Выбрать главу

»Kris, es ist nicht Ihre Schuld.« Stavengers Stimme drang nur gedämpft durch die schwere Stahltür, aber sie hörte die Dringlichkeit trotzdem heraus. »Kommen Sie raus und reden Sie mit mir.«

Sie erhob sich vom Hocker und ging zum Probenbereich am Ende der Bank. Dort stand ein Becher aus glänzendem Mond-Aluminium. Er war halb voll mit Wasser und enthielt die Nanomaschinen, mit denen sie sich umbringen wollte.

»Kris«, rief Stavenger, »Sie haben sich der Entwicklung der Nanotechnik verschrieben. Werfen Sie nicht alles weg. Geben Sie ihnen nicht noch einen Grund, Nanomaschinen als Killer zu bezeichnen.«

Sie nahm den Becher und hielt ihn in beiden Händen. Ich vermag mit dieser Schuld nicht zu leben, sagte sie sich. Ich habe einen Mord begangen. Ich habe vier Menschen getötet.

»Das wird man nämlich sagen«, rief Stavenger durch die geschlossene Tür. »Sie wissen das. Man wird sagen, dass Nanomaschinen den Pionier der Forschung in diesem Bereich getötet hätten. Man wird es als Beleg für die Gefährlichkeit der Nanomaschinen und für die Richtigkeit der Entscheidung werten, sie von vornherein zu ächten.«

Sie blickte auf die verschlossene Tür. Es war zwar Humphries' Idee, aber ich habe sie umgesetzt. Bereitwillig. Er hat die Fäden gezogen, und ich habe wie eine Marionette getanzt.

»Werfen Sie doch nicht Ihr Leben weg, Kris«, flehte Stavenger sie förmlich an. »Sie werden alles zerstören, wofür Sie gearbeitet haben. Sie werden ihnen den Vorwand liefern, den sie brauchen, um zurückzukommen und uns unter ihre Knute zu zwingen.«

Humphries, sagte sie sich. Mein Tod würde ihn in die Lage versetzen, die ganze Sache auf mich abzuwälzen. Seine Anwälte würden ihn rauspauken. Er käme ungeschoren davon. Mit vier Morden. Fünf, wenn man mich mitzählt.

Cardenas brachte den Becher zum Probenbereich zurück und verschloss ihn mit dem dazugehörenden Aluminiumdeckel. Als der Deckel eingerastet war, stellte sie den Becher in den Entsorgungs-Ofen und schloss die Tür. Das Innere des Ofens fluoreszierte, während die Ultraviolettlampen den Becher sterilisierten.

Wieso sollte ich für Martin Humphries sterben?, fragte sie sich. Jemand muss es ihm heimzahlen. Die Wahrheit muss ans Licht. Ich werde ihm entgegentreten, werde ihnen allen entgegentreten — was auch immer es mich kostet.

»Kommen Sie schon, Kris. Öffnen Sie die Tür.«

Cardenas wusste, dass man sie über die Überwachungskamera beobachtete. Sie ging zum Computer zurück und löschte die Botschaft. Die Zerstörung der Gobblers hat auch noch bis morgen Zeit, sagte sie sich. Fürs Erste sind sie im Ofen sicher verwahrt.

Langsam ging sie zur Tür und blieb am Tastenfeld stehen, das neben der Tür in die Wand eingelassen war.

»Doug?«, rief sie.

»Ich bin hier, Kris. Öffnen Sie bitte die Tür.«

»Es ist verrückt«, sagte sie und kam sich blöd vor, »aber ich habe die Ziffernfolge vergessen, mit der ich das Schloss zurückgesetzt hatte.«

Gedämpftes Stimmengewirr hinter der Tür. Dann meldete Stavenger sich. Er klang erleichtert. »In Ordnung, Kris. Der Sicherheitsdienst kommt mit einem Analysator. Wir werden die Tür in ein paar Minuten aufhaben.«

»Doug?«, sagte sie.

»Ja?«

»Danke.«

»Da nada«, antwortete er.

Als die Tür schließlich geöffnet wurde, wunderte Cardenas sich darüber, wie ruhig sie war. Erst im Angesicht des Todes hatte sie entdeckt, dass sie stark genug zum Weiterleben war.

Auf dem Korridor draußen drängten sich Männer und Frauen in den Overalls des Sicherheitsdiensts, ein halbes Dutzend ihrer Nanotech-Mitarbeiter, weißgekleidete Sanitäter und Doug Stavenger.

»Sind Sie in Ordnung?«, fragte Stavenger besorgt.

Ein Lächeln stahl sich in Cardenas' Gesicht. »Jetzt ja«, sagte sie.

Tod

»Komm schon, Boss, wach auf!«

Panchos Stimme war gedämpft und entfernt. Dans Augen waren verklebt und verquollen, und er musste sie förmlich aufreißen. Er wollte sie sich reiben, aber die Hände waren noch immer im Geröll des Asteroiden vergraben.

