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Er nahm Platz. Seine Sitzgelegenheit war nicht unbedingt ein Thron, aber doch ein imposanter Sessel auf einem Podest. Der Beyonder-Marschall musste stehen.

»Sie wollten eine Unterredung, Marschall Lascert.

»Ich spreche im Namen des Übertritts, der Wahrhaft Freien und der BiAllianz. Wir wollen uns schon seit längerem mit Ihnen unterhalten«, begann der Marschall sanft. Eine tiefe Stimme für eine Frau. »Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu diesem Treffen bereit erklärt haben.«

»Es ist mir ein Vergnügen. Nun denn. Wie steht es an Ihrem Ende unseres kleinen Krieges? Natürlich nach Ihren letzten Informationen.«

»Soweit wir wissen, läuft alles gut.« Wieder lächelte der Marschall. Die Lichter spiegelten sich auf ihrem kahlen Schädel. »Sie selbst eilen, wie man hört, von Sieg zu Sieg.«

Er winkte ab. »Der Widerstand ist eher schwach«, sagte er. »Wann wollte Ihre Hauptflotte am Rand des Ulubis-Systems eintreffen? In einem weiteren Jahr?«

»In etwa.«

»Das ist um einiges später, als wir geplant hatten.«

»Die Invasionsflotte ist groß. Es hat eine Weile gedauert, sie zusammenzustellen.« Lusiferus versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihre unausgesprochene Kritik ihn kränkte, und dabei zugleich den Eindruck zu vermitteln, was sie denke, sei für ihn nicht weiter von Belang.

Sie waren tatsächlich im Verzug. Er hatte seinen – derzeitigen  – Verbündeten persönlich zugesagt, die Invasion könnte ein volles halbes Jahr früher stattfinden, als es nun möglich zu sein schien. vermutlich war es seine Schuld, wenn von Schuld die Rede sein konnte. Er hielt seine Flotte lieber zusammen, anstatt die Schiffe je nach Geschwindigkeit aufzuteilen und erst für die eigentliche Invasion wieder zu formieren. Seine Admiräle und Generäle hatten ihm immer wieder erklärt (wenn auch nicht allzu energisch, sie wussten schließlich, was gut für sie war), es bräuchten nicht alle Teile der Flotte ständig beisammen zu sein, aber Lusiferus bevorzugte diese Strategie. Seine Streitmacht wirkte damit geschlossener, imposanter, einfach ordentlicher und irgendwie auch gefälliger.

Für die Beyonder bedeutete die Verzögerung, dass sie mehr als erwartet dafür verantwortlich waren, das Ulubis-System ›sturmreif zu schießen‹. Auf diese Weise hätte die Invasionsflotte leichteres Spiel, und die – hoffentlich stark dezimierten – Streitkräfte der Beyonder wären gegenüber seiner Masse von Schiffen in der schwächeren Position.

»Dennoch«, sagte Lascert, »könnte es sein, dass Ihre Vorauseinheiten bereits in diesem Moment zuschlagen.«

»Schon seit einer Weile sind automatische Kundschafter/ Warnschiffe und Drohnen für Hochgeschwindigkeitsangriffe dorthin unterwegs oder bereits in Stellung gebracht«, erklärte Lusiferus. »Man sollte immer auf alle Eventualitäten gefasst sein. Einige Einheiten mussten umprogrammiert werden, aber sie sollten in den ersten Phasen des Aufweichungsprozesses ihren Zweck erfüllen.« Er lächelte und beobachtete, wie sie auf seine durchsichtigen Diamantzähne reagierte. »Ich halte es für sehr nützlich, ein wenig Panik zu verbreiten, Marschall. viel Panik ist noch besser. wenn die Leute lange genug darunter gelitten haben, werden sie jede Macht willkommen heißen, die der Unsicherheit ein Ende macht, so groß der Widerstand zuvor auch gewesen sein mag.«

Auch der Marschall lächelte, aber es sah so aus, als müsse sie sich dazu überwinden. »Natürlich. Und wir hielten den Moment für günstig, uns eingehender über Ihre Strategie nach dem Eintreffen vor Ulubis zu unterhalten.«

»Ich gedenke das System einzunehmen, Marschall.«

»Gewiss. Es könnte natürlich sein, dass es gut verteidigt wird.«

»Das erwarte ich sogar. Deshalb habe ich eine so große Flotte mitgenommen.«

Sie befanden sich zwischen den Systemen weit draußen in der leeren Wildnis, im Fast-Nichts, knapp ein Jahr von Ulubis entfernt. Der schnelle Kreuzer der Beyonder und seine Eskorte aus zwei Zerstörern hatten sich nur wenige Stunden vorher mit seiner eigenen Flotte getroffen, sie hatten abrupt gewendet und mit einer Eleganz und Schnelligkeit ihre Geschwindigkeit angepasst, die seine eigenen Offiziere vor Neid erblassen ließ. Schöne Schiffe, kein Zweifel. Nun, sie hatten die Schiffe, und er hatte die Systeme; vielleicht kam man auf dieser Basis noch einmal ins Geschäft. Nun waren die drei schnellen Schiffe in eine Flotte von mehr als tausend Schiffen eingebettet, die sich vergleichsweise mühsam vorankämpften.

