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»Und ein Haufen …«, begann eine andere Stimme. Dann brach die Verbindung knisternd zusammen.

Zwei Schiffe in der Linie flammten grell auf und verschwanden: eines am anderen Ende, vielleicht auch zwei, und …

Die nächste Explosion überlud alle Sinne, als wäre sie unmittelbar neben ihr erfolgt. Das Schiff des Geschwaderführers. Obwohl hunderte von Kilometern entfernt, erhellte es den ganzen Himmel. Grell weißen Feuerblüten gleich raste ein Schwarm von lautlosen Explosionen in und um den ersten Ausbruch nach außen. Ein massiver Treffer am anderen, oberen Ende der Linie. Ringsum verrieten kleinere, weiter entfernte, aber nicht weniger heftige Lichtblitze, dass auch andere Geschwader aufgerieben wurden.

»Wenn wir hier hocken bleiben, gehen wir vor die Hunde«, sagte Dicogra so ruhig wie möglich. Eigentlich sprach sie nur zu ihrer eigenen Besatzung; alle Verbindungen zum Rest des Geschwaders und darüber hinaus waren gestört oder abgerissen. »Nutche, was sagt die Fernaufklärung?«, fragte sie. Sie konnte nichts sehen, aber ihre Displays waren ein klein wenig abstrakter und ihre Daten etwas besser aufbereitet als auf den Schirmen des Jajuejein. vielleicht verbarg sich dort die Andeutung eines Ziels, das sie nicht erkennen konnte.

»Nichts«, sagte Nutche. »Das Kollisionslicht versperrt die Sicht wie eine Wand.«

Wieder explodierte fünfhundert Kilometer entfernt ein Schiff, seine Materie zerstrahlte. Dicogra versuchte vergeblich, Kontakt zu anderen Schiffen aufzunehmen.

»Wir zünden die Triebwerke«, verkündete sie. »Warum sollen wir untätig herumsitzen wie die Zivilisten, wenn wir die Dreckskerle auch angreifen und wie Helden sterben können.«

»Madame!«, rief Mahil entsetzt. »Wir sollen die Stellung halten!« Sie hatte damit gerechnet, dass der Whule über die Befehlsverweigerung schockiert sein würde.

»Machen Sie Ihre Geschütze bereit, Mr. Mahil. Wir suchen Ihnen etwas, worauf Sie schießen können.«

»Ich protestiere. aber die Geschütze sind bereit.«

»Dann los.« Dicogra jagte das Haupttriebwerk hoch. Das Schiff machte einen Satz nach vorne, der Abgasstrahl leuchtete auf, sie rasten auf die Lichtmauer zu.

Traubengroße Elemente einer Sensorgruppe, die zusammen mit der hyperschnellen Munition vorüberraste, fingen die Triebwerkssignatur sofort auf und piepsten einen nachfolgenden Kamikaze-Raketenwerfer an. Der Einschüsser zerstörte sich selbst und jagte dabei einen Fächer aus harten Röntgenstrahlen auf das Zielobjekt zu.

Die NMS 3304 wurde unglücklich getroffen. Zwar wurde sie nur von drei etwa fingerdicken Strahlen durchbohrt, das aber so lange, dass sich die Geschwindigkeitsvektoren des Schiffes und die der kurzlebigen Strahlen addierten und die Löcher sich durch die Bewegung um einige Radien vergrößerten. Die Antimaterie im Triebwerkskern explodierte in einem Strahlensturm, das Schiff wurde in Stücke gerissen, die Trümmer wurden nach vorne in das Funkenband geschleudert. von hinten prallte eine langsamere Schuttwelle auf die Wand aus Kollisionslicht und ließ sie für einen Moment noch heller erstrahlen.

Dicogra spürte nur das aufkeimende Entsetzen, zum Denken blieb ihr keine Zeit mehr.

Nutche, der Jajuejein, konnte noch die erste Silbe des ›Gesangs der Kapitulation‹ vor dem Tod anstimmen.

Der Whule Mahil setzte zu einem Schrei an, um seine Angst und die Wut über seinen Captain zum Ausdruck zu bringen. Dann starben alle drei, nur wenige Minuten bevor auch die letzten noch lebenden Soldaten in ihrem Geschwader das Zeitliche segneten.

