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Dieser pompöse Abschied war typisch Maxwell Broadbent.

Philip rauchte und schaute den vier Soldaten zu, wie sie im vorderen Teil des Bootes mit einem schmierigen Karten-spiel zockten. Das andere Boot mit den restlichen acht Soldaten war ihnen etwa fünfzig Meter voraus und legte eine übel riechende Spur blauer Abgase über das Gewässer.

Gonz, der leitende Spurensucher, lag am Bug auf dem Bauch, stierte ins dunkle Wasser und tauchte hin und wieder einen Finger hinein, um den Geschmack zu prüfen.

Plötzlich stieß ein Soldat am Bug ihres Einbaums einen Schrei aus. Er war aufgestanden und deutete aufgeregt auf etwas, das im Wasser schwamm. Hauser zwinkerte Philip zu, sprang auf die Beine, zückte die an seine Taille ge-schnallte Machete und begab sich nach vorn. Als er sich breitbeinig am Bug aufbaute, tuckerte das Boot auf ein Tier zu. Während es nun neben dem verzweifelt schwimmen-den Tier längsseits ging, beugte er sich vor und hieb die Machete mit einer plötzlichen Bewegung ins Wasser. Dann griff er hinab und zog etwas an Bord, das wie eine siebzig Zentimeter lange Ratte aussah. Der Hieb hatte sie fast enthauptet, denn ihr Kopf hing an einem Hautfaden herab. Sie zuckte noch einmal unkontrolliert und erschlaffte.

Philip schaute mit einem vagen Schreckensgefühl zu, als Hauser ihm den Kadaver zuwarf. Er landete mit einem dumpfen Klatschen auf dem Boden. Der Kopf riss ab, rollte weiter und blieb vor Philips Füßen liegen: Das Maul stand offen, die gelben Rattenaugen leuchteten, Blut strömte heraus.

Hauser säuberte die Machete im Fluss, schob sie wieder in den Gürtel und kehrte zu Philip zurück, indem er über den Kadaver trat. Er grinste. »Schon mal Agouti gegessen?«

»Nein. Und ich hab auch nicht vor, damit anzufangen.«

»Gehäutet, ausgenommen, filetiert und auf Holzkohle gebraten war es eins von Maxwells Leibgerichten. Schmeckt fast so wie Hähnchen.«

Philip sagte nichts. Hauser behauptete dies von jeglichem Buschfleisch, das zu essen sie bisher gezwungen gewesen waren. Schmeckt wie Hähnchen.

»Ach!«, sagte Hauser, als sein Blick auf Philips Hemd fiel.

»Tut mir Leid.«

Philip blickte an sich herab. Ein einzelner Tropfen frischen Blutes hatte ihn getroffen und wurde nun vom Stoff aufge-saugt. Er wollte ihn abwischen, doch da verschmierte er ihn nur. »Ich würde es zu schätzen wissen, wenn Sie etwas vorsichtiger wären, wenn Sie mit enthaupteten Tieren um sich werfen«, sagte er, tauchte sein Taschentuch ins Wasser und versuchte, den Fleck wegzurubbeln.

»Gar nicht so einfach, im Dschungel die Hygiene aufrecht-zuerhalten«, meinte Hauser.

Philip rubbelte noch ein wenig, dann gab er es auf. Es wäre ihm lieber, Hauser würde ihn in Ruhe lassen. Der Mann wurde ihm allmählich unheimlich.

Hauser zog ein paar CDs aus der Tasche. »Und jetzt, um der sich immer mehr um sich greifenden Barbarei etwas entgegenzusetzen ... Möchten Sie lieber Bach oder Beethoven hören?«

14

Tom Broadbent fläzte sich in der Executive Suite des Shera-ton Royale de San Pedro Sula in einem dick gepolsterten Fauteuil und nahm eine Landkarte in Augenschein. Sein Vater war mit der gesamten Fracht in die an der Moskito-Küste liegende Stadt Brus Laguna geflogen, die an der Mündung des Río Patuca lag. Dort war er verschwunden.

Es hieß, er sei den Fluss hinaufgefahren - der einzige Weg durch das riesige, gebirgige und wilde Innere von Honduras.

Tom folgte der sich schlängelnden blauen Linie des Flusses auf der Landkarte mit dem Finger. Sie führte durch Sümpfe, über Hügel und Hochplateaus, bis sie sich in einem Netz von Zuflüssen verlor, die einer gezackten Linie parallel verlaufender Bergketten entströmten. Auf der Landkarte waren weder Straßen noch Ortschaften ver-zeichnet; es war wirklich ein gottverlassener Fleck Erde.

