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Nachdem die KI-Projektion im Audienzsaal des Hierchon ihre Befehle übermittelt und um Fragen gebeten hatte, ging es hoch her. Es wurden Reden geschwungen, jeder versuchte, Punkte zu machen und sich abzusichern, man schoss zurück und wehrte schon im Vorfeld eventuelle Schuldzuweisungen ab. Admiral Quiles Abbild beantwortete alle Fragen mit einer unerschütterlichen Ruhe, die wahrscheinlich mehr als alles andere bewies, dass es sich tatsächlich um eine KI handelte. Ein Mensch – noch dazu ein Admiral, der an prompten und widerspruchslosen Gehorsam gewöhnt war – hätte lange vor dem Ende der Veranstaltung die Geduld verloren. Man deutete so oft auf Fassin und verwies auf ihn, bis er sich schließlich des Gefühls nicht mehr erwehren konnte, alles sei allein seine Schuld. was wohl irgendwie auch richtig war. Das Ganze dauerte so lange, dass Fassins Magen – vielleicht angeregt von der Stimmung im Saal – zu knurren anfing. Schließlich hatte er seit dem Frühstück am frühen Morgen auf ’glantine nichts mehr gegessen.

»War das wirklich alles?«, fragte die Projektion über dem Kochkessel, als endlich auch dem Redseligsten unter den Anwesenden die Fragen und Argumente ausgegangen waren und es keinen Rücken mehr zu decken gab. Es klang weder flehentlich noch erleichtert, obwohl Fassin beides durchaus hätte verstehen können.

»Nun gut. Dann möchte ich mich verabschieden und Ihnen viel Glück wünschen.«

Das Hologramm des kahlköpfigen Mannes mit den Schädeltätowierungen, dem Faltengesicht und der mit Orden behängten, gepanzerten Uniform warf einen letzten Blick in die Runde, grüßte den Hierchon mit einer zackigen Verbeugung und verschwand. Zunächst wusste niemand so recht, was er tun sollte. Dann begann der schwarze bauchige Kessel im Zentrum des Saales laut zu summen. Colonel Somjomion von der Justitiarität und der Oberste Archivar Voriel von der Cessoria, denen man die Aufsicht über die Kontrollgeräte übertragen hatte, als die Techniker den Saal verlassen mussten, beschäftigten sich nun eingehend mit verschiedenen Bildschirmen und Bedienungselementen. Die Soldaten mit der Spiegelpanzerung klopften sich ans Ohr, brachten ihre Waffen in Anschlag und richteten sie auf den Kochkessel. Das Summen wurde lauter, der Kessel begann in Infrarot zu leuchten. Das Summen stieg weiter an und gewann an Tiefe, die Schwingungen verstärkten sich, bis die Maschine sichtbar vibrierte. wer ihr zu nahe stand, wich entweder zurück oder hätte es zumindest gerne getan. Die Maschine schien unmittelbar vor der Explosion zu stehen. vor den gerippten Wänden flimmerte die Luft. Über dem Kessel waberte und zitterte die Atmosphäre, als sei eine gespenstische Mutation des Abbilds, das eben noch hier gestanden hatte, darin gefangen und wolle sich freikämpfen.

Dann begann das bauchige Ding in der Mitte kirschrot zu glühen, und alles – die Geräusche, die Vibrationen und die Hitzewellen – hörte auf. Die Umstehenden entspannten sich. Somjomion und Voriel holten tief Luft und nickten dem Hierchon zu. Die Soldaten schulterten ihre Waffen. Das komplexe Substrat, mit dessen Hilfe sich die KI in Gestalt des Admirals manifestiert hatte, war in dem schwarzen Kessel zu Asche verbrannt.

Der Hierchon Ormilla ließ sich aus den Tiefen seines prächtigen Schutzanzugs vernehmen. »Hiermit setze ich den Notstandsplan in vollem Umfang in Kraft. Nach Abschluss dieser außerordentlichen Sitzung wird das Kriegsrecht ausgerufen. Wer vorher ausgeschlossen wurde, möge auf seinen Platz zurückkehren.«

Das hektische Intrigieren, das Fassin zuvor beobachtet hatte, war nur ein laues Lüftchen verglichen mit dem Sturm, der losbrach, als man nun – ohne einem nicht direkt Eingeweihten nähere Einzelheiten mitzuteilen – die Maßnahmen besprach, die später unter dem Begriff ›Der Aktuelle Notstand‹ zusammengefasst werden sollten. Bei der Neuverteilung von Rollen und Verantwortungen entbrannten Streitigkeiten zwischen verschiedenen und innerhalb einzelner Abteilungen, bestehende Regelungen wurden revidiert, ein zweites Mal revidiert, von Neuem ausgehandelt, weiter erörtert, ein drittes Mal revidiert und schließlich festgeschrieben.

