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»Warum schalten sie nicht einfach den verdammten Propeller ab?«, schrie der Colonel. Die Brücke, an der sie hingen, befand sich von der Knollennase aus gesehen über dem letzten Fünftel des Riesenschiffs, einem Ellipsoid, das etwas mehr als zwei Kilometer lang und an der dicksten Stelle vierhundert Meter durchmaß. Die vierundzwanzig riesigen Triebwerke ragten dicht vor dem Heck aus dem Rumpf, ein monumentaler Kragen aus Masten und Drähten, röhrenförmigen Propellergehäusen und runden Triebwerksgondeln. Der Wind pfiff um Hatherences Schutzanzug und Fassins Pfeilschiffchen.

»Wahrscheinlich würden sie dann zu langsam werden!«, schrie Fassin zurück.

Der Captain des Panzerkreuzers hatte die Steuerbordtriebwerke auf ein Viertel Energie gesetzt, damit die Reparaturen nicht allzu viele Opfer unter den Sklavenkindern forderten. Die mächtigen Steuerruder an dem achtförmigen Leitwerk gleich hinter den Triebwerken waren so gestellt, dass sie ein Abdriften zur Seite verhinderten.

Durch eine kleine Lücke in den Wolken entdeckte Fassin wenige Kilometer entfernt einen Geleitkreuzer. Sie waren mit vielen weiteren Panzerkreuzern und deren kleineren Begleitschiffen Teil einer hundert Kilometer breiten und dreißig Kilometer tiefen Front. Ein Sklavenkind, das fast am Ziel angelangt war, verlor den Halt, wurde vom Rotorflügel geschleudert und krachte mit einem leisen Aufschrei von innen gegen das Schutzgehäuse. Der Schrei riss sofort ab, der schlaffe Körper wurde vom Sog der Propeller erfasst und nach hinten gewirbelt, wo er einem Zusammenstoß mit dem Leitwerk nur knapp entging. Das kind verschwand hinter einer senkrecht aufragenden Flosse. Als es wieder in Sicht kam, versank es bereits in langsamen Spiralen in der Wolkenschicht unter ihnen. Keiner der Dweller in den Jollen verschwendete einen zweiten Blick darauf. Die noch verbliebenen Sklavenkinder schoben sich zu Dutzenden weiter über die Riesenflügel.

Fassin sah den Colonel an. »Hoppla!«, sagte er.

Sie waren auf der Fahrt ins Kriegsgebiet.

Ein TunnelWagon – nein, zwei TunnelWagons, der zweite wurde für Y’suls Gepäck, die zusätzliche Kleidung und Scholisch benötigt – hatte sie von Y’suls Haus zum Hauptbahnhof gebracht. Dort bestiegen sie einen Fernzug aus etwa neunzig Wagons, der sie zwanzigtausend Kilometer weit zur Grenze zwischen Zone Null – der Äquatorzone – und Band A beförderte. Y’sul klagte fast die ganze Fahrt lang über seinen Kater.

»Sie wollen in ihrer derzeitigen Form seit zehn Milliarden Jahren existieren und haben noch immer kein wirksames Mittel gegen einen Kater gefunden?«, hatte Hatherence irgendwann ungläubig gefragt.

Sie hatten in einem Speisewagon schwebend darauf gewartet, dass die Küche die genaue chemische Zusammensetzung von Oerileithe-Speisen herausfände.

Y’suls dumpfe Stimme war aus dem Innern eines durchsichtigen Overalls gekommen, den die Dweller an Stelle einer dunklen Sonnenbrille trugen: »Das Leiden an den Folgen gehört ebenso wesentlich zu einem Fest wie die Klage darüber. Und, wie man hinzufügen sollte, wie das Mitgefühl, das man von seiner Umwelt empfängt.«

Der Colonel hatte ihn skeptisch angesehen. »Ich dachte, Sie spüren keinen Schmerz?«

»Keinen physischen Schmerz, nein. Unser Schmerz ist psychisch und beruht auf der Erkenntnis, dass die Welt in Wirklichkeit nicht so großartig ist, wie sie uns am Abend zuvor erschien, und dass man sich womöglich zum Narren gemacht hat. Und so weiter. Ich erwarte nicht, dass ein Klein-dweller das versteht.«

Sie hatten den Zug in Nuersotse verlassen, einer Kugelstadt, die in mittlerer Höhe in den brodelnden Wolken am Nordrand des Äquatorgürtels schwebte. Nuersotse hatte nur knapp dreißig Kilometer im Durchmesser, was für eine Dweller-Stadt relativ kompakt war, außerdem hatte man beim Bau Wert auf Stabilität und Wendigkeit gelegt. Von hier starteten ungefähr im Stundentakt Konvois von Hochgeschwindigkeitsschiffen, sooft eines der Bandgrenzenräder in die Nähe kam.

