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Nach ein paar Minuten lösten sie sich voneinander. Amanda war außer Atem.

Fuchs strahlte wie tausend Laser. »Wir müssen es Pancho sagen«, rief er und sprang auf. »Und Dan!«

Lachend ergriff er Amandas Arm, als sie sich erhob. Er ließ ihr den Vortritt beim Durchgang durch die Luke und folgte ihr auf dem Fuß.

»Pancho, Lars hat mir einen Heiratsantrag gemacht!«

Pancho drehte sich auf dem Kommandantensitz halb um und grinste sie an. »Wurde auch Zeit«, sagte sie. »Ich hatte mich schon gefragt, wann ihr beiden endlich zur Sache kommt.«

»Wir müssen es Dan sagen!«

Pancho nickte. Sie überflog die Instrumententafel und sah, dass die Systeme des Schiffs ordnungsgemäß funktionierten. Dann stand sie auf und ging mit ihnen zurück.

»Die Trauung sollte hier stattfinden, damit ihr offiziell verheiratet seid, wenn wir nach Selene zurückkehren«, sagte sie.

»Ach! Würdest du uns trauen?«

»Ist der Kapitän eines Raumschiffs überhaupt berechtigt, eine Ehe zu schließen?«, fragte Fuchs.

»Müsste er eigentlich sein«, sagte Pancho achselzuckend.

Sie erreichten Dans Kabine und schoben die Faltenbalg-Tür vorsichtig zurück. Dan lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken. Die untere Hälfte seines Körpers war mit einem Schweißfilm überzogen.

»Er schläft«, sagte Amanda.

Dan schlug die Augen auf. »Wie soll ein kranker Mann denn bei dem Terz schlafen, den ihr veranstaltet?«, sagte er mit kaum mehr als einem Flüstern.

Amanda schlug die Hände vors Gesicht. Fuchs setzte zu einer Entschuldigung an.

Dan gebot ihm mit einer matten Geste zu schweigen. »Wenn es euch gelingt, eine Funkverbindung aufzubauen, könntet ihr jemanden auf der Erde bitten, die Trauung durchzuführen.«

»He, das stimmt«, sagte Pancho.

Dan leckte sich die rissigen, ausgetrockneten Lippen und fragte: »Soll der Papst in Rom euch vermählen? Ich habe ein paar Verbindungen. Oder wie wär's mit dem Erzbischof von Canterbury?«, fügte er mit einem Blick auf Amanda hinzu.

»Ein Priester in Selene tut es auch«, sagte Amanda leise.

»Ich verstehe«, sagte Dan. »Ihr habt es eilig.«

Fuchs wurde rot.

»Ich möchte der Brautführer sein«, sagte Dan.

»Sicher. Schön«, sagte Pancho. »Ich werde die Verbindung herstellen.« Sie ging zur Brücke zurück.

Trotz einer zwölfminütigen Zeitverzögerung zwischen dem Schiff und Selene dauerten die Vorbereitungen für die Hochzeit länger als die Zeremonie selbst. Amanda und Fuchs standen an Dans Koje, Pancho hinter ihnen. Sie hatten weder Blumen noch festliche Kleidung außer den Overalls, die sie trugen. Der Priester erschien auf dem Wandbildschirm gegenüber von Dans Koje. Er war der Pastor der ökumenischen Kapelle von Selene und Lutheraner: ein asketisch dünner, junger Deutscher mit so blondem Haar, dass es fast schon weiß wirkte. Amanda sah, dass er in seinem Büro war und nicht in der Kapelle. Darauf kam es aber nicht an, sagte sie sich. Er zelebrierte den kurzen Ritus in englischer Sprache und — trotz der Zeitverzögerung — mit großer Würde.

»Nehmt Ihr zwei den jeweils anderen zu eurem rechtmäßig angetrauten Ehegatten?«, fragte der junge Priester.

»Ich will«, sagte Fuchs wie aus der Pistole geschossen.

»Ich will«, sagte Amanda.

Sie warteten die sechs Minuten, die ihre Antwort zum Priester unterwegs war — wobei sie wie auf glühenden Kohlen saßen — und noch einmal sechs Minuten, bis seine Worte bei ihnen eintrafen.

»Dann erkläre ich Euch hiermit zu Mann und Frau«, sagte er schließlich. »Herzlichen Glückwunsch. Sie dürfen die Braut nun küssen.«

Amanda drehte sich zu Fuchs um, und sie umarmten sich. Pancho dankte dem Priester und unterbrach die elektronische Verbindung. Der Wandbildschirm wurde dunkel.

Sie drehten sich zu Dan um, der in der Koje lag.

