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«Ah!», murmelte er wieder. «Man fragt sich.» Er hustete. «Man hat Gerüchte gehört.»

«Die Dame», sagte Monsieur Caux, «ist berüchtigt.»

«Und», murmelte Poirot sanft, «sehr teuer.»

Van Aldin war sehr rot geworden. Er beugte sich vor und knallte die Faust auf den Tisch.

«Mein Schwiegersohn», schrie er, «ist ein verdammter Schurke!»

Er funkelte sie an, sah von einem Gesicht zum anderen.

«Ach, ich weiß nicht», fuhr er fort. «Gutes Aussehen und eine charmante, lockere Art. Anfangs bin ich auch darauf hereingefallen. Hat wahrscheinlich so getan, als ob ihm das Herz bricht, als Sie ihn über den Tod meiner Tochter informiert haben — das heißt, wenn er es nicht schon gewusst hat.»

«Es war durchaus eine Überraschung für ihn. Er war überwältigt.»

«Verdammter Heuchler», sagte Van Aldin. «Hat Ihnen die große Trauer vorgespielt, was?»

«N-nein», sagte der Kommissar vorsichtig. «Das würde ich nicht gerade sagen — wie, Monsieur Carrege?»

Der Richter legte die Fingerspitzen aneinander und schloss die Augen halb.

«Schock, Verblüffung, Entsetzen — so etwas, ja», sagte er überlegt. «Große Trauer — nein — das möchte ich nicht sagen.»

Hercule Poirot ergriff wieder das Wort.

«Gestatten Sie mir die Frage, Monsieur Van Aldin, ob Monsieur Kettering vom Tod seiner Frau profitiert?»

«Er profitiert in der Größenordnung von zwei Millionen», sagte Van Aldin.

«Dollar?»

«Pfund. Ich habe Ruth bei ihrer Heirat diese Summe vorbehaltlos überschrieben. Sie hat kein Testament gemacht und hinterlässt keine Kinder, also geht das Geld an den Gatten.» «Von dem sie sich gerade scheiden lassen wollte», murmelte Poirot. «Ah ja — preasement.»

Der Kommissar drehte sich zu ihm um und sah ihn scharf an.

«Meinen Sie etwa.?», begann er.

«Ich meine gar nichts», sagte Poirot. «Ich sortiere die Fakten, das ist alles.»

Der kleine Mann stand auf.

«Ich glaube nicht, dass ich Ihnen augenblicklich weiter dienlich sein kann, Monsieur le Juge», sagte er höflich mit einer Verbeugung vor Carrege. «Würden Sie mich über den weiteren Gang der Dinge auf dem Laufenden halten? Das wäre sehr liebenswürdig.»

«Aber gewiss — selbstverständlich.»

Auch Van Aldin erhob sich.

«Brauchen Sie mich im Moment noch?»

«Nein, Monsieur, wir haben alle Informationen, die wir im Augenblick benötigen.»

«Dann möchte ich ein bisschen mit Monsieur Poirot spazieren gehen. Das heißt, wenn er nichts dagegen hat.»

«Ich bin entzückt, Monsieur», sagte der kleine Mann mit einer Verbeugung.

Van Aldin zündete sich eine dicke Zigarre an, nachdem er Poirot eine angeboten hatte, der jedoch ablehnte und eine seiner winzigen Zigaretten ansteckte. Van Aldin, ein Mann von sehr starkem Charakter, war schon wieder ganz er selbst. Schweigend gingen sie einige Minuten, dann sagte der Millionär:

«Wenn ich das richtig verstanden habe, Monsieur Poi-rot, üben Sie Ihren Beruf nicht mehr aus?»

«So ist es, Monsieur. Ich genieße die Welt.»

«Trotzdem helfen Sie der Polizei in dieser Angelegenheit?» «Monsieur, wenn ein Arzt auf der Straße spazieren geht und ein Unfall sich ereignet, sagt er dann: <Ich praktiziere nicht mehr, ich spaziere weiten, wenn zu seinen Füßen jemand verblutet? Wenn ich schon in Nizza gewesen wäre und die Polizei nach mir geschickt und gefragt hätte, ob ich ihnen helfe, dann hätte ich abgelehnt. Aber diesen Fall hat mir sozusagen der liebe Gott aufgetragen.»

«Sie waren dabei», sagte Van Aldin nachdenklich. «Sie haben das Abteil untersucht, nicht wahr?»

Poirot nickte.

«Zweifellos haben Sie Dinge gefunden, die Ihnen, sagen wir, bedeutsam erscheinen?»

