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»Y’sul, gestern sind zweihundert von meinen Leuten ums Leben gekommen. wenn nicht mehr. Ich möchte …«

»Ja, ja, ja, aber …«

»Wenn keine Satelliten mehr da sind, muss ich vielleicht ein Signal direkt nach ’glantine schicken«, sagte Hatherence. In diesem Augenblick öffnete sich in einer Wand eine hohe Tür, und ein Dweller in Amtstracht streckte seinen Rand heraus.

»Ich werde euch jetzt empfangen«, sagte der Administrator der Stadt.

Das Amtszimmer des Administrators war riesig, es hatte die Ausmaße eines kleinen Stadions und war von Holoschirm-Arbeitsplätzen gesäumt. Fassin zählte etwa hundert von diesen Stationen, aber nur wenige waren mit zumeist jungen Dwellern besetzt. Es gab keine Fenster, aber die Decke bestand aus Diamantplättchen, und die meisten Abschnitte ließen sich beiseite schieben, so dass der Raum zum rasch dunkler werdenden Himmel hin offen war. Schwebelampen hüpften auf und ab und übergossen sie mit weichem gelbem Licht, als sie dem Administrator zum abgesenkten Audienzbereich im Zentrum des riesigen Saales folgten.

»Du bist schwanger!«, rief Y’sul. »Wie entzückend!«

»Das höre ich andauernd«, sagte der Administrator verdrossen. Dweller waren in Ermangelung eines besseren Begriffs mehr als neunundneunzig Prozent ihres Lebens männlich und wechselten nur in die weibliche Form über, um schwanger zu werden und zu gebären. Weiblich zu werden und ein Junges zu gebären galt als gesellschaftliche Pflicht; die Tatsache, dass diese Verpflichtung besonders ehrenvoll war, machte sie in der Ethik der Dweller einmalig. Sie leistete einen massiven Beitrag zum Kudos-Guthaben und übte in jedem Fall eine gewisse sentimentale Anziehungskraft auf alle bis auf die eingefleischtesten Misanthropen dieser Gattung aus (statistisch gesehen etwa dreiundvierzig Prozent). Dennoch war der Zustand ohne Zweifel auch belastend, und nur sehr wenige Dweller ertrugen ihn, ohne wortreich darüber zu klagen.«

»Ich selbst habe immer wieder einmal daran gedacht, weiblich zu werden!«, sagte Y’sul.

»Das Erlebnis wird überschätzt«, erklärte der Administrator. »Besonders ärgerlich ist es, wenn man eine Einladung zum bevorstehenden Krieg hatte und jetzt wohl moralisch verpflichtet ist, sie abzulehnen. Bitte, sucht euch eine Grube.«

Sie schwebten zu einer Reihe von Vertiefungen im Audienzbereich und ließen sich vorsichtig darin nieder.

»Ich hoffe auch, in den Krieg ziehen zu können!«, rief Y’sul vergnügt. »Oder zumindest ganz in die Nähe. Ich war eben bei meinem Schneider, um mir die neueste und modernste Konflikttracht anmessen zu lassen.«

»Tatsächlich?«, sagte der Administrator. »Wer ist denn dein Schneider? Meiner ist eben in den Krieg gezogen.«

»Doch nicht etwa Fuerliote?«, rief Y’sul.

»Derselbe!«

»Das war auch der meine!«

»Der beste überhaupt.«

»Unbedingt.«

»Nun musste ich zu Deystelmin gehen.«

»Taugt er denn etwas?«

»Nun jaaa«, y’sul bewegte seinen Doppeldiskus skeptisch hin und her. »Man gibt die Hoffnung nie auf. Man könnte sagen, vor dem Spiegel macht er sich nicht schlecht, aber kann er seine Ideen auch in einen schmeichelhaften Schnitt umsetzen? Das ist die Frage, die man sich stellen muss.«

»Ich weiß«, nickte der Administrator. »Und er ist auf dem Sprung, als Junioroffizier auf einem Panzerschiff anzuheuern!«

»Nicht einmal das! Als Matrose!«

»Nein!«

»Doch!«

»Was für ein Abstieg für eine so angesehen Persönlichkeit!«

»Ich weiß, aber ein raffinierter Schachzug. Als Matrose einzusteigen, bevor das Anwerbungsfenster noch richtig offen ist, macht Sinn. Der Effekt der qualmenden Uniform.«

»Ach ja! Natürlich!«

Fassin versuchte, sich mit einem Räuspern bemerkbar zu machen, aber ohne Erfolg.