»Darf ich offen sprechen, archimandrit?«

Er sah sie mit seinen tiefroten Augen lange an. »Das erwarte ich sogar.«

»Wir haben Bedenken, was die mögliche Zahl von zivilen Opfern angeht, sollte Ulubis allzu aggressiv angegriffen werden.«

Wie kommt sie nur auf diese Idee?, dachte Lusiferus und lachte in sich hinein.

Er sah seinen Privatsekretär und seine Generäle und Admiräle an. »Marschall«, sagte er dann begütigend, »wir werden das System angreifen. Und wir werden einmarschieren.« Er lächelte breit und sah auch seine Admiräle und Generäle grinsen. »Finden Sie nicht, dass Aggressivität … dabei ganz wesentlich ist?«

Der eine oder andere seiner Lamettaträger lachte leise auf. Da hieß es immer, es sei schlecht, seine Untergebenen so in Angst und Schrecken zu halten, dass sie nicht wagten, einem schlechte Nachrichten zu überbringen, und immer lachten, wenn man selbst lachte (und so weiter). Man verliere dadurch den Anschluss an das wirkliche Geschehen. Aber wenn man es richtig anstellte, stimmte das nicht. Man musste nur entsprechend scharf beobachten. Manchmal lachten alle, manchmal nur einige, und manchmal brauchte man nur zu sehen, wer sich still verhielt, und wer Laut gab, um sehr viel mehr zu erfahren, als wenn man die Leute aufforderte, den Mund aufzumachen und die Wahrheit zu sagen. Es war wie ein Code, der sich entschlüsseln ließ. Und er hatte das Glück, auf diesem Gebiet ein Naturtalent zu sein.

»Sowohl Aggressivität als auch Augenmaß sind erforderlich, Archimandrit«, sagte der Marschall. Wir wissen natürlich, dass Sie über beides verfügen.« Sie lächelte. Er lächelte nicht zurück. »Wir wollten nur die Zusicherung, dass Ihre Truppen sich so verhalten, dass sie Ihr Lob und Ihren Ruhm mehren.«

»Lob?«, fragte der Archimandrit. »Ich verbreite Schrecken, Marschall. Das ist meine Strategie. Ich habe festgestellt, dass die Leute damit am schnellsten und zuverlässigsten begreifen, was für sie wie für mich gut ist.«

»Dann denken Sie an die Nachwelt, archimandrit.«

»Der Nachwelt zuliebe soll ich Gnade walten lassen?«

Der Marschall überlegte kurz. »Letztlich ja.«

»Ich werde das System so erobern, wie ich es für richtig halte, Marschall. Wir sind zwar Partner, aber Sie können mir nicht vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe.«

»Das will ich auch gar nicht, Archimandrit«, sagte der Marschall schnell. »Ich akzeptiere, was Sie tun müssen, ich äußere nur eine Bitte hinsichtlich der Art und Weise, in der es geschieht.«

»Und ich habe Ihre Bitte zur Kenntnis genommen und werde sie gebührend beherzigen.« Diese Phrase hatte Lusiferus einmal gehört – er wusste nicht mehr von wem und wo – und bei genauerer Überlegung war sie ihm sehr geeignet erschienen. Besonders, wenn man sie etwas großspurig vortrug: langsam, gemessen sogar, und mit so unbewegtem Gesicht, dass das Gegenüber glaubte, man nähme es ernst und sich womöglich sogar Hoffnungen machte, man würde ihm die Bitte erfüllen, anstatt sie – bestenfalls – zu ignorieren. Schlimmstenfalls  – soweit es das Gegenüber betraf – würde man genau das Gegenteil tun, nur um den anderen zu ärgern und ihm ganz deutlich zu zeigen, dass man sich nicht herumkommandieren ließ … Das konnte allerdings heikel werden; irgendwann versuchten die Leute womöglich, einen zu manipulieren, indem sie so taten, als würden sie das Gegenteil vorziehen. Und selbst ohne diese Komplikation änderte man sein Verhalten, weil irgendjemand sich so oder so geäußert hatte. Damit räumte man anderen eine gewisse Macht über das eigene Handeln ein. Und dabei hatte alles, was der Archimandrit tat, nur einen Zweck: niemand sollte sagen können, er hätte irgendwie Macht über ihn.