Выбрать главу

Als sie wieder im Lager waren, hörten Vernon und Don Alfonso sich ihre Geschichte schweigend an. Als Tom fertig war, legte ihm Don Alfonso eine Hand auf die Schulter und schaute ihm in die Augen. »Sie sind wirklich ein verrückter Yanqui, Tomasito, wissen Sie das?«

Tom und Sally zogen sich in den stillen Unterstand zurück, wo er ihre Verletzungen mit dem Kräuterantibiotikum behandelte, das Sally, mit verschränkten Beinen und ohne Hemd auf dem Boden sitzend, mit der Rindensalbe Don Alfonsos mischte. Sie musterte ihn fortwährend aus den Augenwinkeln und bemühte sich, ein Lächeln zu unterdrücken. Schließlich sagte sie: »Habe ich mich eigentlich schon dafür bedankt, dass Sie mir das Leben gerettet haben?«

»Ich brauche keinen Dank.« Tom versuchte sein Erröten zu verbergen. Er sah Sally zwar nicht zum ersten Mal ohne Hemd - den Anspruch auf Intimsphäre hatten sie längst aufgegeben -, doch diesmal fühlte er sich stark erotisiert.

Ihm fiel auf, dass ihr Brustkorb sich rötete, dass die Röte sich zwischen ihren Brüsten ausbreitete und ihre Brustwarzen hart werden ließ. Spürte sie etwa das Gleiche wie er?

»Doch, den brauchst du sehr wohl.« Sally legte das Hemd hin, das sie gerade flickte, drehte sich um, schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn sanft auf den Mund.

39

Hauser ließ seine Leute am Fluss anhalten. Dahinter erkannte er die blauen, in die Wolken aufragenden Flanken der Sierra Azul. Sie sahen so aus wie die vergessene Welt, die Arthur Conan Doyle in seinem Roman beschrieben hatte. Er überquerte die Lichtung allein und schaute sich den verschlammten Pfad auf der anderen Seite an. Der ständige Regen hatte die meisten Spuren zwar verwischt, doch er bot ihm den Vorteil der Erkenntnis, dass die Abdrücke der nackten Füße, die er erspähte, noch sehr frisch waren höchstens ein paar Stunden alt. Es schien eine sechsköpfige Truppe zu sein - wahrscheinlich ein Jagdkommando.

Es mussten die Indianer sein, mit denen Broadbent sich verbündet hatte. Außer ihnen lebte niemand in diesem gottverlassenen Dschungelgebirge.

Hauser erhob sich aus seiner knienden Haltung und überlegte kurz. In diesem Dschungel würde er jedes Katz-und-Maus-Spiel verlieren. Verhandlungen würden auch nichts bringen. Somit blieb ihm nur eine vernünftige Vorgehensweise.

Er signalisierte den Soldaten, dass sie ihm folgen sollten, und übernahm persönlich die Führung. Sie marschierten rasch über den Pfad in die Richtung, die die Indianer genommen hatten. Philip blieb ganz hinten. Er war gefesselt und wurde von einem Soldaten bewacht. Er war inzwischen zu schwach, um mit den Männern Schritt zu halten, und in einem Zustand, in dem er nicht mehr hätte fliehen können -schon gar nicht mit den Handschellen. Für Hauser war es eine Schande, den Dienst eines Soldaten auf ihn zu verschwenden, schließlich verfügte er nur über wenige kompetente Männer. Zum richtigen Zeitpunkt konnte Philip sich jedoch als wertvolles Handelsgut erweisen. Der Wert einer Geisel war nie zu unterschätzen.

Hauser wies seine Leute an, ihre Anstrengungen zu ver-doppeln.

Die Sache entwickelte sich exakt so, wie er es erwartet hatte. Die Indianer hatten ihren Vormarsch zwar bemerkt und waren im Wald untergetaucht, doch hatte Hauser zuvor erkannt, wohin sie unterwegs waren. Was das Spurenlesen im Urwald anbetraf, war er Experte. Er trieb die Verfolgung mit Hochdruck voran, eine Blitzkriegstrategie, die immer zum Erfolg führte und auch den bestens vorbereiteten Gegner in Angst versetzte - von einer Gruppe nichts Böses ahnender Jäger ganz zu schweigen. Seine Männer verteilten sich, und Hauser ging mit zwei Begleitern auf Spähtrupp, um den Indianern den Weg abzuschneiden.

Die Sache ging schnell, hektisch und ohrenbetäubend von-statten. Der Dschungel bebte. Hauser fühlte sich lebhaft an zahlreiche Feuergefechte in Vietnam erinnert. In nicht einmal einer Minute war alles vorbei. Bäume wurden zerfetzt und entlaubt, Büsche qualmten, der Boden wurde pulveri-siert. Ein ätzender Dunst stieg in die Luft. Das Geäst eines kleinen Baumes war mit Orchideen und Gedärmen versehen.