»Dan! Wach auf!«

Er hörte die Dringlichkeit in ihrer Stimme.

»Ja. In Ordnung…« Der Magen drehte sich ihm schier um.

»Der Strahlungslevel ist fast wieder auf den Normalwert gesunken«, sagte Pancho. »Bist du in Ordnung?«

»Sicher«, log er. Er fühlte sich zu schwach, sich zu bewegen und war auch so matt, dass es ihn überhaupt nicht interessierte.

»Es wird Zeit, hier zu verschwinden.« Sie grub sich durchs Geröll. Dan wollte ihr helfen, aber er vermochte kaum die Arme zu bewegen. Er wollte einfach nur schlafen. Dann spielte der Magen plötzlich verrückt, und eine Woge der Übelkeit schlug über ihm zusammen.

»Wir sind wieder im Freien«, ertönte Amandas Stimme in seinem Helmlautsprecher.

»Hier muss mir jemand helfen«, erwiderte Pancho. »Dan geht es nicht gut.«

Dan versuchte mit aller Macht zu vermeiden, dass er sich übergab. Ich muss auf die Toilette, sagte er sich. Ich will nicht den Anzug vollkotzen. Selbst in diesem elenden Zustand lachte er in einem Winkel des Bewusstseins über sich. Darauf läuft es am Ende also hinaus. Deine ganzen Fähigkeiten und Leistungen sind keinen Pfifferling mehr wert. Es kommt nur noch darauf an, sich nicht zu übergeben und die Kontrolle über den Darm zu verlieren.

Er spürte, wie jemand hektisch über ihm scharrte und wie er dann von starken Armen hochgehoben und aus dem mit Geröll angefüllten Tunnel gezogen wurde. Es war Fuchs. Er zog aber zu heftig, sodass sie beide vom Asteroiden abhoben und auf einer spiralförmigen Bahn ins All abtrieben. Dan sah die Starpowver I durch sein Blickfeld fliegen, und dann kam ihm unaufhaltsam die Galle hoch. Er übergab sich und verteilte den Mageninhalt im Kugelhelm. Der Gestank war überwältigend. Er stöhnte und erbrach sich erneut.

»Halte durch, Boss«, sagte Pancho. »Ich hole dich.«

Dan glaubte zu hören, dass noch jemand sich übergab.

Er schwankte zwischen Bewusstsein und Bewusstlosigkeit. So kriegen sie einen also dran, sagte er sich. Sie setzen einem so zu, dass man den Tod förmlich herbeisehnt. Er schloss die Augen und versuchte nicht zu atmen. Er verspürte das dringende Bedürfnis, sich das Gesicht zu waschen, aber unter diesen Umständen war das natürlich unmöglich.

»In Ordnung, die Schleuse durchläuft den Zyklus«, hörte er Pancho sagen.

»Bringt ihn rein.« Das war Amanda.

»Legt ihn in seine Koje.«

»Ja. Vorsichtig.«

Er wagte es nicht, die Augen zu öffnen. Dann hörte er Pancho sagen: »Ihr zieht ihm den Anzug aus. Ich muss mal schau'n, welchen Schaden der Sturm an den Schiffs-Systemen angerichtet hat.«

Nach einer Weile spürte er, dass ihm etwas Kühles und Weiches übers Gesicht fuhr. Dan öffnete nun doch die Augen und sah ein verschwommenes Abbild von Amanda über sich gebeugt. Fuchs war neben ihr. Sie beide schauten besorgt und düster.

»Wie fühlen Sie sich?«, fragte Amanda.

»Lausig«, krächzte er.

»Wir sind unterwegs«, sagte Fuchs. »Pancho beschleunigt auf ein drittel G.«

»Das Schiff ist in Ordnung?«

»Ein paar Sensoren wurden durch die Strahlung beschädigt«, sagte Fuchs. »Die Kommunikationsausrüstung wurde ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Der Fusionsreaktor funktioniert aber einwandfrei.«

»Die Nanobots sind nicht bis zum Supraleiter des MHD-Generators vorgedrungen?«, fragte Dan. Er sprach die Worte mit letzter Kraft.

»Nein, er scheint völlig in Ordnung zu sein«, antwortete Fuchs. »Gott sei Dank«, fügte er dann hinzu.

Wir sind auf dem Heimweg, sagte Dan sich und schloss die Augen. Auf dem Heimweg.

»Bis Sie ihn hier einliefern, wo er die entsprechende medizinische Versorgung erhält«, sagte der Chefarzt von Selenes Institut für Radiologie, »können Sie nicht mehr für ihn tun, als ihm Chelation-Pillen und Antioxidantien zu verabreichen, die Sie ihm ohnehin schon gegeben haben.«