Fassins Magen knurrte immer noch hörbar, als die Sitzung endlich geschlossen wurde, doch nun wurde er zu einer Einsatzbesprechung mit seinen Vorgesetzten in die Ocula der Justitiarität beordert. Auf der Etage der Ocula im Palast des Hierchon ließ man ihn in einem Vorzimmer warten; er legte die oberste Schicht seiner unbequemen Paradeuniform ab und holte sich an einem Automaten, der in einem gekrümmten Außenkorridor stand, eine für Menschen genießbare Mahlzeit. Von hier aus konnte man auf den Empfangshof sehen. (Lange Abendschatten, im Schein der untergehenden Sonne aufglühende Turmspitzen. Er suchte nach einem äußeren Zeichen dafür, dass Stadt, Planet und System nun wieder unter Kriegsrecht standen, fand aber nichts.) Er war noch dabei, sich die Finger abzuwischen, als man ihn hereinrief.

»Major Taak«, sagte Colonel Somjomion. »Willkommen.«

Man führte ihn an einen großen runden Tisch, der mit bereits mit uniformierten Vertretern der Justitiarität besetzt war. Zumeist waren es Menschen oder Whule, aber Fassin sah auch zwei Jajuejein, die sich nach Kräften bemühten, wie sitzende Humanoide auszusehen, und einen einsamen Oerileithe in einer matteren und etwas kleineren Ausgabe des Schutzanzugs, wie ihn auch der Hierchon trug. Der Diskus steckte zur Hälfte in einem breiten Schlitz im Boden. Dennoch schien er Kälte zu verströmen und den ganzen Raum zu beherrschen.

Somjomion wies auf den Oerileithe. »Das ist Colonel Hatherence«, erklärte sie Fassin. »Sie ist bei diesem Einsatz Ihre Vorgesetzte.«

»Sehr erfreut«, dröhnte der Colonel und vollführte eine winzige Drehung in Richtung Fassin. Ihr Schutzanzug hatte keine durchsichtige Frontscheibe wie der des Hierchon, man sah nur Panzerung und Sensoren aber nichts von dem Wesen im Innern.

Fassin nickte. »Madame.« Er hatte bisher geglaubt, außer dem Hierchon selbst gebe es im System nur Oerileithe, die zu seiner Familie und seinen Freundinnen zählten (›Harem‹ wäre um eine Winzigkeit zu negativ gewesen). Nun fragte er sich, ob Colonel Hatherence wohl in eine der beiden Kategorien gehöre.

Man erklärte ihm, man könne ihn natürlich nicht so ohne weiteres alleine nach Nasqueron schicken, um seinen Auftrag auszuführen. Im Lauf der nächsten Stunde brachte ihm Somjomion, immer wieder unterbrochen von eingehenden Funksprüchen, Kurzmitteilungen und Fernaudienzen mit dem Hierchon persönlich, allmählich bei, er sei zwar ausdrücklich allein mit dieser Aufgabe betraut worden, dennoch könne er sein Ziel am besten erreichen, wenn er von Personen begleitet und beaufsichtigt würde, die auch wirklich das Vertrauen des Hierchon und seines Höflingsklüngels genössen.

Demzufolge würde Fassin auf seinem nächsten Trip in guter Gesellschaft sein. Nicht nur Colonel Hatherence sollte ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen, sondern auch zwei seiner menschlichen Seherkollegen würden ihn begleiten, Braam Ganscerel, der Oberste Seher des Sept Tonderon, der von allen Septen das höchste Ansehen genoss, und – als Juniorpartner – Paggs Yurnvic vom Sept Reheo, mit dem Fassin schon einmal gearbeitet hatte. Der Oberste Seher Ganscerel halte sich derzeit in einem Habitat im Orbit um Qu’arunze auf und treffe alle Vorbereitungen für einen raschen Aufbruch. Er würde sich mit Colonel Hatherence, Major Taak und Seher Yurnvic auf Third Fury treffen. von dort aus sollten die Trips baldmöglichst starten.

Qua’runze war der zweite große Gasriese im Ulubis-System – außerdem gab es noch zwei kleinere Exemplare. Alle hatten auch Dweller-Populationen, die aber, verglichen mit Nasqueron, von der Größe her unbedeutend waren. Fassin vermutete, dass Ganscerel für die Reise von Qua’runze nach Nasqueron und zu dem Stützpunkt auf Third Fury weit über eine Woche brauchen würde. Der alte Knabe liebte seine Bequemlichkeit, außerdem könnte man ihn, selbst wenn er einverstanden wäre, auf dem Flug nicht mit sehr viel mehr als einer Ge belasten.