Выбрать главу

»Was immer Sie für richtig halten, Meistertechniker«, sagte der Colonel.

Das Trägerschiff erbebte, als es auf Nasquerons obere Atmosphäreschichten traf, und zog eine leuchtende Spur über die Wolkenschicht. Sie wurden langsamer. Das Gewicht kehrte zurück. Und stieg stetig an. Knarrende, tickende Geräusche übertrugen sich durch die festen Verbindungen mit dem Absetzschiff. Das Zittern ließ nach, wurde stärker, flaute wieder ab. Dumpfe Schläge und scharfes Krachen drangen durch den Rumpf des Absetzschiffes. Fassin erriet, dass von den gezackten Rändern der Bresche in den Frachtraumtüren Stücke abgerissen wurden, die aufglühten und Funken sprühten, als sich der Raum mit Gas füllte. Fassin detektierte neue Geräusche im Frachtraum. Sie waren jetzt richtig schwer geworden. Fassin spürte, wie sich das Schockgel um ihn verdichtete. Wie knirschender Schnee unter den Füßen. Er glaubte fast zu sehen, wie alle noch verbliebenen Gasbläschen in seinem Körper so flach wie Hämozyten wurden. So richtig schön schwer …

»Meistertechniker«, meldete sich plötzlich der Colonel.

»Moment mal«, sagte Apsile. »Das …«

Das ganze Schiff schüttelte sich kurz und begann zu rollen.

Herv?, sendete Fassin.

»Ich empfange da einen Zielsuchstrahl …«, begann Apsile, brach aber gleich wieder ab, als das Schiff noch einmal erbebte und wild über den Himmel schlitterte.

»Wir werden tatsächlich angepeilt«, verkündete Hatherence. »Meistertechniker«, rief sie über alle Frequenzen hinweg. »Können Sie uns jetzt schon absetzen?«

»Wie? Was? Nein! Ich …«

»Meistertechniker, versuchen Sie auf mein Kommando eine Rolle oder einen Überschlag«, verlangte Hatherence. »Ich werde uns absetzen.«

»Sie?« schrie Apsile.

»Ich. Ich kann es. Ich habe Waffen: und jetzt entschuldigen Sie mich, und viel Glück.«

Moment mal, begann Fassin.

»Seher Taak«, sagte der Colonel knapp, »schirmen Sie Ihre Sinne ab.« Der große Diskus neben ihm schickte einen grellen, blauweißen Lichtimpuls senkrecht nach unten. Die Türen wurden abgesprengt. Funken stoben davon. Draußen wirbelten gelbbraune Wolken vorbei. Fassins kleines Pfeilschiff sah nur noch Flecken und tauschte eilends seine beschädigten Sensoren aus. Er hatte sich wohl doch nicht rechtzeitig abgeschirmt. Jetzt schaltete er die Sensoren ab. »Absetzen in drei Sekunden«, sagte der Colonel. »Bitte leiten Sie jetzt das Manöver ein, Meistertechniker.«

Von oben rasten ein Strahlungsstoß und ein Hitzeschwall heran, als das Schiff zur Rolle ansetzte. Der Schlitten, der Fassin im Absetzschiff festhielt, klinkte aus, und er schoss wie eine Kanonenkugel aus dem Frachtraum. Einen Augenblick später kam der Colonel in ihrem Oerileithe-Anzug hinterher und holte rasch auf. Über sich sah er das Absetzschiff, das immer noch um die eigene Achse rollte. Plötzlich fuhr seitlich davon ein violetter Strahl herab, durchschnitt das Gas und brannte sich in seine eben erst reparierte Optik. Der Strahl verfehlte das Trägerschiff nur knapp, dann schoben sich dicke gelbe Nebelwolken zwischen ihn und das Schiff, und er und der Colonel waren allein. Ein winziger Pfeil und eine rotierende, schmutzig graue Münze schossen in Nasquerons weiten, turbulenten Himmel hinab.

»›Für alle, die sich mit solchen Dingen befassen, steht unumstößlich fest, dass es innerhalb gewisser Spezies eine Klasse von Wesen gibt, die ihren Mitkreaturen so viel Verachtung und Misstrauen entgegenbringen, dass sie nur Hass und Furcht erregen und diese Empfindungen auch für die aufrichtigsten halten, die sie sich erhoffen können, weil sie am seltensten vorgetäuscht werden.‹« Der Archimandrit Lusiferus schaute an der Wand empor. Der Kopf schaute mit starrem Blick über die Kabine, Schmerz, Entsetzen und Wahnsinn standen in den weit aufgerissenen Augen.

Der Attentäter war bald nach Antritt der langen Reise zum Ulubis-System gestorben. Die oberen Stoßzähne waren schließlich so tief in sein Gehirn eingedrungen, dass sie seinen Tod herbeiführten. Der Archimandrit hatte dem Mann die Augenlider wieder aufschneiden lassen, als die Mediziner meldeten, der Tod sei binnen weniger Tage zu erwarten; er hatte den Blick des Mannes sehen wollen, wenn er starb.

