Er wartete auf eine Reaktion von den drei Dwellern, aber die betrachteten weiter in aller Ruhe die Aussicht. »Wie ist es?«, fuhr er schließlich fort. »Hat von den Anwesenden vielleicht doch jemand eine brauchbare Idee?«
Menschen und Aliens schauten auf die schwarzen Pünktchen, die langsam von dem großen Schiff nach unten schwebten. Ein paar Köpfe drehten sich in seine Richtung, wurden aber sofort wieder abgewandt, als sie seinem Blick begegneten. Er sollte den Hass, die Angst, das Grauen in ihren Augen nicht sehen. Seltsam, wie betroffen die Leute waren, wenn vor ihrer Nase etwas Unerfreuliches passierte, während sie viel schlimmere Grausamkeiten ignorierten, wenn sie anderswo stattfanden.
Er nickte Tuhluer zu. An einer Seite des Raums leuchtete ein großer Bildschirm auf und zeigte den Vorgang von Anfang an. Menschen aller Art, so wie er sie beschrieben hatte, wurden in große, runde Behälter geschoben. Fast alle wehrten sich, aber sie steckten in engen Hüllen wie in elastischen Schlafsäcken, die nur die Gesichter frei ließen, und so konnten sie sich nur winden wie die Maden, konnten die Soldaten anspucken, die sie in die Werfermagazine luden, und versuchen, in die Exoskelette zu beißen. Der Boden des riesigen Frachtraums war über und über mit zappelnden, zuckenden Körpern bedeckt. Jemand stellte den Ton lauter. Nun konnte man im Konferenzraum deutlich hören, wie die Menschen schrien und weinten und um Gnade flehten.
»Archimandrit!«, rief der Hierchon. »Ich protestiere gegen dieses Vorgehen! Ich habe nicht …«
»Schnauze!«, brüllte der Archimandrit. Er schaute in die Runde. »Das gilt für alle! Kein verdammtes Wort mehr!« Eine Weile war nur das dumpfe Wumm! Wumm! Wumm! des Werfers zu hören.
Die Szene wechselte. Jetzt war die Mündung an der Außenseite des Schiffes zu sehen. Der Werfer schleuderte – sehr sanft für ein Geschütz – die Menschen ins All. Beim Abwurf löste sich die Fesselhülle und rutschte bis zu den Knöcheln nach unten. Nun konnten die nackten Opfer nach Herzenslust strampeln und sich in Krämpfen winden, wenn sie mit dem Vakuum in Berührung kamen und erstickten. Einige hielten die Luft an und quollen auf, als wollten sie platzen. Blut rann ihnen aus Augen, Ohren, Mund und Anus. Die Kameras folgten ihnen. Gewöhnlich bewegten sich die menschlichen Geschosse noch etwa zwei Minuten, um dann in irgendeiner Stellung zu erstarren – einige in Fötushaltung zusammengekauert, andere alle viere von sich streckend – und langsam wie auf einem unsichtbaren Förderband den fernen Wolken zuzuschweben.
»Warum tust du das?«, fragte der Dweller Feurich den Archimandriten. Es klang lediglich ratlos.
»Um die Konzentration zu fördern«, sagte Lusiferus kalt. Er hörte, wie sich irgendwo im Raum jemand übergab. Kaum jemand wollte ihm in die Augen sehen. Auf den Laufstegen über ihm drängten sich die Soldaten seiner Garde, sie hatten bereits die Waffen im Anschlag.
»An meiner Konzentration war eigentlich nichts auszusetzen«, sagte Feurich mit einem Seufzer. »Wir können dir trotzdem nicht helfen.«
»Geben Sie mir Seher Taak.« Lusiferus spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Was war das? Er unterdrückte die Reaktion auf der Stelle.
»Wir haben diesen Taak nicht«, sagte Administrator Peripule ruhig.
»Sagen Sie mir, wo er ist«, verlangte Lusiferus.
»Bedaure«, sagte Chintsion. »Wir können dir nicht helfen.«
»Verdammt, ich will es wissen!«, brüllte Lusiferus.
»Wie sollen wir …?«, begann Feurich. Chintsion unterbrach ihn.
