Выбрать главу

Als er aufschaute, sah er, dass der Bach durch ein großes Amphitheater floss, in dem eine große Menschenmenge stand und ihn gespannt beobachtete.

Am Wendepunkt, wo die Protreptik zu beschleunigen aufhörte, sich um hundertachtzig Grad drehte und ihre Triebwerke auf das Ziel richtete, um die Bremsphase einzuleiten, vergewisserten sich Quercer & Janath eingehend, ob Y’suls Genesung immer noch zufrieden stellende Fortschritte machte.

Fassin nützte die Zeit, um das Voehn-Schiff noch etwas genauer zu erkunden. Er schwebte mit dem Pfeilschiff durch die schmalen, runden Zugangsröhren und sah sich Mannschaftsquartiere, Lagerkammern und andere Räumlichkeiten an. Kameradrohnen verfolgten ihn auf Schritt und Tritt. Das schiffsinterne Überwachungssystem war so ausgefeilt, dass es Quercer & Janath nicht schwer fiel, ihn soweit im Auge zu behalten, wie sie es für nötig hielten.

Mehrere Schotts hinter dem Kommandoraum glaubte er, die Kabine des Commanders gefunden zu haben. Sie war von den Privaträumen, die er bisher gesehen hatte, am großzügigsten dimensioniert. Drinnen sah es kahl und fremd aus. Eine etwas bequemere Ausgabe der überall im Schiff vorhandenen Flossersitze, an deren Anblick er sich inzwischen gewöhnt hatte, Bilder von Stoffbespannungen an bestimmten Wänden sowie teppichähnliche Muster auf dem Boden bildeten die gesamte Einrichtung. Fassin sah die Muster, konnte aber nicht sagen, ob sie aufgemalt oder mit dünnen Folien aufgebracht worden waren. Es gab auch keine echten Ziergegenstände, sondern nur Hologramme. Er hatte gehört, dass dies auf den meisten Kriegsschiffen so gehandhabt wurde; es sparte Gewicht, und wenn man auf physische Gegenstände verzichtete und sich mit dem schönen Schein begnügte, konnten bei heftigen Manövern auch nicht mehr so viele Dinge durch die Gegend fliegen.

Er schwebte vor ein Teppichmuster, ein Gitter mit kleinen, verschnörkelten Glyphen, das wie eine Textpassage aussah, fand aber in den Speichern des Gasschiffs keine Vergleichsgrundlage für eine solche Sprache. was mochten die Zeichen bedeuten? Er speicherte das Bild. Quercer & Janath würden es wahrscheinlich löschen, wenn sie das Portal passierten, aber das war ihm egal.

Beim nächsten Treffen mit dem Schiff ragte am anderen Flussufer eine massive schwarze Wand, gekrönt mit Zinnen und Geschütztürmen, direkt aus dem Wasser. Im oberen Viertel waren Geschützpforten mit weiteren Kanonen gestaffelt über die gesamte Breite der riesigen Mauer verteilt, so dass der Eindruck eines antiken Meeresschiffes entstand, nur dass es ein Schiff von so absurder Größe und vor allem Länge nie gegeben hatte. Der Rumpf war so gewaltig, dass er sich in der Ferne perspektivisch verkürzte. Die Geschütze waren nicht statisch, sondern bewegten sich rhythmisch in Wellen, als wollten sie von der Stelle kommen, so dass ihre Rohre wirkungslos hin und her zappelten wie die Ruder einer monströsen Riesen-Trireme oder wie die Beine eines auf dem Rücken liegenden Tausendfüßlers.

Der rotbraune Affe saß wie üblich ganz in der Nähe. Er hatte einen neuen Brustharnisch, rund und spiegelblank, den er unverwandt betrachtete und von imaginären Stäubchen säuberte. Manchmal hielt er ihn hoch, um zu sehen, wie sich das Sonnenlicht darin spiegelte, oder er streckte ihn vor sich aus, um sich darin zu bewundern.

»Text?«, fragte der alte Mann. »Auf einem Fußboden-Display? Nein, tut mir Leid, daran habe ich keine Erinnerung, jedenfalls nicht gespeichert. Wenn das Schiff noch existierte, wenn ich noch darauf zugreifen könnte …« Er machte ein trauriges Gesicht. Fassin warf einen Blick auf den rotbraunen Affen, aber der wandte sich ab und versuchte zu pfeifen.

»Vielleicht gelingt es mir, dir ein Bild zu übermitteln, das ich aufgenommen habe«, sagte Fassin.

»Du hast ein Bild? Du warst auf dem Schiff?« Der Mann sah ihn überrascht an.