Der Effekt der qualmenden Uniform?, lichtflüsterte der Colonel.

Wie einem Toten die Schuhe auszuziehen, erklärte Fassin. – Interne Beförderungen finden erst statt, wenn die Feindseligkeiten begonnen haben. Wenn der Schneider Glück hat, wird sein Panzerschiff schwer beschädigt und verliert ein paar Offiziere, und dann wird er doch noch Offizier. Wenn er wirklich Glück hat, bringt er es auf diese Weise bis zum Admiral.

Hatherence überlegte. – Würde ein Schneider, wie angesehen auch immer, unbedingt einen guten Admiral abgeben?

– Wahrscheinlich wäre er nicht schlechter als der, den er ersetzte.

Das Problem war, dass für die Dweller alle Berufe im Grund Hobbys und alle gehobenen Positionen nur Scheinämter waren. Der Schneider, über den Y’sul und der Administrator so angeregt schwatzten, hätte es eigentlich nicht nötig gehabt, als Schneider zu arbeiten, er hatte nur festgestellt, dass er für diese Beschäftigung (oder, was wahrscheinlicher war, für den Klatsch und Tratsch, der untrennbar damit verbunden war) eine gewisse Eignung besaß. Er nahm Kunden an, um sein Kudos zu mehren, und die Kudos-Stufe erhöhte sich direkt proportional zur Macht der Leute, für die er schneiderte. So konnte jemand in einer einflussreichen Zivilposition auch dann zum Vorzugskunden werden, wenn er an sein Amt durch eine Lotterie, ein undurchschaubar kompliziertes Rotationssystem oder die altbewährte Methode der Zwangsverpflichtung gekommen war. Posten wie der des Administrators einer Stadt wurden nach all diesen und noch anderen Verfahren vergeben, abhängig davon, in welchem Band und welcher Zone das Amt zu besetzen war oder auch nur, um welche Stadt es sich handelte. Der Administrator pflegte sich für die ehrenvolle Behandlung zu revanchieren, indem sie in Gesprächen mit den richtigen Leuten ganz nebenbei von ihrem berühmten und kudosreichen Schneider schwärmte.

Y’sul besaß offensichtlich genügend eigenes Kudos, um sich die Dienste dieses Alpha-Ausstatters leisten zu können. wer in der Hackordnung weiter unten stand, hätte einen Schneider mit weniger guten Beziehungen beschäftigt oder sich seine Kleidung einfach kostenlos bei der Kommune besorgt, was in diesem Fall so viel bedeutete wie ›von der Stange‹. Im Allgemeinen verstand man darunter kudosfreie Massenprodukte, auf die man ein Anrecht hatte, weil man Dweller war … und in diese Kategorie fiel so ziemlich alles bis hinauf zum Raumschiff.

Fassin hatte allerdings einige Dweller-Raumschiffe gesehen und fand, dass die Methode ›stell ausreichend viele her und verschenke sie dann‹ durchaus ihre Nachteile hatte.

»Weißt du«, sagte Y’sul gerade, »meine Bewerbung um den Status eines Junioroffiziers ruht schon seit Jahrhunderten und wurde diesmal nicht einmal erwähnt. Als einfacher Matrose anzuheuern, mag erniedrigend sein, aber wenn es zu Opfern kommt, könnte es sich gewaltig auszahlen.«

»Gewiss, gewiss«, sagte der Administrator und heftete ihren Blick auf den Colonel. »Was ist das?«

»Eine Oerileithe, ein Klein-dweller«, sagte Y’sul. Es klang fast stolz.

»Du meine Güte! Doch wohl kein kind?«

»Man darf sie auch nicht essen. Ich habe gefragt.«

»Sehr erfreut«, sagte der Colonel so würdevoll, wie sie konnte. Offenbar begegneten die Dweller einer Oerileithe mit noch weniger Respekt, als Fassin – und vermutlich auch der Colonel selbst – erwartet hatten. Die Oerileithe hatten sich erst vor relativ kurzer Zeit ganz unabhängig von der riesigen und unsagbar alten Masse des galaktischen Dwellertums entwickelt und wurden folglich von ihren altehrwürdigeren Gasriesenmitbewohnern als Zwischending zwischen einem lästigen Kollektivanhängsel und einem Haufen unverschämter Planeteneroberer betrachtet.

»Und das ist wohl der ›Langsamen‹-Seher.« Der Administrator warf einen kurzen Blick auf Fassins Gasschiff, bevor sie den Blick wieder auf Y’sul richtete. »Müssen wir seinetwegen langsamer reden?«