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»Fassin, was für eine Information könnte ein solches Vorgehen rechtfertigen?«

»Eine wichtige Information.«

»Genauer?«

»Eine sehr wichtige Information.«

»Mehr willst du mir nicht sagen.«

»Ich will nicht, und ich kann nicht. Je weniger du weißt, desto besser.«

»Nun rede schon.«

»Wenn ich der Meinung wäre, dich mit Einzelheiten überzeugen zu können, würde ich dich ja einweihen«, log Fassin.

Er sprach mit einem Dweller namens Setstyin. Setstyin bezeichnete sich gerne als ›Einflusshändler‹, ein sehr schlichter Ausdruck für jemanden, der über Verbindungen in die höchsten Kreise verfügte. Die Dweller-Gesellschaft war von der Sozialhierarchie her auffallend flach – flach wie die Oberfläche eines Neutronensterns verglichen mit den schroffen Höhen der ungeheuerlich barocken Merkatoria-Rangordnung –, aber insoweit es in dieser Gesellschaft ein Oben und ein Unten gab, war der Suhrl Setstyin mit beiden in Kontakt.

Er organisierte Feste und arbeitete in Teilzeit als Sozialarbeiter, machte Krankenbesuche und war ein Freund aller Mächtigen und aller Guten, soweit diese beiden Kategorien bei den Dwellern von Bedeutung waren; er war kontaktfreudig, vereinstauglich und interessierte sich aufrichtig für seine Mitwesen, sogar noch mehr als für sein Kudos (ein sehr ungewöhnlich, sogar befremdlicher und beinahe bedrohlicher Zug). Ein Mensch hätte ihn irgendwo zwischen einem komischen Kauz und einem coolen Typen angesiedelt. Komischer Kauz deshalb, weil er sich bizarrerweise nicht für das Einzige interessierte, was nach Meinung aller anderen wirklich wichtig war: sein Kudos. Und cooler Typ aus dem gleichen Grund, denn sich nicht um Kudos zu kümmern – nicht zwanghaft daran zu denken, ihm nicht nachzujagen, wo immer es zu finden sein mochte, sich nicht ständig mit allen anderen coolen Typen messen zu müssen – das allein war schon cool. Solange es nicht den Schatten eines Verdachtes gab, dass er irgendein abgefahrenes Täuschungsmanöver abzog und nur den Gleichgültigen spielte, um damit umso mehr Kudos einzuheimsen, solange man in seinem mangelnden Interesse die ungekünstelte Sorglosigkeit des weisen Narren sah, war er kudosreich, aber in einer Weise, um die ihn seltsamerweise niemand beneidete.

(Slovius hatte Fassin einst als Erster erklärt, was es mit dem Kudos auf sich hatte. Fassin hatte zunächst gedacht, es hätte Ähnlichkeit mit Geld. Slovius hatte widersprochen. Auch das Geld habe nicht mehr den gleichen Stellenwert wie früher, dennoch sei Kudos in manchen Fällen fast das Gegenteil davon. Je schwerer man sich sein Kudos verdient habe, desto weniger sei es wert.)

Setstyin war auch einer der vernünftigsten, ausgeglichensten Dweller, die Fassin jemals kennen gelernt hatte. Selbst als ein schlichter Mensch ihn aus dem Bett holen ließ und verlangte, dass er sich beeilte und ans Telefon käme, hatte er auf dieses Ansinnen mit einer Würde und einem Ernst reagiert, wie sie kaum ein anderer Dweller aufgebracht hätte.

Fassin hatte sich bei Hatherence unter dem Vorwand entschuldigt, sein menschliches Gehirn und sein Körper brauchten Schlaf, und sein Pfeilschiff müsse Reparaturarbeiten ausführen und Energien aufladen, und sich in den langen Speichenraum in Y’suls Haus zurückgezogen, den man ihn zugewiesen hatte. Es war eher ein dunkler, staubiger Gang, in dem stapelweise abgelegte Kleider herumlagen. An den Wänden standen uralte Schränke, und der Fußboden war übersät mit Gemälden und zerknitterten Wandbehängen, die niemand mehr haben wollte. Allerdings waren auch eine Doppelbettgrube für Dweller und eine mit Baumschaum ausgekleidete Garderobennische vorhanden, so dass man von einem Schlafzimmer sprechen konnte. Nicht dass Fassin oder sein Gasschiff so etwas gebraucht hätten.

Fassin hatte die Tür geschlossen und mit den Akustiksinnen seines kleinen Pfeilschiffs ein abnehmbares Deckenpaneel ausfindig gemacht. Dann war er durch das Doppeldach in die windige und relativ dunkle Nacht hinausgeschwebt.

Wie alle Dweller-Städte lag Hauskip in einer der historisch ruhigen Stellen innerhalb seines Atmosphäreabschnitts, dennoch herrschte in den Städten so etwas wie Wetter. Es gab Druckunterschiede, Böen, Nebel, Regen, Schnee, Winde von allen Seiten, steigende und fallende Luftströmungen, seitlich wirkende und Drehkräfte, je nach der Beschaffenheit des Gasstroms. Durchgeschüttelt von mäßig starken Winden, halb verborgen von dickeren Gasfetzen, die durch den Schein der Nachtbeleuchtung jagten, war Fassin über die schimmernden Dächer geflogen.

