Выбрать главу

»Das ist der Renner hier!«, rief sie auf das Boot deutend.

»Genau das Richtige für uns.«

Tom schaute sich um. Die Umgebung wirkte verlassen.

»Da ist jemand.« Sally zeigte auf eine etwa fünfzig Meter weiter am Ufer stehende, an der Seite offene Bambushütte.

Neben einem Stapel leerer Blechdosen brannte ein kleines Feuer. Im Schatten zweier Bäume hatte jemand eine Hängematte aufgespannt. Ein Mann schlief darin.

Sally ging zu ihm hin. »Hola«, sagte sie.

Kurz darauf öffnete der Mann ein Auge. »Sí?«

»Wir möchten mit jemandem reden, der uns ein Boot ver-mieten kann«, sagte sie auf Spanisch.

Der Mann grunzte, dann murmelte er etwas, richtete sich in der Hängematte auf und kratzte sich grinsend am Kopf.

»Ich sprechen gut Amerikanisch. Sprechen Amerikanisch.

Irgendwann ich fahren nach Amerika.«

»Wie schön«, sagte Tom. »Wir fahren nach Pito Solo.«

Der Mann nickte, gähnte, kratzte sich. »Okay. Ich bringen hin.«

»Wir möchten das große Boot mieten. Das mit dem 18-PS-Motor.«

Der Mann schüttelte den Kopf. »Das doofe Boot.«

»Ist uns egal, ob es doof ist«, sagte Tom. »Genau das wol-

len wir haben.«

»Ich bringen euch in mein Boot. Doofes Boot gehört Leute von Militär.« Er streckte eine Hand aus. »Haben Bonbons?«

Sally zückte die Tüte, die sie erst an diesem Morgen und genau zu diesem Zweck erstanden hatte.

Das Gesicht des Mannes erhellte sich zu einem Lächeln. Er schob eine welke Hand in die Tüte hinein, kramte in den Süßigkeiten herum, wählte fünf oder sechs Bonbons aus und steckte sie sich alle auf einmal in den Mund. In seiner Wange entstand ein dicker Klumpen. »Bueno«, murmelte er.

»Wir möchten morgen früh aufbrechen«, sagte Tom. »Wie lange dauert die Fahrt?«

»Drei Tage.«

»Drei Tage? Ich dachte, es sind nur sechzig oder siebzig Kilometer. «

»Wasserstand niedrig. Laufen vielleicht auf. Muss staken.

Viel waten. Kann Motor nicht einsetzen.«

»Waten?«, fragte Tom. »Was ist mit dem Zahnstocherfisch?«

Der Mann maß ihn mit einem leeren Blick.

»Keine Sorge, Tom«, sagte Sally. »Sie können doch enge Unterwäsche anziehen.«

»Ah, si! Der Candiru!« Der Mann lachte. »Lieblings-geschichte von Gringos! Candiru. Ich schwimmen in Fluss jeden Tag und noch immer hab mein Chuc-Chuc. Funktioniert gut!« Er spitzte lasterhaft die Lippen und zwinkerte Sally zu.

»Verschonen Sie mich«, sagte Sally.

»Dann ist dieser Fisch also ein Scherz?«, fragte Tom.

»Nein, ist echt! Aber zuerst man muss pissen in Fluss.

Candiru riechen Pisse in Fluss, kommen her und schmatz!

Wer nicht pissen bei Schwimmen, hat kein Problem!«

»Ist hier kürzlich jemand durchgekommen? Gringos, meine ich?«

»Si. Wir sehr beschäftigt. Letzter Monat, weißer Mann kommt mit viele Kisten und Indianer aus Berge.«

»Was für Indianer?«, fragte Tom aufgeregt.

»Nackte Indianer aus Berge.« Der Mann spuckte aus.

»Wo hatte er seine Boote her?«

»Er bringen viele neue Einbaum aus La Ceiba.«

»Sind die Boote zurückgekommen?«

Der Mann lächelte, dann rieb er in einer international bekannten Geste Daumen und Zeigefinger aneinander und streckte die Hand aus. Sally gab ihm einen Fünfer.

»Boote nicht zurückkehren. Männer fahren flussaufwärts, nie kommen zurück.«

»Ist sonst noch jemand hier durchgekommen?«

»Si. Letzte Woche Jesus Christus kommen mit betrunkene Führer aus Puerto Lempira.«

»Jesus Christus?«, fragte Sally.

»Sí, Jesus Christus mit langes Haar, Bart, Gewand und Sandalen.«

»Das muss Vernon gewesen sein«, sagte Tom lächelnd.