»Er ist eingeschlafen«, flüsterte Amanda und schaute auf sein verschwitztes T-Shirt. Die Brust schien sich nicht mehr zu heben und zu senken.

Fuchs beugte sich über die Koje und drückte zwei Finger gegen Dans Halsschlagader.

»Ich fühle keinen Puls«, sagte er.

Pancho ergriff Dans Handgelenk. »Kein Puls«, bestätigte sie.

»Ist er tot?«, fragte Amanda mit Tränen in den Augen.

Fuchs nickte stumm.

Leben

Pancho schlug das Herz bis zum Hals, und nicht nur wegen der höheren Schwerkraft der Erde. Die vierteljährliche Vorstandssitzung der Astro Corporation würde gleich beginnen. Würde man Dans Wunsch entsprechen und sie in den Vorstand wählen? Und was, wenn sie es taten? Was verstehe ich denn schon von der Leitung eines großen Unternehmens? fragte sie sich.

Nicht viel, gestand sie sich ein. Aber wenn Dan glaubte, dass ich dazu imstande sei, dann sollte ich es zumindest versuchen.

Sie beobachtete die anderen Vorstandsmitglieder, die sich um die Anrichte des luxuriösen Konferenzraums versammelt hatten. Sie schenkten sich Drinks ein und delektierten sich an Kanapees. Sie wirkten alle alt, würdevoll und stinkreich. Die Frauen trugen teure Kleidung und üppigen Schmuck. Pancho kam sich schäbig vor in ihrem besten Hosenanzug und mit dem schlichten Schmuck, der aus einer Halskette und Ohrgehängen aus Mond-Aluminium bestand.

Man ignorierte sie. Die Vorstände fanden sich in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich mit gedämpfter Stimme — ein Flüstern war es nicht, aber sie erweckten durchaus den Anschein von Leuten, die die Köpfe zusammensteckten. Man schaute nicht einmal in ihre Richtung, und doch hatte Pancho das Gefühl, dass alle nur über sie redeten.

Nicht einmal die pummelige orientalische Frau im feuerroten Kleid sprach sie an. Sie muss doch wissen, wie es ist, ein Außenseiter zu sein, sagte Pancho sich. Aber sie bleibt auf Distanz wie all die anderen.

Martin Humphries betrat das Vorstandszimmer. Er war mit einem himmelblauen Anzug bekleidet. Pancho ballte die Fäuste. Falls er in Trauer wegen Dan ist, verbirgt er es geschickt, sagte sie sich. Niemandem ist etwas anzumerken.

Humphries begrüßte die Leute mit einem Kopfnicken, sagte ›Hallo‹ und machte Smalltalk, während er an der Anrichte vorbei auf Pancho zuging. Er warf einen Blick aus dem großen Fenster über der Anrichte und schien beim Anblick des Meers vorm Fenster fast zusammenzuzucken. Dann drehte er sich um und kam auf Pancho zu. Humphries blieb etwa einen Meter vor ihr stehen und musterte sie spöttisch von Kopf bis Fuß.

»Glauben Sie im Ernst, dass wir einem texanischen Mechaniker einen Sitz in diesem Vorstand einräumen würden?«

Pancho unterdrückte das Bedürfnis, ihm eine zu scheuern und sagte gepresst: »Das werden wir bald schon sehen, nicht wahr?«

Pancho sah, dass er Schuhe trug, die größer machten; und doch überragte sie ihn noch um ein paar Zentimeter.

»Ich frage mich nur«, sagte sie mit einem Blick in seine eisgrauen Augen, »wie es möglich ist, dass ein verurteilter Mörder weiterhin im Vorstand geduldet wird.«

»Ich bin nicht wegen Mordes verurteilt worden«, blaffte Humphries mit gesenkter Stimme.

Pancho zuckte leicht die Achseln. »Aber man hat Sie für schuldig befunden, den Tod von Dan Randolph verursacht zu haben, nicht wahr?«

»Ich habe mich der fahrlässigen Tötung schuldig bekannt. Das war die Vereinbarung, die die Anwälte für mich getroffen hatten.«

»Das Gericht von Selene war viel zu nachsichtig mit Ihnen. Ich hätte Sie aufgeknüpft. Aber nicht am Hals.«

»Man hat mich gezwungen, meine Anteile an Starpower herzugeben«, knurrte er. »Ich musste mein Drittel an den Staat abtreten!«

»Jeweils eine Hälfte an Selene und an Astro«, korrigierte Pancho ihn. »Sie werden sogar noch mit Dans Leiche Geld machen, und zwar aus den Gewinnen, die Astro einfahren wird.«