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Hauser hängte sich die Steyr AUG wieder über die Schulter und ging den Pfad hinab.

70

Die vier Brüder und ihr Vater ruhten sich im Schatten einer Felswand neben dem Eingang der Grabkammer aus. Sie hatten den größten Teil ihres Proviants verzehrt, und Tom ließ eine Feldflasche mit Wasser herumgehen, aus der alle tranken. Er hätte seinem Vater gern so vieles gesagt und zweifelte nicht daran, dass es seinen Brüdern ebenso ging - doch nach dem ersten Wortschwall waren sie in Schweigen verfallen. Irgendwie war es ihnen genug, nur zusammen zu sein. Sie tranken vom Wasser, und die Feldflasche ließ gurgelnde Geräusche hören. Schließlich war der Behälter wieder bei Tom angelangt. Er verschraubte ihn und schob ihn in seinen kleinen Rucksack hinein.

Schließlich ergriff Maxwell Broadbent das Wort: »Marcus Hauser ist also hier und darauf aus, meine Gruft zu plündern.« Er schüttelte den Kopf. »Was für eine Welt!«

»Tut mir Leid«, wiederholte Philip.

»Es war meine Schuld«, erwiderte Broadbent. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es ist alles meine Schuld.«

Das ist etwas Neues, ging es Tom durch den Kopf. Maxwell Broadbent gestand einen Irrtum ein. Rein äußerlich wirkte er zwar noch immer wie der alte Querulant, den sie kannten, aber er hatte sich verändert. Er hatte sich eindeutig verändert.

»Im Moment möchte ich nur eines, und zwar, dass meine Söhne lebendig hier rauskommen. Ich bin nur eine Last für euch. Lasst mich hier. Seht zu, dass ihr Land gewinnt. Ich kann schon für mich sorgen. Ich werde diesem Hauser einen Empfang bereiten, den er nie vergisst.«

»Was?«, rief Philip. »Nach allem, was wir getan haben, um dich zu retten?« Er war wirklich empört.

»Na, hör mal. In ein, zwei Monaten bin ich ohnehin tot.

Seht zu, dass ihr hier wegkommt. Ich knöpfe mir Hauser schon vor.«

Philip stand auf. Er war außer sich. »Wir haben den ganzen langen Weg doch nicht gemacht, um dich ihm jetzt einfach so auszuliefern, Vater.«

»Ich bin kein guter Grund, dass ihr euer Leben riskiert.«

»Wir nicht gehen ohne dich«, sagte Borabay. »Wind kommt von Osten und bringen heute Abend Gewitter. Wir hier warten, bis dunkel ist, dann gehen. Gehen über Brücke bei Gewitter.«

Broadbent atmete aus und fuhr sich übers Gesicht.

Philip räusperte sich. »Vater?«

»Ja, mein Sohn?«

»Ich spreche das Thema zwar nicht gern an, aber was wird aus dem Zeug in der Grabkammer?«

Tom fiel sofort der Codex ein. Er musste mit. Doch nicht, weil er ihn selbst haben wollte. Er wollte ihn für Sally und die Welt mitnehmen.

Bevor Broadbent das Wort ergriff, schaute er kurz zu Boden. »Ich habe noch keinen Gedanken daran verschwendet.

Die Sachen sind mir einfach nicht mehr wichtig. Aber ich bin froh, dass du es angesprochen hast, Philip. Ich schätze, wir sollten den Lippi und alles mitnehmen, was leicht genug zum Tragen ist. So können wir wenigstens verhindern, dass dem gierigen Scheißkerl alles in die Hände fällt. Es bringt mich zwar um, wenn ich daran denke, dass er den größten Teil von den Sachen kriegt, aber ich nehme an, daran lässt sich nichts ändern.«

»Wenn wir hier rauskommen, benachrichtigen wir das FBI und Interpol ...«

»Hauser kommt trotzdem straflos davon, Philip. Das ist dir doch wohl klar. Da fällt mir was ein. Mit den Kisten in der Gruft stimmt was nicht. Ich hab schon vorher drüber nachgedacht. So ungern ich auch noch mal da reingehe ...

Ich muss was überprüfen.«

»Ich helfe dir«, sagte Philip und sprang auf die Beine.

»Nein, ich muss da allein rein. Borabay, gib mir ein Licht.«

Borabay zündete ein Bündel Riedgras an und reichte es ihm.

