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25

»Buenas tardes«, murmelte Ocotal und nahm neben Philip am Feuer Platz.

»Buenas tardes.« Philip nahm überrascht die Pfeife aus dem Mund. Es war das erste Mal, dass Ocotal auf dieser Reise zu ihm sprach.

Sie hatten einen großen See am Rand des Sumpfes erreicht und lagerten auf einer sandigen Insel mit einem richtigen Strand. Die Insekten waren weg, die Luft war frisch, und zum ersten Mal seit einer Woche konnte Philip in jeder Richtung weiter als sieben Meter sehen. Das Einzige, was ihm missfiel, war das an den Strand klatschende Wasser, denn es war so schwarz wie Kaffee. Hauser war wie üblich mit einigen Soldaten auf der Jagd. Die anderen Männer sa-

ßen an ihrem eigenen Feuer und spielten Karten. Die Luft hatte wegen der Hitze und dem grüngoldenen Licht des späten Nachmittags etwas Einschläferndes. Insgesamt gesehen befanden sie sich jedoch Philips Ansicht nach an einem schönen Fleckchen Erde.

Ocotal beugte sich abrupt vor. »Ich habe die Soldaten gestern Nacht reden hören.«

Philip hob die Augenbrauen. »Und?«

»Sie wollen Sie töten. Zeigen Sie jetzt keine Reaktion auf meine Worte.« Er sprach so leise und schnell, dass Philip irgendwie glaubte, sich verhört zu haben. Er saß wie vom Donner gerührt da und verarbeitete Ocotals Worte.

»Sie werden auch mich umbringen«, fuhr Ocotal fort.

»Wissen Sie das genau?«

Ocotal nickte.

Philip dachte panisch über das Gehörte nach. War Ocotal vertrauenswürdig? Konnte er ihn missverstanden haben?

Warum sollte Hauser ihn umbringen? Um das Erbe zu stehlen? Es war nicht auszuschließen. Hauser war kein Ehren-mann. Philip sah aus den Augenwinkeln, dass die Soldaten noch immer Karten spielten. Ihre Gewehre waren an einen Baum gelehnt. Andererseits kam es ihm unfassbar vor. Er spielte doch nicht in einem Film mit. Hauser würde doch eine Million Dollar verdienen. Man brachte doch nicht so einfach Menschen um - oder? »Was haben Sie vor?«

»Ein Boot zu stehlen und abzuhauen. Mich im Sumpf zu verstecken.«

»Meinen Sie jetzt?«

»Wollen Sie warten?«

»Aber die Soldaten sind doch gleich da drüben. Wir kommen hier nie weg. Was haben die Soldaten gesagt, dass Sie das glauben? Vielleicht war es ja nur ein Missverständnis.«

»Hören Sie mal, Sie Pfeife«, zischte Ocotal. »Wir haben keine Zeit. Ich haue jetzt ab. Wenn Sie mitkommen wollen, kommen Sie mit. Wenn nicht: Adiós.«

Er stand lässig auf und schlenderte zum Strand, wo die Einbäume an Land lagen. Philip riss den Blick panisch von ihm los und musterte die Soldaten. Sie spielten noch immer Karten, ahnten nichts. Von dort aus, wo sie saßen, unter einem Baum, konnten sie die Boote nicht sehen.

Was sollte er tun? Er war wie gelähmt. Man hatte ihm oh-

ne Warnung oder Vorbereitung eine monumentale Entscheidung aufgehalst. Es war verrückt. Konnte Hauser so kaltblütig sein? Oder plante Ocotal hier irgendein schräges Ding?

Ocotal ging nun am Strand entlang, wobei er einen beiläu-figen Blick auf die Bäume warf. Er stand an einem Boot, und es sah ganz so aus, als sei er im Begriff, es ganz lässig mit dem Knie ins Wasser zu schieben.

Es ging alles viel zu schnell. Im Grunde hing es davon ab, was für ein Mensch Hauser war. War er wirklich zu einem Mord fähig? Na schön, besonders nett war er nicht. Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Philip fiel plötzlich ein, mit welchem Vergnügen Hauser den Agouti geköpft hatte; das Lächeln auf seinem Gesicht beim Anblick des Blutflecks auf seinem Hemd. Wie er gesagt hatte: Das kriegen Sie noch früh genug raus.

Ocotal hatte das Boot nun ins Wasser geschoben. Er ging mit einer geschmeidigen Bewegung an Bord, griff gleichzeitig nach der Stake und bereitete sich aufs Abstoßen vor.

Philip stand auf ging schnell zum Strand hinunter. Ocotal hatte sich schon vom Ufer gelöst, die Stake stand im Wasser; er war bereit, das Boot in den Seitenarm zu stoßen. Er hielt gerade so lange inne, dass Philip ins Wasser waten und an Bord klettern konnte. Dann stieß er die Stake mit einer kräftigen Anspannung seiner Muskeln in den sandigen Boden und schob sie lautlos in den Sumpf hinein.

