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Krack, krack. Corso, der immer noch die Neun Pforten in der Hand hielt, legte den Scheck wie ein Lesezeichen zwischen die Seiten und blies ein imaginäres Staubkorn von dem Buch, bevor er es Varo Borja zurückgab.

»Sie haben vor kurzem behauptet, daß sich mit Geld alles kaufen läßt - dann probieren Sie es doch selbst. Gehen Sie zu den Besitzern und halten Ihren Kopf hin.«

Er drehte sich um und ging auf die Tür zu, wobei er sich fragte, wieviel Schritte er wohl tun würde, bevor er die Stimme des Antiquars vernahm. Es waren drei.

»Das ist nichts für Männer der Feder«, sagte Varo Borja, »sondern für Männer des Degens.«

Seine Stimme klang verändert. Sie hatte jetzt nichts mehr von der arroganten Selbstsicherheit und von der Verachtung für einen Söldner an sich, dessen Dienste man sich kaufte. Auf einem Dürer-Holzschnitt an der Wand schlug ein Engel hinter gerahmtem Glas sanft mit den Flügeln, während Corsos Schuhe sich langsam auf dem schwarzen Marmorboden drehten. Vor den gerammelt vollen Bücherschränken und dem vergitterten Fenster mit Blick auf die Kathedrale, inmitten all der Dinge, die für Geld zu haben waren, stand Varo Borja da und blinzelte bestürzt mit den Augen. Seine Miene wirkte immer noch überheblich, und die Finger einer Hand trommelten sogar, mechanisch und geringschätzig, auf den Deckel des Buches. Aber Lucas Corso hatte lange vor diesem glorreichen Moment gelernt, eine Niederlage in den Augen eines Menschen zu erkennen. Und die Angst.

Sein Herz pochte ruhig und zufrieden, während er wortlos zu Varo Borja zurückging. Als er vor ihm stand, zog er den Scheck, der zwischen den Seiten herausragte, aus dem Buch, faltete ihn sorgfältig zusammen und steckte ihn in die Tasche. Dann nahm er die Neun Pforten und das Dossier an sich.

»Sie hören von mir«, sagte er.

Er wußte, daß der Würfel gefallen war, daß er in einem gefährlichen Strategiespiel auf das erste Feld vorgerückt war und nun nicht mehr zurückkonnte. Aber er hatte Lust zu spielen. Er stieg die Treppe hinunter und ließ das Echo seines eigenen trockenen, durch die zusammengebissenen Zähne ausgestoßenen Lachens zurück. Varo Borja hatte sich geirrt. Es gab Dinge, die nicht mit Geld zu kaufen waren.

Die Treppe führte in einen Innenhof mit Steinbrunnen und Marmorlöwen. Ein schmiedeeisernes Tor trennte diesen Patio von der Straße. Vom Tajo stieg eine unangenehme Feuchtigkeit herauf, die Corso unter dem Mudejar-Torbogen innehalten ließ, um sich den Mantelkragen hochzuschlagen. Dann ging er die schmalen, stillen Gassen entlang bis zu einem kleinen Platz, auf den sich eine Bar mit Bistrotischen hin öffnete, gesäumt von ein paar kahlen Kastanienbäumen und dem Glockenturm einer Kirche. Er suchte sich ein Fleckchen in der warmen Sonne aus und setzte sich an einen der Tische. Langsam kam wieder etwas Wärme in seine steifen Glieder. Zwei Gläser Gin pur, ohne Eiswürfel, trugen vollends zur Normalisierung der Situation bei. Erst dann öffnete er das Dossier über die Neun Pforten, um einen ersten Blick hineinzuwerfen. Auf zweiundvierzig maschinengeschriebenen Seiten war die gesamte Vorgeschichte des Buches dargestellt, und zwar sowohl die der mutmaßlichen Originalversion - des Delomelanicon oder Beschwörung der Dunkelheit - als auch der Fassung, die Aristide Torchia unter dem Titel Die neun Pforten ins Reich der Schatten im Jahre 1666 in Venedig gedruckt hatte. Verschiedene Anhänge enthielten Bibliographien, Fotokopien von klassischen Texten, in denen das Buch erwähnt wurde, sowie Daten über die beiden Exemplare in Sintra und Paris: Adressen der Besitzer, Restaurierungen, Erwerbsdaten. Darüber hinaus fand sich in dem Dossier eine Transkription der Prozeßakten von Aristide Torchia, einschließlich der Schilderung eines Augenzeugen, eines gewissen Gennaro Galeazzo, der das Ende des bedauernswerten Buchdruckers überlieferte:

Er bestieg das Schafott, ohne sich mit Gott versöhnen zu wollen, und schwieg hartnäckig. Als der Rauch des Feuers ihn zu ersticken drohte, riß er die Augen auf und empfahl mit einem entsetzlichen Schrei seine Seele dem Vater. Viele der Anwesenden bekreuzigten sich, weil sie glaubten, daß er im Anblick des Todes Gott um Gnade anflehe. Andere behaupteten, seine Schreie wären nicht zum Himmel, sondern zum Boden gerichtet gewesen, also zu den tiefsten Abgründen der Erde ...

