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Cardenas tippte den Eintrittscode ein, und die Stahltür öffnete sich einen Spalt weit. Sie schlüpfte in die abgedunkelte Kammer und schloss die schwere Tür, indem sie sich mit ihrem Gewicht dagegen lehnte. Mit einem Stoßseufzer änderte sie den Zugangscode an der Wand-Schalttafel und verschloss die Tür für jeden, der eventuell hereinwollte. Sie müssten die Tür schon aufbrechen, sagte sie sich, und das würde einige Zeit dauern.

Bis sie die Tür aufgebrochen haben, bin ich tot.

Dan träumte von der Erde. Es war ein konfuser beunruhigender Traum. Er nahm an einer Segelregatta teil und lief mit vielen anderen Booten vor dem Wind. Die Tropensonne brannte ihm auf Schultern und Rücken, während er mit einer Hand die Ruderpinne packte. Der Boots-Computer richtete die Segel nach jeder Änderung der Windrichtung aus.

Das Boot pflügte durchs Wasser, und mit einem Mal saß Dan am Steuer eines Autos und raste mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch einen mörderisch dichten Verkehr. Dan wusste nicht, wo er sich befand; auf jeden Fall war es die Ausfallstraße einer Stadt. Die zwölf Spuren waren mit Autos und Bussen verstopft, und über der Straße flogen große Luftschiffe. Die Fahrzeuge bliesen Unmengen Rauch und Abgase in den schmutziggrauen, düsteren Himmel. Etwas stimmte nicht mit der Klimaanlage des Autos; Dan saß auf einmal wie auf glühenden Kohlen. Er wollte das Fenster öffnen, bis er sich bewusst wurde, dass die Fenster zubleiben mussten. Es gibt draußen keine Luft, sagte er sich und wusste zugleich, dass das lächerlich war, denn er befand sich nicht im Weltraum, sondern auf der Erde und würgte, hustete und drohte zu ersticken.

Er wachte hustend und mit Panchos plärrender Stimme im Ohr auf. »Füll den Rückentornister auf, Boss! Du hast kaum noch Luft.«

Schwärze. Er sah nichts. Im ersten Moment verspürte er einen Anflug von Panik, doch dann beruhigte er sich wieder. Er war im Asteroiden begraben. Zeit, den Sauerstofftank des Rückentornisters aufzufüllen. Im Dunklen. Durch Tasten.

»Ich helfe dir«, sagte Pancho.

Dan spürte sie neben sich. Das Geröll geriet knirschend in Bewegung. Etwas stieß ihm gegen die Seite.

»Ups. Entschuldigung.«

Dan stieß die Hand durch das körnige Material und tastete nach den Zylindern.

»Ich habe den Schlauch«, sagte er.

»Gut, in Ordnung. Danach hatte ich gesucht.«

»Getastet, meinst du.«

»Was auch immer. Gib ihn mir.«

Dan spürte ihre Hand an seiner Seite. »Ich schaffe das schon«, sagte er.

»Lass es mich lieber machen«, sagte Pancho. »Du bist müde, und durch Müdigkeit wird man unachtsam und macht vielleicht sogar Fehler.«

»Ich bin in Ordnung.«

»Sicher. Aber lass es mich trotzdem machen, ja? Müde Astronauten leben nicht lang.«

»Und nachts ist es kälter als draußen«, nuschelte er und schob ihr das Ende des Schlauchs in die Hand.

»Dreh noch nicht auf«, sagte Pancho. »Ich will nicht, dass Dreck oder Staub die Luft verunreinigt.«

»Schon klar«, knurrte er.

Es schien Stunden zu dauern. Dan versuchte ein Husten zu unterdrücken, aber die Luft im Anzug wurde immer dicker und verursachte ihm Schmerzen in der Brust. Vorm geistigen Auge stellte er alte Pantomimen-Szenen nach, während er und Pancho blind mit dem Luftschlauch hantierten und gegenseitig die Anzugstanks auffüllten. Sie füllten Dans Rückentornister zuerst auf, und nach einer Minute vermochte er wieder tief durchzuatmen, ohne ein Kratzen im Hals zu verspüren.

Nachdem sie Panchos Rückentornister aufgefüllt hatten, hörte er sie tief einatmen. »Die beste Dosenluft im ganzen Sonnensystem«, sagte sie fröhlich.

»Wie spät ist es? Wie lang müssen wir noch warten?«

»Ich schau mal… siebeneinhalb Stunden.«

»So lang sind wir schon hier unten?«

»Nee, so lang müssen wir noch hier ausharren«, antwortete Pancho.

