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Kurz gesagt, er war der Prototyp eines erfolgreichen Analysten.

»Wie geht's, Lewis?« Fenner ließ sich am Kamin nieder.

»Besonders lustig kann's ja wohl kaum sein.«

»Ist es auch nicht, Stan.«

»In Zeiten wie diesen möchte ich keine Komplimente ma-

chen. Dafür kennen wir uns zu lange. Ich möchte nur, dass du mir den Grund nennst, warum ich meinen Klienten raten soll, eure Papiere zu behalten. Ich brauche einfach nur einen guten Grund.«

Skiba schluckte. »Kann ich dir was anbieten, Stan? Mineralwasser? Sherry?«

Fenner schüttelte den Kopf. »Das Investmentkomitee wird sich über mich hinwegsetzen. Es ist Zeit zum Verscherbeln.

Die Leute haben die Hosen voll, und ich, ehrlich gesagt, auch. Ich hab dir vertraut, Skiba.«

So ein Heuchler. Fenner war seit Monaten darüber im Bilde, wie es wirklich um das Unternehmen stand. Ihn hatten nur die ganzen Leckerbissen verlockt, die Skiba ihm zuwarf

-und die Effektengeschäfte, die Lampe von Dixon erledigen ließ. Gieriger Scheißkerl. Doch andererseits ... Wenn Dixon von »kaufen« oder »behalten« zu »verkaufen« wechselte, dann war es mit Lampe aus. Dann stand die Zahlungsunfähigkeit an.

Skiba hüstelte und räusperte sich. Es fiel ihm schwer, etwas zu sagen, deswegen hüstelte er noch einmal, um seine Lähmung zu kaschieren.

Fenner wartete.

Schließlich ergriff Skiba das Wort: »Ich kann dir einen Tipp geben, Stan.«

Fenner neigte den Kopf unmerklich zur Seite.

»Die Sache ist so streng vertraulich, dass es ein klarer Fall von Insiderhandel wäre, wenn du das Wissen für dich ausnutzen würdest.«

»Es ist nur dann Insiderhandel, wenn man verkauft. Ich suche aber einen Grund, eben nicht zu verkaufen. Meine Klienten sitzen bis zum Hals in Lampe-Aktien, und ich muss ihnen ein Argument zum Stillhalten nennen.«

Skiba atmete tief durch. »Lampe wird in einigen Wochen den Erwerb eines zweitausend Seiten starken Manuskripts bekannt geben, das die alten Mayas zusammengestellt haben. Es existiert nur ein Exemplar. Es beschreibt jedes Gewächs und jedes Tier der tropischen Regenwälder mit medizinisch aktiven Eigenschaften. Dazu gehören Rezepte, die besagen, wie man diese aktiven Ingredienzien extrahiert, sie dosiert und welche Nebenwirkungen sie haben. Das Manuskript enthält das gesamte uralte medizinische Wissen der Mayas. Es wurde über Jahrtausende aktualisiert - von Menschen, die im reichhaltigsten Depot an biologischer Vielfalt dieses Planeten gelebt haben. Es wird Lampe bis zur letzten Seite gehören.

Wir kriegen es gratis, ohne Tantiemenzahlungen, Partner-schaften, Rechtsstreitigkeiten oder Hypotheken.«

Er hielt inne. Fenners Ausdruck hatte sich nicht geändert.

Falls er nachdachte, ließ er es sich nicht anmerken.

»Wann werdet ihr das bekannt geben? Kann ich ein Da-tum haben?«

»Nein.«

»Wie sicher ist die Sache?«

»Sehr sicher.«

Die Lüge kam Skiba leicht über die Lippen. Der Codex war seine einzige Hoffnung. Wenn nichts daraus wurde, war sowieso alles egal.

Ein langes Schweigen. Fenner ließ zu, dass sich ein Ausdruck auf seine feinen, strengen Gesichtszüge legte, der einem Lächeln glich. Dann nahm er seinen Aktenkoffer und stand auf. »Ich danke dir, Lewis. Da bin ich wirklich von den Socken.«

Skiba nickte und schaute zu, wie Fenner sich unauffällig aus seinem Büro verdünnisierte.

Hätte er die Wahrheit gewusst ...

38

Als sie von den Bergen herunterkamen, änderte sich der Regenwald. Das Gelände war äußerst uneben und von tiefen Schluchten und reißenden Flüssen durchzogen. Dazwischen ragten hohe Firste auf. Sie folgten noch immer dem Wildwechsel, der hier jedoch so zugewachsen war, dass sie sich den Weg abwechselnd freihacken mussten. Beim Aufstieg rutschten sie auf den steilen, schlammigen Pfaden aus, und wenn es abwärts ging, fielen sie hin.

