieder normal atmen zu können. Aber die schreckliche Angst war immer noch da. Er räusperte sich. »Kann mir jemand sagen, was hier vorgeht?«

Auf einer Seite bewegte sich etwas. Er konnte den Kopf drehen  – sein Hals streifte gegen einen Kragen – da stand ein zweites Bett. Gerade schwang Liss ihre langen Beine über die Kante, jemand half ihr beim Aufstehen. Sie sah ihn an und bewegte Hals und Schultern. Das schwarze Haar hing ihr offen ins Gesicht. Sie trug einen dünnen Schutzanzug. Als sie zu Bett gegangen waren, war sie nackt gewesen.

»Hallo, Sal«, sagte sie. »Willkommen bei der Invasionsflotte der Hungerleider.«

Sie trat an sein Bett. Der unheimliche Typ mit den entzündeten Augen drehte sich um, streckte die behandschuhte, mit vielen Ringen geschmückte Hand aus und stützte sie. »Mir scheint, Sie haben uns tatsächlich eine wertvolle Lieferung gebracht, junge Frau«, sagte er. Auch die Stimme klang unheimlich; tief und zugleich rau wie Schmirgelpapier. Der Akzent war sehr stark. »Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet.«

Liss lächelte schmal, richtete sich auf, lockerte das Haar mit den Fingern und warf es zurück. »Es war mir ein Vergnügen.«

Saluus spürte, wie ihm die Kinnlade herunterfiel. Er machte den Mund zu und schluckte. »Liss?«, hörte er sich sagen. Es war die ängstliche Stimme eines kleinen Jungen.

Sie sah ihn an. »Es tut mir Leid«, sagte sie. Dann zuckte sie die Achseln. »Jedenfalls ein bisschen.«

»Und diese Gammastrahlen-Laser reichen wirklich weit hinauf! Sieh doch nur!«

»Trotzdem sind es nur Strahlenwaffen. Der Magnet-Konvolver ist auf seine Art viel beeindruckender.«

Fassin hörte nur mit halbem Ohr zu. Quercer & Janath erkundeten die Sensoren, die Instrumente und die Steuerung des Voehn-Schiffs. Eben hatten sie die Waffen entdeckt.

»Defensiv! Von wegen! Sieh dir das an: Z-P Scherwellen-Raketen! Volle AM. Verdammt, das haut mich um!«

»Lass gut sein, sieh dir lieber den Chaospanzer an. Die Verformung geht nicht mehr als einen Zentimeter über den Rumpf hinaus, aber was für ein Wirkungsgrad; absorptionsfähig bis auf eine Entfernung von mindestens zehn Kilometern. Sogar mit Energierückführung in die Hauptimpulsbatterien. Das hat Klasse.«

Sie waren im Kommandoraum, einer lang gezogenen Blase im Zentrum des Voehn-Schiffs. Die zehn Flossersitze waren V-förmig angeordnet. Quercer & Janath saßen vorne im Sessel des Commanders vor einem Bildschirm, der die ganze Wand bedeckte. Der Schirm zeigte den umliegenden Weltraum. Genau im Zentrum befand sich die steuerlos treibende, sehr langsam rotierende Velpin. Fassin und Y’sul schwebten in der Sitzreihe hinter dem Expeditionscaptain. Die Sitze waren für Fassin zu klein und für Y’sul und Quercer & Janath viel zu klein. Sie ließen sich nach beiden Seiten öffnen wie sich spreizende Finger und sollten den innen sitzenden Voehn wie eine schützende Hand umschließen. Ein Dweller passte mit Mühe hinein, wenn die Finger voll ausgefahren waren. Der ganze Kommandoraum war von drangvoller Enge, aber Quercer & Janath schien das nicht zu stören. Fassin empfand die Sitze eher wie Käfige. Er schwebte wie im Brustkorb eines riesigen Dinosaurierskeletts.

»Können wir auf irgendetwas schießen?«

Y’sul reparierte die Schäden an seinem Panzer und summte dabei vor sich hin. Mit den Hauptnabenarmen schliff er Teile der Scheibenkanten ab, drückte sie aneinander und glättete die Fuge mit einer improvisierten Feile.

»Man könnte natürlich die Velpin abschießen.«

»Die ist voller Leute!«

Er hatte geglaubt, er könnte etwas finden. Er hatte gehofft, es gäbe vielleicht noch etwas zu finden.

»Sie ist voll mit Voehn-Soldaten.«

»Und seit wann gelten die nicht als Leute? Außerdem ist es unser altes Schiff.«

Etwas anderes als einen feigen Dweller, der sich so sehr schämte, weil er schwach geworden war und in den Behälter geschaut hatte – und der die Folgen seiner Tat so sehr fürchtete  – dass er sich das Leben nahm; der aber eitel genug war, eine Botschaft aufzuzeichnen, in der er seinen schwachsinnigen Narzissmus noch verewigte.

Draußen drehte sich die Velpin langsam um sich selbst und schlug Purzelbäume. Ihr Expeditionscaptain – Dweller, KI, was auch immer – hatte die meisten Soldaten der Voehn-Besatzung dazu bewegen können, ihr eigenes Schiff zu verlassen, indem er einfach die Selbstzerstörungsautomatik der Protreptik neu startete und bis zum allerletzten Moment laufen ließ. Die meisten Voehn glaubten, ihr Schiff sei im Begriff, sich selbst in die Luft zu sprengen, und waren auf die Velpin umgesiedelt. Alle noch verbliebenen hatten Quercer & Janath getötet.