»Noch siebeneinhalb Stunden?«

Pancho lachte. »Du klingst wie ein Kind auf dem Rücksitz eines Autos.«

Er hüstelte verlegen. »Ich bin ein ziemlicher Jammerlappen gewesen, stimmt's?«, sagte er dann mit einem zerknirschten Grinsen.

»Ein bisschen.«

Ein neuer Gedanke schoss Dan durch den Kopf. »Woher wollen wir nach den vierzehn Stunden denn wissen, ob die Strahlung sich wirklich so weit abgeschwächt hat, dass wir zum Schiff zurückkehren können?«

»Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Ich werde die Teleskopantenne durch die Geröllschicht schieben und eine Verbindung zum Schiff herzustellen versuchen. Dann wird es ein Kinderspiel sein, die Instrumente des Schiffs abzulesen.«

»Angenommen, die Kommunikationssysteme des Schiffs sind durch die Strahlung zerstört worden?«

»Unwahrscheinlich.«

»Falls doch?«

Pancho seufzte. »Dann muss ich den Kopf hinausstecken und sehen, was die Anzugsensoren anzeigen.«

»Wie in einem alten Western«, sagte Dan. »Den Kopf hinausstecken und schauen, ob auf einen geschossen wird.«

»He Boss, du hast wirklich eine Menge von Buffalo Bill gelernt, was?«

So spät nachts war nur eine Person mit der Überwachung des Kameranetzwerks von Selenes Sicherheitsdienst beschäftigt. Der Diensthabende war ein kräftiger ehemaliger Londoner Polizist mit lichtem Haar. Er hatte sämtliche Ersparnisse darin investiert, mit seiner Frau auf den Mond auszuwandern und ein angenehmes Pensionärsdasein in milder Gravitation zu führen. Jedoch hatte dieses Pensionärsdasein ihn schließlich so gelangweilt, dass er sich bei Selenes Personalabteilung um eine Stelle — zur Not auch Teilzeit — beworben hatte.

Die Uniform, in die sie ihn gesteckt hatten, machte nicht viel her; es handelte sich nur um einen aufgepeppten Overall mit einem Hoheitsabzeichen an der linken Schulter und einem Namensschild über der Brusttasche. Immerhin hatte er nun für drei Nächte pro Woche seine Ruhe und die Gelegenheit, sich die Videos anzuschauen, die seine Frau immer beanstandete — und dabei hatte er auch noch das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Er hatte sich gemütlich auf dem gepolsterten Drehstuhl zurückgelehnt, derweil die zwanzig Bildschirme, die in einem Halbkreis um den Tisch angeordnet waren, die Ansichten von Selenes paar hundert Überwachungskameras übertrugen. Das heißt, nur neunzehn Bildschirme zeigten die Kameraaufnahmen; auf dem Bildschirm in der Mitte wurde das Football-Match in Vancouver live übertragen. Die Lautstärke war natürlich heruntergeregelt.

Der Computer erledigte die eigentliche Arbeit. Die Jungs im Hauptbüro programmierten den Computer mit einer langen Liste von Dingen, die als fragwürdig oder schlicht illegal galten. Wenn der Computer eine solche Aktivität entdeckte, gab er Alarm und meldete Ort und Art des Vorkommnisses.

Als es vier Minuten vor Spielende immer noch unentschieden stand, summte der verdammte Computer.

Die Wache runzelte verärgert die Stirn. Der Zentralmonitor wurde kurz dunkel und zeigte dann aus der Vogelperspektive eine Frau, die durch ein Labor ging. UNAUTORISIERTE PERSON blinkte in roten Lettern am unteren Bildschirmrand.

Es dauerte ein paar Minuten, bis der Computer alle Informationen ausgespuckt hatte, und dann rief die Wache den Sicherheitschef an. Er weckte ihn mit der Nachricht, dass Dr. Kris Cardenas das Nanotech-Labor betreten hätte. Der Chef grummelte und schaute die Wache schlaftrunken an. Schließlich bequemte er sich zu einer Erwiderung: »Danke. Ich werde jemanden runterschicken.«

Dann legte er auf, und die Wache schaltete wieder zum Football-Match zurück. Es ging in die Verlängerung.

Zuflucht

Dan vermochte einfach nicht einzuschlafen. Pancho hatte versucht, eine Verbindung mit Amanda und Fuchs herzustellen, die aber nicht zustande kam.

»Muss heiß hergehen da draußen«, sagte sie.