Broadbent schob sich durch den Türrahmen. Tom sah, wie der gelbe Lichtschein zwischen Kisten und Kästen tän-zelte. Die Stimme seines Vaters dröhnte zu ihnen heraus:

»Nur Gott weiß, warum mir dieser ganze Scheiß früher so wichtig war.«

Das Licht bewegte sich weiter in die Finsternis hinein, um sich schließlich in ihr zu verlieren.

Philip stand auf. Er ging in einem engen Kreis herum, streckte die Beine durch und zündete seine Pfeife an. »Es würde mir gar nicht gefallen, wenn der Lippi Hauser in die Hände fiele.«

Eine kühle, erheitert klingende Stimme drang plötzlich an ihre Ohren.

»Na, so was ... Hat da gerade jemand meinen Namen genannt?«

71

Hauser sprach leise und besänftigend. Seine Waffe war auf sie gerichtet; sie konnte bei der kleinsten Bewegung losgehen. Die drei Brüder und der Indianer saßen vor der offenen Grabkammer und wandten sich zu ihm um. In ihren Augen stand blankes Entsetzen.

»Machen Sie sich nicht die Mühe aufzustehen. Am besten bewegen Sie überhaupt nichts - außer den Lidern.« Hauser hielt inne. »Freut mich, dass Sie sich erholt haben, Philip.

Der affektierte kleine Blödmann mit der lächerlichen Bruyere-Pfeife, der vor zwei Monaten in mein Büro gestiefelt kam, hat sich ganz gut gemacht.«

Er machte einen lässigen Schritt nach vorn und blieb wieder stehen. Er war bereit, sie bei der geringsten Bewegung abzuknallen. »Wie nett von Ihnen, mich zur Gruft zu führen. Und Sie haben auch noch die Tür für mich geöffnet!

Sehr zuvorkommend. Hören Sie jetzt genau zu: Wenn Sie meinen Anweisungen folgen, wird keinem etwas passieren.«

Er musterte die vier Gesichter. Keiner verfiel in Panik; keiner schien darauf erpicht, den Helden zu spielen. Er hatte es mit vernünftigen Menschen zu tun. Dann sagte er so leise und freundlich wie möglich: »Jemand soll dem Indianer sagen, er soll Pfeil und Bogen ablegen. Aber langsam und vorsichtig -und ohne plötzliche Bewegungen.«

Borabay nahm den Köcher und den Bogen ab und ließ beides vor sich auf den Boden fallen.

»Er versteht also Englisch. Gut. Nun bitte ich Sie alle, nacheinander die Macheten aus der Scheide zu ziehen und auf den Boden zu legen. Sie zuerst, Philip. Bleiben Sie sitzen.«

Philip zog seine Machete und ließ sie fallen.

»Vernon?«

Vernon tat es ihm gleich. Dann folgte Tom.

»Nun möchte ich, dass Sie zu Ihren abgelegten Rucksäk-ken hinübergehen, Philip. Bringen Sie sie her. Aber schön langsam.« Hauser vollführte eine Bewegung mit der Mündung seines Schießeisens.

Philip sammelte die Rucksäcke ein und legte sie Hauser zu Füßen ab.

»Ausgezeichnet! Jetzt leeren wir unsere Hosentaschen.

Stülpt sie heraus und lasst sie draußen. Lasst alles vor euch auf den Boden fallen.«

Alle gehorchten. Hauser war überrascht, als er feststellte, dass sie - im Gegensatz zu seiner Annahme - auch nicht den kleinsten Gegenstand aus der Grabkammer eingesteckt hatten.

»Jetzt steht ihr auf. Alle zusammen, gleichzeitig, und zwar in Zeitlupe. Gut! Jetzt bewegt ihr die Beine von der Kniescheibe abwärts und macht klitzekleine Schrittchen.

Und wehe, ihr haltet die Arme nicht still. Geht da hinter.

Bleibt zusammen. Ja, so. Ein Schritt nach dem anderen.«

Als sie auf diese lächerliche Weise nach hinten schlurften, trat Hauser vor. Wie es für Menschen in Gefahr - und speziell für Angehörige einer aus nächster Nähe mit einer Schusswaffe bedrohten Familie - typisch war, zogen alle den Kopf ein. Hauser hatte dergleichen schon gesehen. Das machte es ihm erheblich leichter.

»Alles ist in bester Ordnung«, sagte er leise. »Ich habe nicht vor, jemanden zu verletzen. Ich bin nur auf Max'