»War jemand bei ihm?«

»Si, der heilige Petrus.«

Tom verdrehte die Augen.

»Sonst noch jemand?«

»Si. Dann kommen zwei Gringos mit zwölf Soldaten in zwei Einbaums - auch aus La Ceiba.«

»Wie sahen die Gringos aus?«

»Einer sehr groß, rauchen Pfeife, war wütend. Andere kleiner mit vier Goldringe.«

»Philip«, konstatierte Tom.

Sie handelten schnell eine Passage nach Pito Solo aus.

Tom gab dem Mann zehn Dollar Vorschuss. »Wir brechen morgen früh auf, sobald es hell wird.«

»Bueno! Ich bereit!«

Als sie vom Fluss zu dem Klinkergebäude zurückkehrten, das sich als Hotel ausgab, stellten sie zu ihrer Überraschung fest, dass ein Jeep vor dem Haus parkte. In ihm saßen ein Militäroffizier und zwei Soldaten. In der Nähe wartete eine Ansammlung tuschelnder, drängelnder Kinder darauf, dass etwas passierte. Die Hotelbesitzerin stand vor dem Haus.

Sie hatte die Hände gefaltet. Ihr Gesicht war bleich vor Furcht.

»Das gefällt mir gar nicht«, sagte Sally.

Der Offizier trat vor. Er hatte einen ganz geraden Rücken, eine makellose Uniform und trug kleine polierte Stiefel. Er verbeugte sich zackig. »Habe ich die Ehre, Señor Tom Broadbent und Señorita Sally Colorado zu begrüßen? Ich bin Leutnant Vespán.« Er ergriff nacheinander ihre Hände und trat dann zurück. Der Wind drehte, und Tom roch plötzlich eine Mischung aus Old Spice, Zigarren und Rum.

»Worum geht's denn?«, fragte Sally.

Leutnant Vespan lächelte breit und enthüllte eine silberne Zahnreihe. »Ich muss Ihnen zu meinem allergrößten Bedauern mitteilen, dass Sie unter Arrest stehen.«

17

Tom schaute den winzigen Offizier an. Ein kleiner Hund, der wohl etwas gegen einen der Soldaten hatte, kauerte sich vor den Mann und fletschte knurrend die Zähne. Der Offizier versetzte ihm mit seinem schnieken Stiefel einen Tritt, und die Soldaten lachten.

»Wessen beschuldigt man uns?«, fragte Tom.

»Das werden wir in San Pedro Sula besprechen. Wenn Sie jetzt bitte mitkommen wollen?«

Ein unbehagliches Schweigen trat ein. »Nein«, sagte Sally.

»Machen Sie uns doch keine Schwierigkeiten, Señorita.«

»Ich mache keine Schwierigkeiten. Ich gehe einfach nicht mit. Sie können mich nicht zwingen.«

»Sally«, sagte Tom. »Muss ich darauf hinweisen, dass diese Männer Waffen haben?«

»Na gut. Dann sollen sie mich eben erschießen und das dann der amerikanischen Regierung erklären.« Sally breitete die Arme aus, um ein besseres Ziel abzugeben.

»Ich bitte Sie, Señorita.«

Die beiden Soldaten, die zu dem Offizier gehörten, traten nervös von einem Fuß auf den anderen.

»Na los, tun Sie mir doch den Gefallen!«

Der Offizier nickte den Soldaten zu. Die Männer senkten ihre Waffen, traten zackig vor und packten Sally. Sally stieß einen Schrei aus und wehrte sich.

Tom machte einen Schritt nach vorn. »Lassen Sie sie los!«

Die beiden Soldaten hoben Sally hoch und trugen sie trotz ihrer Gegenwehr zum Jeep. Tom versetzte dem ersten Mann einen Schwinger und schickte ihn zu Boden. Sally riss sich los, und Tom nahm sich den zweiten Mann vor.

Dann fand er sich zu seiner Überraschung auf dem Rük-ken liegend wieder und schaute zum heißen blauen Himmel empor. Der Offizier ragte über ihm auf. Sein Gesicht war rot und wütend. Tom spürte an seinem Hinterkopf ein heftiges Pochen. Der Mann hatte ihn mit dem Knauf seiner Waffe niedergeschlagen.

Die Soldaten rissen ihn grob auf die Beine. Sally wehrte sich nun nicht mehr. Sie sah blass aus.

»Machoschweine«, sagte sie. »Wir werden Ihren Angriff der amerikanischen Botschaft melden.«

Leutnant Vespán schüttelte traurig den Kopf, als könne er diese Narretei nicht verstehen. »Könnten wir jetzt in Frieden abrücken?«