Der Verkehr war nicht allzu dicht gewesen – zumeist bewegte er sich innerhalb der Stäbe und Speichen, mit denen die Hauptkomponenten der Stadt verbunden waren – aber in der Ferne rotterten ein paar Dweller, und es waren so viele kleine Schiffe – meistens Paketzulieferer – unterwegs, dass Fassin gute Chancen hatte, nicht aufzufallen.

Tief unten flackerten Blitze auf.

Fassin hatte ein zentimeterdickes Wellenleiterkabel gefunden und war ihm zu einem verlassenen öffentlichen Platz gefolgt, der wie eine riesige leere Schüssel unter der matten Straßenbeleuchtung lag. Dort hatte er eine öffentliche Bildschirmzelle gefunden.

Setstyin befand sich ebenfalls im Äquatorialband, aber auf der anderen Seite des Planeten. vielleicht hatte Fassin deshalb gehofft, er wäre um diese Zeit wach, aber Setstyin hatte am Abend zuvor eine besonders rauschende Party gegeben und schlief sich nun aus. Dweller konnten viele Tage ununterbrochen wach bleiben, aber wenn sie schliefen, nahmen sie sich dafür ausreichend Zeit. Fassin hatte Setstyins Diener geradezu beschworen, seinen Herrn zu wecken, und auch dann hatte es eine Weile gedauert, bis Setstyin an den Apparat kam. Er sah angeschlagen aus und seine Stimme klang belegt, aber irgendwo in den Tiefen seines Innern war er offenbar doch wach.

»Und was soll ich denn nun deiner Meinung nach tun?«, fragte Setstyin und kratzte sich mit einem Randärmchen die Kiemenfransen. Er trug einen leichten Schlafkragen um die Mittelnabe, das Minimum, um den Anstand zu wahren, wenn man mit jemandem telefonierte, der weder ein enger Freund, noch ein Verwandter war. Dweller stellten ganz unbefangen ihre Mundpartien und die Lustorgane an der Inneren Nabe zur Schau, aber besonders im Umgang mit einem Alien war man auf Schicklichkeit bedacht. »Mit wem soll ich reden, Fassin, und was soll ich sagen?«

Ein Windstoß schüttelte das Pfeilschiff, die Flügelräder schnurrten, um es an Ort und Stelle zu halten, während Fassin in die Kamera schaute. »Geh so weit nach oben wie möglich, und überzeuge möglichst viele Personen möglichst diskret davon, dass tatsächlich eine Gefahr besteht. Lass den Leuten Zeit zu entscheiden, wie sie sich verhalten wollen, wenn es zu einem Angriff kommt. Es könnte ratsam sein, ihn einfach geschehen zu lassen. Keinesfalls angebracht wäre es, einen unüberlegten Gegenschlag zu führen und damit irgendeinen geisteskranken ›Schnellen‹ zu provozieren, Atombomben auf eine oder mehrere Städte zu werfen, nur um euch eine Lektion zu erteilen.«

Setstyin schien verwirrt. »Und wem würde das nützen?«

»Bitte vertrau mir einfach – ›Schnellen‹-Spezies sind imstande, so etwas zu tun.«

»Du möchtest also, dass ich mit Politikern und Vertretern des Militärs rede?«

»Richtig.« Politiker und Militärs waren in der Dweller-Gesellschaft ebenso Amateure und Dilettanten wie begabte Schneider oder begeisterte Party-Geber wie Setstyin – wenn auch vielleicht nicht ganz so engagiert – aber man musste, überlegte Fassin, mit dem arbeiten, was zur Hand war.

Setstyin sah ihn nachdenklich an. »Sie werden einer Invasion nicht tatenlos zusehen.«

Das war vermutlich richtig, dachte Fassin. Aber eine Invasion im eigentlichen Sinn des Wortes wäre auch nicht möglich. Die Ulubis-Streitkräfte hatten keine Aussicht, ein Volumen von der Größe Nasquerons oder eines anderen Gasriesen zu besetzen, selbst wenn er von einer von Natur aus friedfertigen, unterwürfigen und leicht einzuschüchternden Spezies bewohnt wäre anstatt von, nun ja, den Dwellern. Den Planeten mitsamt den Dwellern kontrollieren zu wollen wäre ähnlich, wie in eine Sonne zu pissen. Die Gefahr bestand darin, dass die Dweller, wenn die Merkatoria einen Angriff flog, um ein bestimmtes Volumen so lange zu sichern, bis sie die gesuchte Information aufgestöbert hatte, genauso reagieren würden, als erlebten sie eine ausgewachsene Invasion. Es schien Teil der Dweller-Psychologie zu sein, dass etwas, das eine Reaktion verdiente, erst recht eine Überreaktion verdiente, und Fassin wollte sich lieber nicht ausmalen, was das für alle Beteiligten bedeuten könnte.