Als für den namenlosen Attentäter schließlich die Stunde gekommen war, hatte Lusiferus geschlafen, aber er hatte sich die Aufzeichnung oft genug angesehen. (Es war nicht viel geschehen. Das Gesicht hatte aufgehört, sich zu verzerren. Die Augen waren nach hinten gerollt und langsam, leicht schielend wieder an den alten Platz zurückgekehrt, während die Vitalzeichenanzeige neben dem Bild zuerst den Herzstillstand registrierte und wenige Minuten später die Kurve für die Hirnaktivität in eine flache Linie auslief. lusiferus hätte etwas mehr Dramatik vorgezogen, aber man konnte nicht alles haben.) Er hatte den Kopf abnehmen und in Augenhöhe vor dem Kopf des Rebellenführers Stinausin wieder anbringen lassen. Nun musste ihn Stinausin tagein tagaus ansehen.

Der Archimandrit warf einen Blick auf den Kopf des Namenlosen. »Was meinst du dazu?« Er schaute wieder auf den Text, seine Lippen bewegten sich, aber er las nicht laut. Dann verzog er den Mund. »Ich bin an sich mit der Beschreibung einverstanden, dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass sich eine Spur von Kritik dahinter verbirgt.« Er schüttelte den Kopf, schloss das alte Buch und warf einen Blick auf den Einband mit dem Namen des Autors. »Nie gehört«, murmelte er.

Zumindest hatte dieser moralinsaure Intellektuelle einen Namen, dachte Lusiferus. Inzwischen störte es ihn sehr, für den Attentäter keinen zu haben. Gewiss, der Bursche war gescheitert, er hatte für sein Verbrechen teuer bezahlt, und jetzt war er tot und nur noch eine Trophäe. Aber irgendwie empfand der Archimandrit den Umstand, dass der Name nie bekannt geworden war, wie einen Triumph für den Attentäter, so als wäre sein Sieg über den Schurken nicht vollkommen, solange ihm diese kleine Information vorenthalten wurde. Er hatte Leseum bereits angewiesen, die Angelegenheit noch gründlicher zu untersuchen.

Sein Privatsekretär erschien hinter der verspiegelten Diamantfolie, die das Arbeitszimmer vom Schlafgemach trennte.

»Ja?«

»Der Marschall Lascert.«

»In zwei Minuten.«

»Jawohl.«

Lusiferus empfing den Beyonder-Marschall im Audienzraum der Hauptkampfeinheit Lusiferus VII, dem Flaggschiff seiner Flotte. (Lusiferus hielt Bezeichnungen wie ›Schlachtschiff‹, ›Flottentransporter‹ und so weiter für altmodisch und allzu alltäglich.) Er hatte das Schiff umbauen lassen, um eine standesgemäße Unterkunft zu bekommen, aber irgendwann hatten die Marinearchitekten tatsächlich zu weinen angefangen, weil ›Hohlräume‹, wie sie es nannten, die eine bestimmte Größe überschritten, das Schiff zu sehr schwächten. In Folge dessen war der Audienzraum längst nicht so weitläufig und einschüchternd geworden, wie er es sich gewünscht hätte. Er hatte einige Spiegel und mehrere Holoprojektoren einbauen lassen, um ihn größer erscheinen zu lassen, aber er wurde das Gefühl nicht los, dass die Besucher diese Illusion durchschauten. Vom Stil her hatte er sich für den Neobrutalismus entschieden: viel frei liegender Ersatzbeton und rostige Rohre. Gefallen hatte ihm vor allem der Name, vom Erscheinungsbild war er schnell wieder abgekommen.

Er betrat den Raum gleich hinter seinem Privatsekretär. Gardisten, Höflinge, Verwaltungsbeamte und Offiziere von Heer und Marine verneigten sich, als er vorüberschritt.

»Marschall.«

»Archimandrit.«

Der Beyonder-Marschall war eine Frau. Sie trug einen leichten Harnisch, der zwar blitzblank poliert war, aber dennoch so abgewetzt aussah, als würde er täglich getragen. Sie war groß und schlank und von stolzer Haltung, aber etwas zu flachbrüstig für Lusiferus’ Geschmack. Er fand kahlköpfige Frauen ohnehin abstoßend. Sie nickte ihm höflich zu und zollte seiner Stellung damit so wenig Respekt, wie es in den letzten Jahrzehnten nur Leute gewagt hatten, die ihn abgrundtief hassten oder ohnehin dem Tod geweiht waren. Er wusste nicht, ob er die Geste erfrischend finden oder als Beleidigung werten sollte. Hinter ihr standen zwei höhere Offiziere in blitzenden Plattenpanzern, Jajuejein in der Standardkonfiguration, in der sie aussahen wie Steppenläufer und dem Marschall höchstens bis an die Taille reichten. Er hatte den Verdacht, dass man die Frau geschickt hatte, weil sie wie er ein Mensch war; das Oberkommando der Beyonder bestand nämlich fast ausschließlich aus Nichtmenschen.