»Wir könnten die Leute fragen, die behaupten, Seher Taak zuletzt gesehen zu haben. vielleicht würden sie uns verraten, wo er sich ihrer Meinung nach aufhält.«
»Einige Mitglieder der Abordnung sollen nach ihm gesucht haben«, ergänzte Feurich. »Vielleicht haben sie etwas gefunden.«
»Ich dachte, bei der Zerstörung der Schiffe seien alle Mitglieder der Abordnung getötet worden«, sagte Chintsion. »Oder irre ich mich?«
»Hör zu!«, suchte Peripule den Archimandriten zu beschwichtigen. »Wir sollten alle noch einmal eine Nacht darüber schlafen.«
Lusiferus zeigte wütend auf die Reihe von Körpern, die langsam auf den Planeten zuschwebten.»Habt ihr Flachwichser immer noch nicht begriffen? Das hört erst auf, wenn ich bekommen habe, was ich will!«
Die drei Dweller drehten sich gleichzeitig um und sahen ihn an. »Hmm«, sagte Peripule nachdenklich. »Hoffentlich hast du auch genügend Leute.«
Lusiferus ballte die Fäuste. Er platzte fast vor Wut, als wäre er einer von den armen Teufeln, die auf dem Todesfließband vor dem gewölbten Diamantfenster vorbeiglitten. Doch er beherrschte sich eisern und sagte ruhig: »Wir haben auch dreihundert Dweller-Jünglinge an Bord. Vielleicht sollten wir lieber sie abwerfen? Oder als Zielscheiben verwenden? Was halten Sie davon?«
»Ich denke, damit würdest du nur die Leute verärgern«, lachte Chintsion.
»Du hast doch wohl nicht ernsthaft vor, uns unter Druck zu setzen?«, fragte Feurich.
»Du solltest vielleicht wissen, Mr. Lusiferus«, sagte Chintsion, und es klang fast wie gutmütiger Spott, »dass einige der Clubs, für die ich spreche, sehr militärisch ausgerichtet sind. Natürlich finde ich ihre Begeisterung großartig und bin sehr stolz darauf, sie zu vertreten, aber manchmal kommen – ich weiß nicht, vielleicht aus Langeweile – sehr merkwürdige Wesenszüge zum Durchbruch. Dann könnte man fast denken, die Mitglieder hätten sich das Motto ›erst schießen, dann fragen‹ zu eigen gemacht. Hm. wenn du verstehst, was ich meine.«
Lusiferus starrte den Schweber an wie einen Schwachsinnigen. Das dumpfe Wumm, Wumm, Wumm hielt an. Die Linie aus winzigen dunklen Punkten kroch weiter über das dunkel brodelnde Antlitz des Gasriesen. Er wandte sich an Tuhluer. »Voller Waffeneinsatz!«, befahl er. »Sicht verdunkeln.«
Nasquerons gewaltiges Antlitz verschwand, die Diamantblase wurde schwarz wie Obsidian. Der große Raum wurde noch düsterer und schien zu schrumpfen. Die dumpfen Schläge wurden lauter.
»Hiermit nehme ich Sie drei als Geiseln«, erklärte Lusiferus den Dwellern. »Desgleichen die Jungen Ihrer Spezies, die sich auf diesem Schiff befinden. Jeder Versuch, sie oder sich selbst zu retten, jeder Angriff auf dieses oder irgendein anderes meiner Schiffe oder auf meine Besitzungen hat unverzüglich den Tod aller Geiseln zur Folge. Bekomme ich in den nächsten sechs Stunden Standardzeit keine nachweislich nützlichen Informationen über Seher Fassin oder das, wonach er suchte, dann wird ebenfalls mit den Hinrichtungen begonnen, und Sie drei kommen als Erste an die Reihe. Verstanden?«
»Ich muss schon sagen, Mr. Lusiferus«, protestierte Feurich, »das ist wahrhaftig keine Art, eine Konferenz zu führen.«
»Ich schließe mich dieser Meinung voll und ganz an«, verkündete Chintsion.
»Schnauze«, befahl Lusiferus. »Ich habe zahlreiche Schiffe mit vielen Tonnen von Antimaterie-Sprengköpfen um diesen Gasriesen stationiert. Planetenknacker. Wenn Sie alle tot sind und immer noch nichts vorangeht, werde ich die in Ihrer verdammten Atmosphäre zünden. Die Obrigkeit auf eurem verfaulten Riesenfurz von einem Planeten wird, soweit vorhanden, zu gegebener Zeit von meinen Absichten informiert.« Der Archimandrit schaute hinauf zu den Soldaten auf den Laufstegen. »Führt sie ab! Zieht ihnen diese Schutzanzüge aus, schneidet sie auf, wenn es nicht anders geht.«