Es war wirklich verblüffend, was ein paar einfache Granatwerfer ausrichten konnten.

Hauser zählte die Leichenteile und stellte fest, dass vier Mann ums Leben gekommen waren. Zwei waren entkommen. Zum ersten Mal hatten seine Soldaten Kompetenz an den Tag gelegt. Wenn es ums Draufhauen und Töten ging, waren sie gut. Das durfte er nicht vergessen.

Ihm blieb nicht viel Zeit. Er musste das Dorf kurz nach den beiden Überlebenden erreichen, um im Augenblick der größten Verwirrung und des Entsetzens zuzuschlagen, bevor die Leute noch Gelegenheit hatten, sich zu organisieren.

Er drehte sich um und rief seinen Leuten zu: »Arriba! Va-mos!«

Die Männer jubelten. Sein Enthusiasmus spornte sie an.

Endlich waren sie in ihrem Element. »Zum Dorf!«

40

Es regnete eine Woche ohne Unterlass. Jeden Tag rafften sie sich auf, stiegen in Schluchten hinunter und wieder hinauf.

Sie kletterten über gefährliche Klippen, überquerten tosende Flüsse, und all das im dichtesten Urwald, den Tom sich nur vorstellen konnte. Wenn sie an einem Tag sechs Kilometer zurücklegten, waren sie schon zufrieden. Nach sieben Tagen dieser Art wurde Tom am Morgen wach und stellte fest, dass der Regen endlich aufgehört hatte. Don Alfonso war schon auf den Beinen und kümmerte sich um ein großes Lagerfeuer. Seine Miene war ernst. Als sie das Frühstück verzehrten, verkündete er plötzlich: »Ich hatte in der letzten Nacht einen Traum.«

Sein ernster Tonfall ließ Tom innehalten. »Was war das für ein Traum?«

»Ich habe geträumt, dass ich sterbe. Meine Seele fuhr zum Himmel hinauf und suchte nach Petrus. Ich fand ihn, denn er stand am Himmelstor. Als ich zu ihm ging, begrüßte er mich. >Bist du nicht der alte Schlawiner Don Alfonso?<, fragte er. ->Stimmt<, erwiderte ich. >Ich bin's, Don Alfonso Boswas, der im Alter von hunderteinundzwanzig Jahren fern der Heimat im Dschungel gestorben ist. Ich möchte reinkommen und meine Rosita wiedersehen.< - >Was hast du im Dschungel gemacht, Don Alfonso?<, fragte er. - >Ich wollte mit einigen verrückten jungen Yanquis in die Sierra Azul<, erwiderte ich. ->Und bist du dort angekommen?<, fragte er. - >Nein<, antwortete ich. - >Tja, Don Alfonso<, sagte er, >dann musst du wieder zurück, alter Schlawiner.<«

Don Alfonso schaute auf und fügte hinzu: »Deswegen bin ich wieder hier.«

Tom wusste nicht genau, wie er reagieren sollte. Einen Moment lang hielt er den Traum für einen von Don Alfonsos Scherzen, doch dann sah er die ernste Miene des Greises. Er wechselte einen Blick mit Sally.

»Und was bedeutet der Traum?«, erkundigte sich Sally.

Don Alfonso schob sich ein Stück Mattawurzel in den Mund und kaute nachdenklich, dann beugte er sich vor und spuckte den Brei aus. »Er bedeutet, dass ich nur noch ein paar Tage bei euch sein kann.«

»Nur noch ein paar Tage? Das ist ja wohl wahnwitzig.«

Don Alfonso verzehrte seine Portion und stand auf. »Am besten reden wir nicht mehr darüber. Gehen wir lieber in die Sierra Azul.«

Der Tag war schlimmer als zuvor, denn mit dem Ende des Regens kehrten die Insekten zurück. Die Reisenden kämpften sich eine Reihe steiler Grate und schlammiger Pfade hinauf, wobei sie ständig abrutschten und hinfielen, während Insektenschwärme sie fortwährend verfolgten. Am Nachmittag stiegen sie wieder in eine Klamm hinunter, die vom Echo eines rauschenden Flusses erfüllt war. Je tiefer sie gelangten, desto lauter wurde das Getöse, und schließlich sah Tom ganz unten einen größeren Fluss. Am Flussufer, wo das Dickicht endete, blieb ihr Führer Don Alfonso stehen.

Er wich verwirrt zurück und gab ihnen mit ein paar Gesten zu verstehen, dass sie zwischen den Bäumen bleiben sollten.