Auf der andern Seite des Platzes fuhr ein Auto vorbei und verlor sich in einer der Gassen, die zur Kathedrale führten. Sein Motor war hinter der Ecke noch eine Zeitlang zu hören, als habe der Fahrer kurz angehalten und erst dann seinen Weg fortgesetzt. Aber Corso achtete kaum darauf, so war er in das Buch versunken. Die erste Seite enthielt den Titel, die zweite war weiß. Auf der dritten Seite begann mit einer schönen Initiale der eigentliche Text in Form einer verschlüsselten Einleitung:

Nos p.tens L.f.rjuv.te Stn. Blz.b, Lvtn, Elm, atq Ast.rot. ali.q, h.die ha.ems ace.tpct fo.de.is c.m t. qui no.st; et h.icpol.icem am.rem mul. flo.em virg.num de.us mon. hon v.lup et op. for.icab tr.d.o, eb.iet i.li c.ra er. No.is of.ret se.el in ano sag. sig. s.bped. cocul.ab sä Ecl.e et no.s r.gat i.sius er.t; p.ct v.v.t an v.q fe.ix in t.a hom. et ven. os. ta int. nos ma.et D:

Fa. t in infint co.s daem.

Satanas. Belzebub, Lcfr, Elimi, Leviathan, Astaroth Siqpos mag. diab. et daem. pri.cp dorn.

Nach der Einleitung, deren angeblicher Verfasser mehr als evident war, fuhr Corso fort zu lesen:

D.mine mag.que L.fr, te D.um m. et.pr ag.sco. et pol.c.or t ser.ire. a.ob.re quam.dp. vvre; et rn.io al.rum d. et js.ch.st. et a.s sn.ts tq.e s.ctas e. ec.les. apstl. et mm. et om. i sc.am. et

o.nia ips. s.cramen. et o.nes .atio et r.g. q.ib fid. pos.nt int.red. p.o me; et t.bi po.lceor q. fac. qu.tqu.t m.lum pot., et atra. ad malap. omn. Et ab.rncio chrsm. et b.ptm et omn ...

Er sah von dem Buch auf und betrachtete den Portikus der Kirche. Die Stirnbogen waren mit Darstellungen des Jüngsten Gerichts bemalt, die unter dem Einfluß der Witterung gelitten hatten. Über ihnen befand sich - oberhalb einer Säule in der Mitte des Kirchenportals - eine Nische, aus der ein erzürnter Pantokrator herniederblickte. Seine erhobene rechte Hand schien eher Strafe als Barmherzigkeit zu versprechen. Corsos Blick wanderte weiter, zum Turm der Kirche und zu den umstehenden Häusern. Auf ihren Fassaden prangten alte, bischöfliche Wappen, und er sagte sich, daß auch auf diesem Platz einst die Scheiterhaufen der Inquisition gebrannt hatten. Schließlich war das nicht irgendeine Stadt, sondern Toledo. Schmelztiegel von dämonischen Kulten, mysteriösen Initiationsriten und Scheinkonvertierten. Und von Ketzern.

Er trank einen großen Schluck Gin, bevor er sich wieder dem Buch zuwandte. Der lateinische Text in seiner abgekürzten Form nahm weitere einhundertsiebenundfünfzig Seiten in Anspruch, die letzte war leer. Auf den restlichen neun Seiten waren die berühmten Bildtafeln abgebildet, die - wollte man der Legende glauben - Luzifer höchstpersönlich vorgegeben hatte. Jeder Holzschnitt war am oberen Rand mit einer hebräischen, einer lateinischen und einer griechischen Ziffer versehen, und am unteren Rand mit einer Legende in Latein, die sich wie der Buchtext aus rätselhaften Abkürzungen zusammensetzte. Corso bestellte einen dritten Gin, während er noch einmal die Bilder betrachtete. Sie erinnerten an Tarotkarten oder an mittelalterliche Stiche: der König und der Bettler, der Eremit, der Gehängte, der Tod, der Henker. Auf der letzten Bildtafel war eine schöne Frau dargestellt, die auf einem Drachen ritt.

Zu schön für die kirchliche Moral der damaligen Zeit, dachte er bei sich.

Eine identische Abbildung fand er auf einer Seite, die aus der Bibliografia Universal von Mateu fotokopiert war - obwohl es in Wirklichkeit nicht dieselbe war. Corso hatte das Terral-Coy-Exemplar der Neun Pforten vor sich, aber der kopierte Holzschnitt wurde von dem alten Gelehrten aus Mallorca, der seine Bibliographie im Jahre 1929 verfaßt hatte, einem anderen der beiden Exemplare zugeschrieben: