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Ein Leichenwirbel löste sich langsam von den auseinander driftenden Hälften des zerstörten Habitats, teilte sich und entschwebte in bizarren, zuckenden Drehungen, zwei lange, gekrümmte Kommas in einem Ballett von galaktischen Dimensionen.

Die Besatzungstruppen strahlten die Bilder im ganzen System aus.

Am folgenden Tag erklärte der Hierchon in aller Form seine Kapitulation.

Der Archimandrit Lusiferus stand im Bug der Hauptkampfeinheit Lusiferus VII und betrachtete die Aussicht. Der Planet Sepekte mit seinem riesigen, trüben, nur stellenweise glitzernden Halo von Habitaten, Orbitalfabriken und Satelliten füllte das Blickfeld. Der vordere Nasenabschnitt der Lusiferus VII, eine kreisrunde, hundert Meter breite Linse von atemberaubender Transparenz, bestand ganz und gar aus Diamantfolie, von fingerdünnen Streben gestützt. Der Archimandrit kam gern allein hierher, um einfach nur hinauszuschauen. In solchen Augenblicken spürte er die gewaltige Masse der kilometerlangen, megatonnenschweren Lusiferus VII mit ihren Labyrinthen von Docks und Tunneln, großen und kleinen Räumen, Mannschaftsquartieren, Magazinen, Geschütztürmen und Werferrohren hinter sich. Ein Jammer, dass sie vielleicht schon bald zerstört werden musste.

Seinen Strategen und Taktikern waren die Triebwerkssignaturen der nahenden Generalflotte nicht geheuer. Zu viele schwere Schiffe waren unterwegs, und die ersten könnten schon in Wochen hier eintreffen, nicht erst in Monaten – oder gar in einem Jahr –, wie sie gehofft hatten. Die Lusiferus VII war zweifellos ein großartiges Schiff, aber sie bot ein unübersehbares und wahrscheinlich nicht zu verfehlendes Ziel. Durchaus möglich, dass es strategisch sinnvoll wäre, den Riesenkahn als Köder zu benützen, die eigenen Truppen zum Schein so zu postieren, als wären sie entschlossen, die Lusiferus VII bis zum Letzten zu verteidigen, das Schiff aber in Wirklichkeit als Ballast zu behandeln, den man jederzeit abwerfen konnte. Möglichst große Teile der Merkatoria-Flotte anzulocken und dann alles zu zerstören, einschließlich, so sehr er das bedauerte, der Lusiferus VII selbst.

Dem Admiral, der von der Hackordnung oder durch irgendein Auswahlverfahren dazu verdonnert worden war, dem Archimandriten diesen Vorschlag zu unterbreiten, war sichtlich mulmig gewesen, als er den Plan erläutert hatte. Er hatte mit einem Wutausbruch seines Oberbefehlshabers gerechnet. Doch Lusiferus hatte von der Idee bereits gehört – Tuhluer hatte sich wieder einmal als nützlich erwiesen – und sich damit abgefunden, dass selbst so drastische Lösungen zumindest in Betracht gezogen werden müssten, wollte man nicht die ganze Mission gefährden. So hatte er nur genickt und bestätigt, dass alle Möglichkeiten zu erwägen seien. Erleichterung beim betroffenen Admiral. Bestürzung bei den anderen, die nun wünschten, sie hätten den Vorschlag unterbreitet.

Man wollte auch andere Strategien erarbeiten, bei denen der Verlust der Hauptkampfeinheit nicht ins Kalkül gezogen würde, aber die Zuversicht war gering. Tue immer das, wovon der Feind hofft, du würdest es nicht tun. Schlachte die eigenen Kinder oder etwas in der Art. Das Vorgehen war von zwingender Logik.

Schließlich konnte er sich jederzeit eine neue Hauptkampfeinheit bauen. Die Lusiferus VII war nichts als ein Materieklumpen. Und nur das Ergebnis zählte. Er war kein Kind mehr. Er hegte keine sentimentalen Gefühle für ein Schiff.

Belastender war die Überlegung, ob selbst dieses Opfer ausreichte. Sie hatten das Ulubis-System in ihre Gewalt gebracht, sie hatten bei der Invasion nur eine Hand voll Schiffe verloren und konnten sich, nachdem sie einige feindliche Schiffe erbeutet hatten, vermutlich als Sieger betrachten. Allerdings waren die bereits auf dem Weg befindlichen Geschwader der Generalflotte ein nicht zu unterschätzender Gegner. Sie hatten zahlenmäßig weniger, aber bessere Schiffe. Es könnte ein harter Kampf werden, und nur ein Schwachkopf ließ sich ohne Not auf so etwas ein. Und die Flotte war schon so nahe! Die Nachricht hatte ihn tief erschüttert.

Lusiferus hatte es zunächst nicht glauben wollen. Er hatte gewütet und getobt und den Technikern immer wieder befohlen, ihre Ergebnisse zu überprüfen. Das war unmöglich, irgendwo musste ein Fehler stecken. Die Generalflotte konnte noch nicht so weit gekommen sein. Man hatte ihm versichert, der Gegenschlag würde ein halbes – vielleicht sogar ein ganzes  – Jahr auf sich warten lassen. Und nun stand der Gegner praktisch vor der Tür, bevor sie noch richtig Fuß gefasst hatten. Die Beyonder, diese Dreckskerle, hatten ihn betrogen. Er würde sich bei Gelegenheit eine gebührende Strafe für die elenden Verräter ausdenken. Doch zunächst musste er sich um diesen Gegenangriff kümmern.

Wenn sie natürlich vor dem Eintreffen der Generalflotte ihr Ziel erreicht hätten, könnte alles ganz anders aussehen.

Doch es blieben nur wenige Wochen, um das Gesuchte zu finden, und er hatte das dumpfe Gefühl, dass die Zeit nicht reichen würde.

Fassin redete mit dem Schiff. Es hielt sich für tot.

Er hatte gehofft, die Rückreise von der Rovruetz zum Direaliete-System würde schneller vonstatten gehen als der Hinflug, weil das Voehn-Schiff leistungsfähiger war als die Velpin, aber er wurde enttäuscht. Die Protreptik konnte zwar stärker beschleunigen als die Velpin, aber der Voehn-Commander hatte Y’sul so schwer verletzt, dass der Dweller die hohe Beschleunigung nicht überlebt hätte. Also flogen sie sogar noch langsamer zurück, als sie hergekommen waren.

Y’sul lag im Heilkoma. Quercer & Janath hatten ihm aus einem der ausfahrbaren Kommandosessel eine provisorische Krankentrage gebaut. Die beiden steigerten die Beschleunigung auf fünf Ge, flogen ohne Antrieb, bis sie sich vergewissert hatten, dass der Dweller durch den dabei entstehenden Druck keinen weiteren Schaden gelitten hatte, gingen in kleinen Schritten bis auf zehn Ge und kontrollierten wieder. Zu guter Letzt landeten sie bei vierzig Ge, aber bis sie sich so weit vorgetastet hatten, war schon fast der Punkt erreicht, an dem sie das Schiff drehen und die Bremsphase vor dem Rücksturz in das System einleiten mussten.

Y’sul blieb im Genesungsschlaf. Der KI-Vollzwilling erkundete mit wachsender Begeisterung die komplizierten Systeme und die vielfältigen militärischen Kapazitäten des Voehn-Schiffs. Fassin hatte nichts weiter zu tun, als neben Y’sul auf einer eigenen provisorischen Beschleunigungsliege zu schweben. Beim Anflug auf das Wurmloch würde er hier nicht bleiben können; Quercer & Janath hatten ein paar Schotts hinter dem Kommandoraum eine kleine Kabine gefunden, dort sollte er das Ereignis abwarten. Bis dahin hatten sie ihm auf hartnäckiges Drängen hin Zugriff auf die Computer der Protreptik gewährt, aber nur bis mehrere Ebenen über den Kernsystemen, und sie bestanden darauf, ihn in Gestalt einer Unterpersönlichkeit zu begleiten. Die Besuche sollten bei zwei-bis dreifach verlangsamter Zeit stattfinden, was allen Beteiligten entgegenkam. Zumindest, dachte Fassin, verginge damit die Reise scheinbar schneller.

Die virtuelle Umgebung, in der sich Fassin mit dem Schiff treffen durfte, bestand aus einem riesigen, halb verfallenen Tempel an einem weiten, trägen Fluss am Rand einer großen, reglosen, schweigenden Stadt, die von einer kleinen stationären Sonne mit hellem blauweißem Licht beschienen wurde.