»Sorgfältig ausgewählt, um uns auf unseren Platz zu verweisen und daran zu erinnern, was wir ihnen verdanken, im Guten wie im Schlechten«, sagte Großonkel Fimender.
»Die Culmina sagt, jemand hätte sich um die Erde gekümmert, nachdem die Voehn die Menschen zu den anderen Sternen gebracht hätten. Sie hätte dafür gesorgt, dass der Erde nichts Schlimmes passierte, dass sie zum Beispiel nicht von einem großen Felsen getroffen würde.«
Großonkel Fimender lachte oder hustete. »Kann jeder behaupten.«
Fass schaute nach hinten. Einerseits wollte er, dass der Großonkel still wäre, damit er Onkel Slovius zuhören konnte, andererseits aber wieder nicht, denn auch wenn er nicht immer alles verstand, was Großonkel Fimender sagte, so verriet es ihm doch allerlei über das, was Onkel Slovius erzählte. Es war, als würden sich die beiden gleichzeitig zustimmen und widersprechen. Großonkel Fimender zwinkerte ihm zu und deutete mit seinem Glas auf Onkel Slovius: »Nein, nein, pass nur gut auf!«
»Die Menschen von der Erde erreichten also endlich die Sterne und stellten fest, dass es überall Aliens gab«, fuhr Onkel Slovius fort. »Und einige davon waren wir!« Er lächelte breit.
»Und es gab sehr viel mehr Alien-Menschen als solche, die glaubten, sie wären die Menschheit«, ergänzte Großonkel Fimender. Es klang so, als machte er sich lustig. Onkel Slovius seufzte und schaute nach vorn.
Der Flieger flog über schneebedeckte Berge. Vor ihnen erschien ein Stück Wüste, so rund wie ein Kreis. Onkel Slovius schüttelte den Kopf und schien nichts mehr sagen zu wollen, aber der Großonkel wollte reden, deshalb drehte sich Fass auf seinem Sitz um und hörte ihm zu.
»Und diese so genannten f-Menschen waren technisch weiter fortgeschritten. Höher entwickelt, aber eingeschüchtert. Eine Sklavenrasse, genau wie alle anderen auch. Und alle Träume der Erde von grenzenloser Expansion und Inbesitznahme waren plötzlich verflogen wie ein Furz. Die Antwort auf die Frage: ›Wo sind sie denn alle?‹ lautete nun: ›Überall‹, aber der Einsatz im galaktischen Pokerspiel ist ein Wurmloch, und so mussten wir uns eines finanzieren, damit wir mitspielen konnten. Dann entdeckten wir, dass ›Überall‹ tatsächlich ›Überall‹ bedeutete, und jedes verdammte Ding, das man sehen und nicht sehen konnte, bereits irgendeinem Dreckskerl gehörte: jeder Felsen, jeder Planet, jeder Mond und jede Sonne, jeder Komet, jede Staubwolke, jeder Zwerg, sogar das verdammte Nichts im Weltall war für irgendjemanden die Heimat. Du landest auf einem gottverlassenen Aschebrocken, ziehst eine Schaufel heraus und glaubst, du kannst jetzt etwas ausgraben, etwas bauen oder sonst etwas damit anstellen, und hast du nicht gesehen, schon streckt ein zweiköpfiges Alien seine zwei Köpfe aus seinem Bau und sagt dir, du sollst verschwinden, oder bedroht dich mit einem Gewehr. Oder einem Erlass – Ha! Was noch schlimmer ist!«
Fassin hatte Großonkel Fimender noch nie so viel reden hören. Er war nicht sicher, ob der Großonkel wirklich mit Onkel Slovius oder mit ihm redete oder vielleicht doch mit seinen zwei alten Freundinnen, denn er schaute niemanden an, sein Blick war nur auf den Picknicktisch gerichtet, der vom Vordersitz heruntergeklappt war. vielleicht betrachtete er das Glas und die Karaffe. Und sein Gesicht war traurig. Die alten Damen klopften ihm auf die Schulter, und eine strich ihm übers Haar, das tiefschwarz war, aber dennoch alt aussah.
»Sie nennen es Präparieren«, sagte er vielleicht zu sich selbst, vielleicht auch zu dem Picknicktisch. »Aber es ist eine verdammte Entführung.« Er schnaubte. »Man weist die Leute in ihre Schranken und hält sie dort fest. Man lässt uns Träume spinnen und zersticht sie dann wie Seifenblasen.« Er schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck aus seinem blanken Glas.
»Präparieren?«, fragte Fass, um sich zu vergewissern, dass er das Wort richtig verstanden hatte.