26

Am nächsten Morgen war es mit dem schönen Wetter vorbei. Wolken sammelten sich. Ein Gewitter rüttelte die Baumwipfel. Es goss wie aus Eimern. Als Tom und die anderen aufbrachen, war die Oberfläche des Flusses grau und schäumte unter der Wucht des Wolkenbruchs. Das Rauschen des auf die Vegetation fallenden Regens war ohrenbetäubend. Das Labyrinth aus Seitenarmen, dem sie folgten, schien immer schmaler und gewundener zu werden.

Tom hatte noch nie ein so dichtes und undurchdringliches Sumpfgebiet gesehen. Er konnte kaum glauben, dass Don Alfonso wusste, welchen Weg sie nehmen mussten.

Am Nachmittag hörte der Regen plötzlich auf, als hätte jemand einen Hahn abgedreht. Das Wasser lief noch ein paar Minuten an den Baumstämmen herab und erzeugte einen Lärm wie ein Wasserfall. Der ganze Dschungel wirkte dunstig, tröpfelnd und still.

»Die Insekten sind wieder da«, sagte Sally und schlug um sich.

»Jejenes, Schwarzfliegen«, sagte Don Alfonso. Er zündete seine Pfeife an und umgab sich mit einer stinkenden blauen Wolke. »Sie holen sich ein Stück von Ihrem Fleisch. Sie bil-den sich aus dem Atem des Teufels, nachdem er einen Abend lang schlechten Aguardiente getrunken hat.«

Manchmal wurde ihr Weg von Schlingpflanzen und über der Erde wachsenden Wurzeln blockiert, die von oben her-abwucherten und einen dichten Vorhang aus Vegetation bildeten. Sie hingen bis auf die Wasseroberfläche. Pingo machte wieder die Vorhut und hackte sie mit seiner Machete ab, während Chori hinten stakte. Jeder Machetenhieb ließ Schwärme von Fröschen, Insekten und anderem Getier auf-und ins Wasser springen. Es war ein Festessen für die auf sie lauernden Pirañas, die sich sofort auf jedes glücklose Tier stürzten. Pingo, dessen kräftige Rückenmuskeln heftig am Arbeiten waren, hieb nach links und rechts, dann wieder nach links und fegte die meisten Lianen und Hänge-pflanzen ins Wasser. In einem besonders schmalen Seitenarm schrie Pingo, plötzlich um sich schlagend: »Heculu!«

»Avispal Wespen!«, rief Don Alfonso. Er duckte sich und setzte seine Mütze auf. »Nicht bewegen!«

Eine dichte, kochende schwarze Wolke fegte aus dem herabhängenden Geäst hervor, und Tom, der sich duckte, um seinen Kopf zu schützen, spürte auf seinem Rücken sofort einen Teppich brennender Stiche.

»Schlagen Sie nicht nach ihnen«, rief Don Afonso. »Das macht sie nur noch wütender!«

Sie konnten nur abwarten, bis die Wespen mit ihrer Stech-orgie fertig waren. Sie verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren, und Sally verarztete die Stiche mit dem Saft des Gumbo-Limbo-Baums. Dann fuhren sie weiter.

Gegen Mittag hörten sie über sich im Blätterbaldachin ein eigenartiges Geräusch. Es klang wie tausend schnalzende und schmatzende, Bonbons lutschende Kinder, bloß viel lauter. Begleitet wurde es von raschelnden Zweigen. Das Rascheln wurde immer intensiver, bis es plötzlich wie ein Wind wirkte. Schwarze Gestalten blitzten hier und da auf.

Durch die Blätter sah man sie nur schemenhaft.

Chori zog das Paddel aus dem Wasser. Schon waren ein kleiner Bogen und ein Pfeil in seinen Händen. Der Bogen wies zum Himmel. Er war gespannt und schussbereit.

»Mono chucuto«, sagte Don Alfonso leise zu Tom.

Bevor Tom noch etwas erwidern konnte, hatte Chori den Pfeil abgeschossen. Über ihnen war plötzlich ein Tumult, dann fiel ein schwarzer Affe, noch halb lebendig, aus dem Geäst. Während er abstürzte, versuchte er, sich in dem Blattwerk um ihn herum festzuhalten, doch landete er schließlich zwei Meter vor dem Einbaum im Wasser. Chori sprang auf und zog das schwarzfellige Bündel an Bord und gleich darauf ließ ein großer Wirbel in der Tiefe erkennen, dass etwas anderes ebenfalls auf diese Idee gekommen war.