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Zwei Soldaten tauchten im Türrahmen auf. Die Leiche hing schlaff zwischen ihnen. »Was sollen wir mit ihm machen, Jefe?«

Hauser wies ihnen mit der Gabel die Richtung, denn er hatte den Mund voller Ei. »In die Schlucht.«

Sie gingen hinaus, und er setzte sein Frühstück fort, bis zum letzten Bissen. Die Weiße Stadt war groß und überwuchert. Max konnte fast überall bestattet worden sein. Das Problem bestand darin, dass die Indianer nun so aufgebracht waren, dass keine große Chance bestand, sich eine neue Geisel zu holen und die Lage der Gruft aus ihr her-auszupressen. Andererseits hatte Hauser keine Lust, in den nächsten zwei Wochen selbst in den von Ratten wimmeln-den Ruinen herumzugraben.

Er beendete seine Mahlzeit, kramte in seinen Taschen und zog einen schlanken Aluminiumbehälter hervor. Nach einer Minute war dem Ritual Genüge getan: die Zigarre brannte.

Hauser inhalierte tief und spürte die beruhigende Wirkung des sich von seiner Lunge in seinem Körper ausbreitenden Nikotins. Es ließ sich jedes Problem in Optionen und Un-teroptionen zerlegen. Er hatte zwei: Er konnte die Grabkammer allein ausfindig machen oder sie von jemand aufspüren lassen. Wenn er sie suchen ließ, wer könnte dies sein?

»Teniente?«

Der Leutnant, der draußen auf seine Tagesbefehle wartete, kam herein und salutierte. »Si, Señor?«

»Ich möchte, dass Sie einen Mann zurückschicken, um in Erfahrung zu bringen, wie weit die Gebrüder Broadbent gekommen sind.«

»Jawohl, Sir.«

»Er soll sie nicht belästigen. Außerdem dürfen sie ihn nicht bemerken. Ich möchte wissen, in welchem Zustand sie sind -ob sie weiterziehen oder aufgegeben haben. Er soll so viel rauskriegen wie möglich.«

»Jawohl, Sir.«

»Heute nehmen wir uns die Pyramide vor. Wir öffnen das eine Ende mit Dynamit und arbeiten uns dann voran. Teilen Sie den Sprengstoff und die Männer ein. Sie sollen in einer Stunde fertig sein.« Er stellte den Teller auf dem Boden ab, stand auf und hängte sich die Steyr AUG über die Schulter. Dann trat er in den Sonnenschein hinaus, warf einen Blick auf die Spitze der Pyramide und berechnete, wo die Ladungen befestigt werden mussten. Ob er Max in der Pyramide fand oder nicht: Die Arbeit würde die Soldaten zumindest beschäftigen und unterhalten. Laute Explosionen hörte schließlich jeder gern.

Sonnenschein. Es war der erste, den er seit Wochen zu Gesicht bekam. Zur Abwechslung würde es mal Spaß machen, im Sonnenschein tätig zu werden.

47

Der Tod kam zu Tom Broadbent, doch er war nicht in eine schwarze Kutte gehüllt und hatte auch keine Sense. Er kam in Form eines abscheulich barbarischen, rotgelb gestreiften Gesichts und einer Gestalt, an der sich grüne Federn sträub-ten. Sie hatte grüne Augen, schwarzes Haar und spitze weiße Zähne. Die Gestalt blickte Tom ins Gesicht und berührte ihn mit den Fingern. Doch der Tod, den Tom erwartet hatte, ließ sich nicht blicken. Vielmehr zwang die grässlich anzusehende Gestalt ihn pausenlos, eine heiße Flüssigkeit zu trinken. Tom setzte sich schwach zur Wehr, dann ergab er sich seinem Schicksal und schlief wieder ein.

Als er erwachte, hatte er ein trockenes Gefühl in der Kehle und pochende Kopfschmerzen. Er lag in einer trockenen Hängematte in einem Unterstand mit einem Schilfdach und trug ein frisches T-Shirt und Shorts. Vor dem Unterstand schien die Sonne. Der Dschungel ließ allerlei Geräusche hören. Eine ziemliche Weile wusste Tom nicht einmal mehr, wer er war und was er hier machte. Dann fiel ihm eins nach dem anderen wieder ein: das Verschwinden seines Vaters; das seltsame Testament; die Fahrt flussaufwärts; Don Alfonsos Scherze und Sprüche; die kleine Lichtung mit dem Ausblick auf die Sierra Azul - und das Sterben unter dem Riesenbaum im Regen.