Jaal Tonderon verfolgte den Beginn des Krieges auf einem der staatlichen Nachrichtensender. Sie hatte sich mit ihren nächsten Angehörigen auf eine Hütte in den Elcuathuyne-Bergen tief im Süden von ’glantines Rumpfkontinent zurückgezogen. Der Rest des Sept Tonderon – mit Ausnahme derjenigen, die unmittelbar in den Krieg verwickelt waren – hatte sich in und um die Stadt Oburine verstreut, einen bescheidenen Ferienort auf dem Schwemmboden des tiefen Tals unterhalb des Hauses.

»Sind auch wirklich alle versorgt?«, fragte Jaals Mutter. Vielstimmiges Gemurmel versicherte ihr, dass niemand mehr Hunger oder Durst litt. Man begnügte sich hier mit einem Minimum an Dienerschaft, so dass jeder gewisse Arbeiten für sich und andere erledigen musste. Alle waren ganz ernsthaft der Meinung, dass dieses gemeinsame Zupacken in kameradschaftlicher Atmosphäre eine gute Übung sei, aber sicher bald lästig werden würde.

»Mama, nun setz dich doch bitte hin«, mahnte Jaal. jaals Mutter gehorchte. Überschlank, wie sie war – Schlankheit war nach Jahrzehnten Rubens’scher Fülle mit dem Krieg wieder in Mode gekommen –, passte sie mühelos zwischen ihren Gemahl und eine seiner Schwestern. Zehn Personen drängten sich in dem fensterlosen Kellerraum an der Rückseite der Hütte zusammen, angeblich dem sichersten Ort im ganzen Haus, falls draußen etwas passierte. wenn es im All um ’glantine zu größeren Kämpfen käme, konnten die Trümmer überall landen.

Venn Hariage, der Nachfolger des immer noch betrauerten Braam Ganscerel im Amt des Obersten Sehers, hatte verfügt, als angesehenster Sept von allen könne sich der Sept Tonderon gerade angesichts des traurigen Schicksals des Sept Bantrabal keine weiteren Verluste leisten. So hatte man auf den berechenbaren Wechsel durch die Jahreszeitenresidenzen verzichtet, das bekannte Revier aller Septe weit hinter sich gelassen und sich in die hohen Berge am Rand der Großen Südlichen Hochebene zurückgezogen. Bei einem Krieg von den Ausmaßen, wie er jetzt bevorstand, konnte man sich nirgendwo vollkommen sicher fühlen, aber hier war man doch erheblich weniger gefährdet als an den meisten anderen Orten. Noch mehr Schutz boten nur die Bunker tief unter der Erde, und die waren fast alle vom Militär, der Omnokratie und der Administrata besetzt.

Einige Individuen und Organisationen hatten auf das Weltall gesetzt und sich in kleine Habitate und besonders auf kleine Zivilschiffe geflüchtet, um sich in den Weiten des Alls im inneren System zu verstecken. Von Regierungsseite hieß es freilich, dort laufe man Gefahr, für ein Militärschiff oder eine Rakete gehalten zu werden, deshalb sei das Risiko größer, als wenn man auf einem Planeten bliebe. als warnendes Beispiel diente der Industrielle Saluus Kehar, der mit einem seiner eigenen Schiffe verschwunden war. Allerdings waren auch wirre Gerüchte im Umlauf, wonach man ihn auf eine Friedensmission zu den Invasoren geschickt habe, bei der er entweder gescheitert sei oder – sicherlich noch unwahrscheinlicher – die Seiten gewechselte habe, um zum Feind überzulaufen.

Der Holoschirm lieferte nur ein flaches zweidimensionales Bild. Offenbar wollte man mehr Signalkapazität für die militärische Kommunikation reservieren. Die ungenauen Aufnahmen von einer Kameraplattform irgendwo jenseits des Nasqueron-Orbits zeigten das All am Rand des äußeren Planetensystems. Dort stand eine gefleckte Lichtwolke, in der zahllose Glitzerpünktchen aufflammten und wieder erloschen und jeder winzige Funke sofort durch einen oder zwei andere ersetzt wurde.

»Und was sehen wir hier, Jee?«, fragte eine körperlose Stimme in sachlichem Ton.

»Dies, Fard«, kam die Antwort, langsamer, aber nicht weniger kompetent, »sieht nach einem Sperrfeuer aus. Die Verteidigungskräfte versuchen mit ihren Geschützen, die … hm … die Invasoren an Übergriffen und Grenzverletzungen zu hindern.«

»… Richtig …«

Größere, grell weiße Explosionen zuckten über den Bildschirm. Die Kamera hüpfte von einem Lichtblitz zum anderen, dann wechselte das Bild zu einem neuen Schauplatz vor den immergleichen fernen Sternen.