Den Bandwechsel hatten sie auf dem Bandgrenzenrad Eins zwischen Nuersotse und Guephuthen vollzogen, einer mächtigen rotierenden Gelenkkonstruktion mit einem Durchmesser von zweitausend Kilometern an der Grenzlinie von zwei Atmosphärebändern. Die gewaltige Masse reichte in jedes Band tausend Kilometer weit hinein und wurde von den gegenläufig rotierenden Gasströmen in Bewegung gehalten. Bandgrenzenräder waren in den meisten Gasriesen die größten beweglichen Konstruktionen, die es überhaupt gab, wenn man die globusumspannenden WolkenTunnel-Netzwerke nicht mitrechnete. Die bewegten sich schließlich nur insoweit, als sie wie alles andere innerhalb eines Planetenbandes mit der banalen Geschwindigkeit von ein paar hundert Stundenkilometern um den Globus fegten. Für einen Dweller war das so gut wie stationär.

Bandgrenzenräder rotierten dagegen tatsächlich und beförderten mit minimalen Turbulenzen und relativ sicher Transportfahrzeuge und Frachten von einem Band zum anderen. Ein weiterer Vorteil war, dass sie mit den Antriebswellen an ihren Achsen Elektrizität in großen Mengen produzierten. Die Wellen ragten oben und unten aus den riesigen, halbkugelförmigen Naben hervor, die am unteren Rand mit Mikrowellenschüsseln mit Durchmessern von mehreren hundert Metern besetzt waren. Diese wurden auf sinnverwirrende Geschwindigkeiten beschleunigt und strahlten die dabei erzeugte Energie zu einem äußeren Sammelring aus ähnlich großen stationären Schüsseln ab, von wo sie in große angedockte Akkumulatorenträger geleitet wurde.

Bei ihrer Ankunft waren das Rad und die Stadt von den Ausläufern eines kleinen grenzübergreifenden Sturms gestreift worden, aber beide wurden so schnell wie möglich aus dessen Bahn gebracht. vom Planeten selbst bis zu Fassins Zähnen schien alles zu vibrieren, als das turbulenzfeste Transferschiff die Reisenden in ihren Kapseln von der WolkenTunnelstation zum Rad beförderte. Die Triebwerke arbeiteten auf Hochtouren, der Wind kreischte, Ammoniakhagel prasselte nieder, Blitze zuckten und etliche von Y’suls Gepäckstücken und Ausrüstungsgegenständen begannen unter dem Einfluss von Magnetfeldern zu summen, zu zischen und Funken zu sprühen.

Im Innern des Rades war es ihnen dagegen vergleichsweise ruhig vorgekommen, obwohl sie an den inneren Rand gepresst und wie in einer riesigen Zentrifuge herumgeschleudert wurden und sich beim Überqueren der Scherströmung an der Grenze von Zone und Gürtel fühlten, als säßen sie auf einem bockenden Pferd.

Der Sturm hatte Guephuthe schwerer getroffen als Nuersotse. Der äußere Äquatorring der Stadt drehte sich hektisch, Teile der peripheren Vororte und der weniger sorgfältig gewarteten Viertel lösten sich und fielen ab wie ein Haufen Splitter. Das Transferschiff, das sie geradewegs zu einem Rangierbahnhof für TunnelWagons außerhalb der eigentlichen Stadt brachte, musste jähe Haken schlagen, um den Trümmern auszuweichen. Ein Bündel ausgefranster Kabel schwankte langsam im Wind hin und her wie eine riesige Anemone.

Eine weitere WolkenTunnelfahrt von mehreren tausend Kilometern durch die Weiten von Gürtel A, die Nördliche Tropische Hochebene und ein zweiter – diesmal ruhigerer – Rad-Transfer nach Zone Zwei schlossen sich an. Als sie die Mittellinie der Zone überquerten, gewann der militärische endlich die Oberhand über den zivilen Verkehr. wagons und Züge voll gepackt mit Menschen, Vorräten und Ausrüstung waren auf dem Weg in den Krieg.

In Tolimundarni am Rand der eigentlichen Kriegszone waren sie von Militärpolizisten aus dem Zug geworfen worden. Die Soldaten hatten sich von Y’suls wortreichen und schon vorsorglich mit flammender Empörung vorgetragenen Argumenten nicht umstimmen lassen. Diese Mission – nein, diese Suchaktion – habe oberste Priorität und sei von höchster Stelle angeordnet worden. Er begleite diese – ja, diese beiden – berühmten und einflussreichen Aliens, es handle sich um hoch geehrte Gäste, bekannt und berühmt im ganzen System und über alle Speziesgrenzen hinweg. Sie seien in einer Angelegenheit von größter Tragweite unterwegs, aber mehr könne er leider selbst so offensichtlich wichtigen Angehörigen der Streitkräfte nicht verraten, obwohl er von ihrer Diskretion natürlich überzeugt sei. Gewiss würden sie dennoch die Bedeutung ihrer Mission verstehen und einsehen, dass sie Anspruch auf freie Passage hätten. Schließlich seien sie Persönlichkeiten von gutem Geschmack, mit einem feinen Gespür für natürliche Gerechtigkeit, Dweller, die sich in keiner Weise davon beeinflussen ließen, dass ihre Kooperation mit einem Kudos-Zuwachs in geradezu unfassbarer …