Alles schien vor unendlich langer Zeit passiert zu sein.

Tom fühlte sich erfrischt, wie neu geboren - und so schwach wie ein Säugling.

Er hob vorsichtig den Kopf, doch nur so weit, wie der hämmernde Kopfschmerz es erlaubte. Die Hängematte neben ihm war leer. Sein Herz tat einen Sprung. Wer hatte in ihr gelegen? Sally? Vernon? Wer war gestorben?

»Hallo?«, fragte er und versuchte sich aufzusetzen. »Ist hier jemand?«

Draußen ertönte ein Geräusch, dann hob Sally die Klappe hoch und trat ein. Sie wirkte wie ein plötzlicher Strahl aus Gold auf ihn. »Tom! Wie schön, dass es dir besser geht!«

»Ach, Sally ... Ich hab die leere Hängematte gesehen und dachte schon ...«

Sally kam zu ihm und nahm seine Hand. »Wir sind noch alle da.«

»Philip auch?«

»Er ist zwar noch krank, aber es geht ihm viel besser. Vernon dürfte morgen wieder auf dem Damm sein.«

»Was ist passiert? Wo sind wir?«

»Noch immer am gleichen Ort. Du kannst Borabay danken, wenn er zurückkommt. Er ist auf der Jagd.«

»Borabay?«

»Ein Bergindianer. Er hat uns gefunden und gerettet. Er hat uns alle gesund gepflegt.«

»Warum?«

»Ich weiß nicht.«

»Wie lange war ich weg?«

»Wir waren alle ungefähr eine Woche krank. Wir haben uns ein Fieber eingefangen, das er Bisi nennt. Er ist ein Cu-randero. Nicht so einer wie ich, sondern ein echter. Er hat uns Medizin eingeflößt, uns gefüttert und uns das Leben gerettet. Er spricht außerdem ein ziemlich seltsames Englisch.«

Tom versuchte, sich hinzusetzen.

»Noch nicht.« Sally drückte ihn wieder nach unten. »Trink das hier.«

Sie reichte ihm einen Becher, der mit einem süßen Getränk gefüllt war. Tom leerte ihn bis auf den Grund und spürte, wie sein Hunger zunahm. »Ich rieche, dass da etwas kocht, das ungeheuer lecker duftet.«

»Schildkröteneintopf à la Borabay. Ich bring dir eine Portion.« Sie streichelte ihm die Wange. Tom schaute zu ihr auf. Nun erinnerte er sich an alles. Sally beugte sich über ihn und gab ihm einen Kuss. »Wir haben noch immer einen weiten Weg vor uns, bevor alles vorbei ist.«

»Ja.«

»Gehen wir also schrittweise vor.«

Tom nickte. Sie reichte ihm eine Portion Schildkrötensup-pe. Tom verzehrte sie, dann fiel er in einen gesunden Schlaf. Als er das nächste Mal erwachte, war der Kopfschmerz weg. Er konnte die Hängematte verlassen und trat leicht wankend ins Freie. Seine Beine fühlten sich wie Gummi an. Sie befanden sich auf der alten Lichtung mit dem umgekippten Baum, doch das nasskalte Dickicht hatte sich in ein vergnügtes offenes Lager verwandelt. Ausge-rupfte Farne bedeckten den schlammigen Boden und bildeten einen angenehm federnden Teppich. Tom erblickte zwei ordentliche Unterstände aus Palmwedeln und ein Lager-

feuer mit Baumstämmen, auf denen man sitzen konnte.

Sonnenlicht strömte zwischen den Wipfeln hindurch. Die Sierra Azul schaute in dunklem Violett vor dem blauen Himmel durch die Lücke. Sally saß am Feuer, und als Tom ins Freie trat, sprang sie auf, nahm ihn am Arm und half ihm, sich hinzusetzen.

»Wie spät ist es?«

»Zehn Uhr morgens«, sagte Sally.

»Wie geht's Philip?«

»Er liegt in der Hängematte. Er ist zwar noch schwach, aber er wird gesund. Vernon schläft gerade das letzte Sta-dium des Fiebers aus. Nimm noch von dem Eintopf. Borabay hat gesagt, wir sollen so viel essen, wie wir nur können.«