«Vielleicht», sagte Poirot.

«Ich hoffe, Sie wissen, worauf ich hinauswill?», sagte Van Aldin. «Die Schuld dieses Comte de la Roche scheint mir vollkommen klar zu sein, aber ich bin kein Trottel. Ich habe Sie die vergangene Stunde beobachtet und stelle fest, dass Sie aus irgendeinem Grunde nicht mit dieser Theorie übereinstimmen.»

Poirot zuckte mit den Schultern.

«Vielleicht irre ich mich.»

«Dann lassen Sie uns zu dem Gefallen kommen, um den ich Sie bitten möchte. Wollen Sie in dieser Sache für mich tätig werden?»

«Für Sie persönlich?»

«Genau so meine ich das.»

Poirot schwieg einige Augenblicke, dann sagte er:

«Wissen Sie, was Sie da verlangen?»

«Ich glaube schon», sagte Van Aldin.

«Sehr gut», sagte Poirot. «Ich nehme an. Aber in diesem Fall brauche ich freimütige Antworten auf meine Fragen.»

«Ja, natürlich. Das ist klar.»

Poirot wurde plötzlich ein anderer: sachlich im Ton und geschäftsmäßig.

«Diese Scheidungssache», sagte er. «Haben Sie Ihrer Tochter dazu geraten?»

«Ja.»

«Wann?»

«Vor ungefähr zehn Tagen. Sie hatte mir einen Brief geschrieben, in dem sie über das Verhalten ihres Gatten klagte, und ich habe ihr ganz deutlich klargemacht, dass Scheidung das einzige Heilmittel ist.»

«Inwiefern hat sie über sein Verhalten geklagt?»

«Er ließ sich mit einer sehr berüchtigten Dame blicken, über die wir vorhin gesprochen haben — Mirelle.»

«Die Tänzerin. Aha! Und Madame Kettering war damit nicht einverstanden? Hatte sie ihren Mann sehr gern?»

«Das eigentlich nicht», sagte Van Aldin ein wenig zögernd.

«Dann hat also nicht ihr Herz gelitten, sondern ihr Stolz — könnte man das so sagen?»

«Ja, das könnte man wohl.»

«Die Ehe war von Anfang an nicht sehr glücklich?»

«Derek Kettering ist verdorben bis ins Mark», sagte Van Aldin. «Er ist unfähig, eine Frau glücklich zu machen.»

«Er ist also das, was man in England a bad lot nennt.»

Van Aldin nickte.

«Tres bien! Sie raten Madame, sich scheiden zu lassen, sie stimmt zu. Sie konsultieren Ihre Anwälte. Wann erfährt Monsieur Kettering von den Dingen, die da im Busch sind?»

«Ich selbst habe ihn zu mir kommen lassen und ihm dargelegt, was ich zu unternehmen beabsichtigte.»

«Und was hat er gesagt?»

Van Aldins Gesicht verdüsterte sich bei der Erinnerung.

«Er war teuflisch dreist.»

«Entschuldigen Sie die Frage, Monsieur, aber hat er den Comte de la Roche erwähnt?»

«Nicht namentlich», knurrte der andere widerwillig, «aber er hat gezeigt, dass er von der Affäre wusste.»

«Wie war, wenn ich fragen darf, Monsieur Ketterings finanzielle Lage zu dieser Zeit?»

«Wieso meinen Sie, ich könnte das wissen?», fragte Van Aldin nach kurzem Zögern.

«Ich halte es für wahrscheinlich, dass Sie hierzu Erkundigungen angestellt haben.»

«Na ja — Sie haben ganz Recht, das habe ich getan. Ich habe festgestellt, dass Kettering blank war.»

«Und jetzt hat er zwei Millionen Pfund geerbt! La vie ist schon recht seltsam, nicht wahr?»

Van Aldin blickte ihn scharf an.

«Was meinen Sie damit?»

«Ich moralisiere», sagte Poirot, «ich reflektiere, ich philosophiere. Aber zurück zum Thema. Monsieur Kettering war doch sicherlich nicht bereit, sich so ohne weiteres scheiden zu lassen?»

Van Aldin schwieg einen Augenblick, dann sagte er:

«Ich weiß nicht genau, was er vorhatte.»

«Haben Sie sich danach nicht mehr mit ihm unterhalten?»

Wieder schwieg Van Aldin kurz und sagte dann:

«Nein.»

Poirot blieb stehen, lupfte den Hut und reichte dem Millionär die Hand.