»Hmm? Oh ja.«
»Aber das ist doch schon immer so gewesen«, sagte Onkel Slovius. Es klang sanft, und Fass war nicht sicher, ob Onkel Slovius mit ihm oder mit Großonkel Fimender sprach. Er hörte nur mit halbem Ohr hin, während er einen der Fliegerbildschirme herauszog. Hätte man ihm erlaubt, Spielsachen mitzunehmen, er hätte auf jeden Fall seinen RoboFreund eingepackt und ihn einfach gefragt, doch nun zwangen ihn die verdammten Erwachsenen dazu, sich an einen Schirm zu wenden. Er starrte die Buchstaben, Zahlen und Zeichen an (Onkel Slovius und Großonkel Fimender redeten immer noch).
Er wollte nicht sprechen, er wollte eintippen wie die Erwachsenen. Er probierte ein paar Knöpfe. Nach einer Weile bekam er ein viele-Bücher-Symbol, neben dem ein großes Kind stand, und ein Ohr-Symbol. Das große Kind sah ziemlich verwahrlost aus, es hielt eine Drogenschale in den Händen, und um seinen Kopf flatterten Zeilen, kleine Satelliten und Vögel. Na schön.
»Präparieren«, sagte er, drückte aber auf Text. Auf dem Schirm erschien:
PRÄPARIEREN: Altbewährte Praxis, in jüngster Zeit u. a. von der Culmina angewendet. Besteht darin, einige wenige Exemplare einer präzivilisiatorischen Spezies (gewöhnlich in Form von Klonoklasten oder Embryonen) von ihrer Heimatwelt zu holen und sie zu unterjochten Spezies/Sklaven/Söldnern/Mentorierten zu machen, so dass die ursprünglichen Bewohner dieser Welt, wenn sie schließlich die galaktische Stufe erklimmen, nicht die zivilisiertesten/fortgeschrittensten Vertreter ihrer Art sind (oft sind sie nicht einmal die zahlreichste Gruppierung). von so behandelten Spezies wird erwartet, dass sie sich ihren so genannten Mentoren (die i. A. auch behaupten, in der Zwischenzeit Kometen abgelenkt oder ähnliche Katastrophen verhindert zu haben, ob dies nun der Wahrheit entspricht oder nicht) verpflichtet fühlen. Die Praxis war verboten, als die pan-galaktischen Gesetze (s. Galaktischer Rat) noch galten, pflegt aber in weniger zivilisierten Epochen wieder aufzuleben. Sie wird jeweils als Präparieren, Aufwerten oder Aggressives Mentorieren bezeichnet. Lokalrelevante Terminologie: f-Menschen und r-Menschen (Fortgeschrittene und Rest-Menschen).
Und das war erst der Anfang. Fassin kratzte sich den Kopf. Zu viele lange Wörter. Und dabei war dies nicht einmal eine ’pädie für Erwachsene. vielleicht hätte er doch die Seite für nicht ganz so große Kinder suchen sollen.
Sie landeten. Mann! Er hatte nicht einmal bemerkt, dass die Maschine tiefer ging. In der Wüste standen Flieger in verschiedenen Größen, viele waren auch noch in der Luft, und jede Menge Leute liefen herum.
Sie stiegen aus und gingen über den Sand. viele Leute blieben auch in ihren Fliegern sitzen. Er durfte wieder auf Onkel Slovius’ Schultern reiten.
In weiter Ferne stand inmitten eines großen Kreises ein Turm mit einem dicken Klumpen an der Spitze. Das war die böse Maschine, die sich in einer Höhle in den Bergen versteckt hatte und von der Cessoria gefangen worden war. (Die Cessoria und die Lustrale fingen böse Maschinen. Er hatte sich ein paarmal ›Lustral-Patrouille‹ angesehen, aber das war mehr eine Serie für alte Leute, es wurde viel geredet und viel geküsst.)
Die böse Maschine in dem Klumpen an der Spitze des Turms durfte eine Rede halten, aber sie verwendete zu viele lange Wörter. Fassin langweilte sich, und es war sehr heiß. Kein Spielzeug! Onkel Slovius machte zweimal ›Pst!‹. Er versuchte, Onkel Slovius nur so zum Spaß mit Schenkeln und Knien zu würgen, um sich dafür zu rächen, dass er zweimal ›Pst‹ gemacht hatte, aber Onkel Slovius schien es gar nicht zu bemerken. Mama und Papa redeten immer noch leise miteinander, rollten wie üblich mit den Augen und schüttelten den Kopf. Großonkel Fimender und seine beiden alten Freundinnen waren im Flieger geblieben.