Tom hatte in Erfahrung gebracht, dass Philip ihnen mindestens eine Woche und Vernon ihnen fast zwei Wochen voraus waren. Er machte sich große Sorgen um seine Brüder. Man brauchte Mumm, zwei Polizisten schnell und erfolgreich umzubringen. Der Killer war eindeutig ein Profi gewesen. Seine Brüder standen bestimmt als nächste Opfer auf seiner Liste.

Sally kam, in ein Handtuch gewickelt, aus dem Bad und trat vor sich hin summend ins Wohnzimmer der Suite. Das nasse, glänzende Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Als sie in ihrem Schlafzimmer verschwand, folgte Tom ihr mit einem Blick. Sie war noch größer als Sarah ...

Bei diesem Gedanken hielt er jäh inne.

Zehn Minuten später war Sally wieder da: in leichtes Khaki gekleidet - ein langärmeliges Hemd, einen Leinenhut mit Moskitonetz vor dem Gesicht und stabilen Handschuhen.

All dies hatte sie heute Morgen bei einem Einkaufsbummel erstanden.

»Wie sehe ich aus?«, fragte sie und drehte sich um.

»Wie 'ne Afghanin.«

Sally schob das Moskitonetz hoch und nahm den Hut ab.

»Das ist schon besser.«

Sie warf Hut und Handschuhe aufs Bett. »Ich muss zugeben, dass ich sehr neugierig bin, was Ihren Vater angeht. Er muss ein echter Exzentriker gewesen sein.«

»War er wirklich.«

»Und wie war er sonst? Falls Sie nichts dagegen haben, wenn ich danach frage.«

Tom seufzte. »Wenn er einen Raum betrat, haben sich alle umgedreht. Er hat irgendwas ausgestrahlt - Autorität, Kraft, Zuversicht. Ich weiß nicht genau was. Die Menschen hatten Ehrfurcht vor ihm, auch wenn sie ihn gar nicht kannten.«

»Ich kenne diesen Typ.«

»Wo er auch hinkam, was er auch getan hat, die Journalisten waren ständig hinter ihm her. Manchmal warteten Pa-parazzi vor unserem Grundstück. Selbst wenn wir nur zur Schule gingen, hingen die verdammten Fotografen uns an den Fersen und jagten uns über den Old-Santa-Fe-Trail hinterher - als wären wir Prinzessin Diana oder jemand in der Art. Es war einfach lächerlich.«

»Es muss eine Last für Sie gewesen sein.«

»Es war nicht immer eine Last. Manchmal hat es sogar Spaß gemacht. Wenn unser Vater heiratete, war es immer eine Nachricht wert. Dann haben alle den Kopf geschüttelt oder mit der Zunge geschnalzt. Er hat immer extrem schöne Frauen geheiratet, von denen zuvor noch nie jemand was gehört hatte. Er stand nicht auf Mannequins oder Schau-spielerinnen. Als er meiner Mutter begegnete, hat sie am Empfang einer Zahnarztpraxis gearbeitet. Er hatte es gern, wenn man ihm Beachtung schenkte. Hin und wieder hat er einem Paparazzo aus Spaß an der Freude eine reingehauen und musste dann eine Geldstrafe zahlen. Er war stolz auf sich. Er war wie Onassis - überlebensgroß.«

»Was ist aus Ihrer Mutter geworden?«

»Sie starb, als ich vier war. Sie litt an einer seltenen und plötzlich ausbrechenden Form von Meningitis. Sie war die einzige Frau, von der er sich nicht hat scheiden lassen. Ich schätze, er hatte nicht genug Zeit dafür.«

»Tut mir Leid.«

»Ich erinnere mich kaum an sie. Ich erinnere mich nur noch an ... nun ja ... Gefühle. Herzlichkeit und Liebenswür-digkeit, so was eben.«

Sally schüttelte den Kopf. »Ich raff's noch immer nicht.

Wie konnte er Ihnen und Ihren Brüdern das antun?«

Tom richtete den Blick auf die Landkarte. »Alles, was er tat und was ihm gehörte, musste außergewöhnlich sein. So ist er auch mit uns verfahren. Aber wir haben uns nicht so entwickelt, wie er es gern gesehen hätte. Zu verschwinden und sich mit seinem Geld begraben zu lassen war das Letzte, was ihm noch blieb: der Versuch, uns zu zwingen, etwas zu tun, das vielleicht in die Geschichte eingeht. Irgendetwas, das ihn stolz macht.« Er lachte verbittert. »Es wäre unglaublich, wenn die Presse von dieser Sache Wind kriegen würde. Gigantisch. Ein Schatz im Wert von einer halben Milliarde, der irgendwo in Honduras in einer Grabkammer versteckt ist. Die ganze Welt würde sich hierher aufmachen, um danach zu suchen.«