Nach einigem Hin und Her – Fassin musste die Treppe hinaufsteigen und durch die Tür in die normale Realität zurückkehren, um die Verbindung herzustellen – konnte er das Bild sichtbar machen. Der schlaksige Affe hielt seinen Harnisch in die Höhe, und das Muster erschien auf der Oberfläche.

»Ach, das?«, sagte der Greis und strich sich den kurzen grauen Bart. »Das hat der Commander vor langer Zeit einmal gefunden, als er noch das Kommando über ein kleineres Schiff hatte. Eine Übersetzung ins Alte Standard. Ich glaube, es sind die letzten Worte eines Monstrums, einer KI.

»Was heißt es?«, fragte Fassin.

»Da steht: Ich wurde in einem Wassermond geboren, der bisweilen, insbesondere von seinen Bewohnern, auch als Planet bezeichnet wurde. Aber bei einem Durchmesser von kaum mehr als zweihundert Kilometern halte ich den Begriff ›Mond‹ für zutreffender. Dieser Mond bestand ausschließlich aus Wasser, das heißt, er war eine Kugel nicht nur ohne Land, sondern auch ohne einen Felskern, eine Sphäre ohne festes Zentrum, nur flüssiges Wasser bis ganz ins Innere.

Wäre der Mond größer gewesen, dann hätte er einen Eiskern gehabt, denn Wasser ist zwar angeblich nicht komprimierbar, aber das gilt nicht uneingeschränkt, und unter extremem Druck verwandelt es sich in Eis. (Das mag einem seltsam oder sogar widernatürlich erscheinen, wenn man auf einem Planeten lebt, wo das Eis auf dem Wasser schwimmt, dennoch verhält es sich so.) Dieser Mond war für die Entstehung eines Eiskerns etwas zu klein, und deshalb konnte man, wenn man die nötige Kühnheit besaß und ausreichend gegen den Druck des Wasser geschützt war, der mit zunehmender Tiefe immer höher wurde, bis ins Zentrum des Mondes vordringen.

Und dort passierte etwas Seltsames.

Denn im innersten Zentrum dieser Wasserkugel schien es keine Schwerkraft zu geben. Natürlich herrschte ein gewaltiger Druck von allen Seiten, aber im Grunde war man schwerelos. (Von der Oberfläche eines Planeten, eines Mondes oder eines anderen Himmelskörpers, ob Wasserwelt oder nicht, wird man immer zum Zentrum gezogen; ist man erst dort, dann wirken die Zugkräfte gleich stark nach allen Richtungen.) Deshalb war auch der Druck von außen nicht ganz so hoch, wie man nach den Wassermassen, aus denen der Mond bestand, eigentlich erwartet hätte.

Das war natürlich …«

An dieser Stelle bricht der Text ab.

Fassin überlegte. »Woher stammt er?«

»Er wurde von einem der Anathematen, die Commander Inialcah aufspürte und tötete, als eine Art Mantra zur Speicherlöschung verwendet, um den früheren Inhalt seines Datenspeichers restlos zu eliminieren. Die betreffende KI war, wie sich später herausstellte, ebenfalls auf der Suche nach der so genannten Transformation. Dieser Umstand hatte ursprünglich das Interesse des Commanders geweckt. Er ließ das Mantra übersetzen und bewahrte es auf wie einen Talisman, aber vermutlich glaubte er, der Text, mit dem die AI ihren Speicher überschrieben hatte, hätte irgendeinen verborgenen Sinn, und es könnte sich als nützlich erweisen, ihn zu entschlüsseln. Er sagte immer wieder, KIs seien bekanntlich überschlau und verrieten durch ihre Arroganz manchmal wichtige Informationen. Auch deshalb hatte er die Passage konserviert und wollte sie ständig vor Augen haben.«

Fassin träumte, er stünde mit Saluus Kehar auf einem Balkon über einem Vulkankrater voll rot glühender, brodelnder Lava. »Wir sollen alle möglichen Kähne auf Gaslinienform trimmen …« sagte Sal, dann hielt er inne, räusperte sich und winkte ab. »Was soll’s«, fuhr er fort und verwandelte sich in einen Dweller, aber mit menschlichem Gesicht und ohne größer zu werden. So schwebte er über die wogende Lava hinaus. »Lauter schwachsinnige Fehler, kleiner Fassin. Ich habe das Original der Bestie zu einem Freund und Mitstreiter in die Stadt Direaliete gebracht. Zu einem Freund und Mitstreiter.«

Fassin betrachtete seine Hände, um sich zu vergewissern, dass er noch er selbst war.

Als er aufschaute, war Saluus verschwunden, und er stand in einem Fluss, an dessen beiden Ufern Tempel aufragten. Zu den Tempeln führten steile Treppen hinauf, die so hoch waren wie Gefängnismauern.