Tagelang kämpften sie sich voran. Es gab keine ebene Stelle, an der man lagern konnte, deswegen waren sie gezwungen, ihre Hängematten am Abhang zwischen den Bäumen aufzuspannen und die ganze Nacht im Regen zu schlafen.

Morgens war der Dschungel finster und dunstig. Wenn sie sich anstrengten, legten sie an einem Tag ungefähr acht Kilometer zurück, und wenn er sich dem Ende entgegenneig-te, waren alle völlig erschöpft. Zum Jagen kamen sie kaum.

Sie hatten nie genug zu essen. Tom war noch nie im Leben so hungrig gewesen. Nachts träumte er von riesigen Steaks und Pommes frites; tagsüber dachte er an Eiscreme und mit Butter bestrichenen Hummer. Wenn sie abends am Lagerfeuer saßen, redeten sie nur übers Essen.

Die Tage summierten sich. Der Regen hörte niemals auf.

Auch der Dunst verflüchtigte sich nicht. Ihre Schlafsäcke verfaulten und mussten neu geflochten werden. Ihre Kleider fielen allmählich auseinander. Milben setzten sich in ihren Sachen fest und gruben sich in ihre Haut. Die Nähte ihres Schuhwerks lösten sich auf. Da sie keine Kleider zum Wechseln hatten, würde der Dschungel sie bald nackt da-stehen lassen. Ihre Leiber waren von Stichen, Bissen, Schrammen, Schnitten, Schorf und wunden Stellen übersät.

Als Vernon aus einer Schlucht herauskletterte, glitt er aus und griff nach einem Busch, um den Sturz zu mildern. Dar-aufhin ergoss sich eine Flut von Feuerameisen über ihn, die ihn so bösartig attackierten, dass er vierundzwanzig Stunden Fieber hatte und kaum gehen konnte.

Die einzige versöhnliche Eigenschaft des Regenwaldes war seine Vegetation. Sally entdeckte eine Unmenge Heil-pflanzen und konnte so eine Kräutersalbe für sie zusam-menstellen, die bei Insektenstichen und Pilzinfektionen Wunder wirkte. Sie tranken auch einen von Sally gebrauten Tee, von dem sie behauptete, er sei ein Antidepressivum. Er hielt sie allerdings nicht davon ab, sich weiterhin niedergeschlagen zu fühlen.

In den Nächten und am Tag hörten sie ständig das Fauchen des umherschleichenden Jaguars. Zwar ließ niemand ein Wort über ihn fallen - Don Alfonso hatte es schließlich untersagt -, doch Tom ging er nie ganz aus dem Sinn. Bestimmt lebten in diesem Wald andere Tiere, an denen der Jaguar sich gütlich tun konnte. Was wollte er von ihnen?

Warum verfolgte er sie, ohne je zuzuschlagen?

In der vierten oder fünften Nacht - Tom hatte inzwischen die Übersicht verloren - lagerten sie, zwischen gewaltigen verfaulenden Baumstämmen eingeklemmt, auf einem Berg-kamm. Es hatte geregnet. Dampf stieg vom Boden auf. Sie aßen früh zu Abend - gekochte Eidechse mit Mattawurzel.

Nach dem Essen stand Sally auf und nahm das Gewehr.

»Ob der Jaguar nun hier rumschleicht oder nicht - ich gehe jetzt jagen.«

»Ich komme mit«, sagte Tom.

Sie gingen an einem schmalen Bach entlang, der vom Lagerplatz aus abwärts strömte und durch eine Klamm führte. Der Tag war grau. Der sie umgebende Wald wirkte schlaff und verwahrlost. Die Vegetation dampfte. Das Geräusch tropfenden Wassers mischte sich mit dem hohlen Krächzen der Vögel.

Eine halbe Stunde lang suchten sie sich einen Weg durch die Klamm, über bemooste Findlinge und Baumstämme hinweg, bis sie an einen rasch dahinströmenden Fluss kamen. Sie gingen hintereinander durch Dunstschleier an ihm entlang. Nach Toms Ansicht bewegte Sally sich fast wie eine Katze, denn sie pirschte praktisch lautlos durchs Unterholz.

Dann blieb Sally stehen und machte eine einhaltende Geste mit der Hand. Sie hob langsam das Gewehr, legte an und feuerte.

Ein Tier trat kreischend im Unterholz um sich, doch die Geräusche erstarben schnell.

»Ich weiß nicht, was es war, aber es sah stämmig aus und hatte ein Fell.« Schließlich fanden sie ihre Beute in den Büschen: Sie lag auf der Seite, alle viere in die Luft gereckt.

»Irgendeine Wildschweinart.« Tom musterte den Kadaver angewidert. Er würde sich nie daran gewöhnen, Tiere zu zerlegen.

»Sie sind dran«, sagte Sally mit einem knappen Lächeln.