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»Solltest je du mein vergessen,

Niemals doch vergeß ich dein;

Viel begibt sich wohl im Leben,

Doch vergiß auch du nicht mein!«

Mit Tränen in den Augen umarmte Herr Goljadkin seinen Gast, und nachdem er seinen Gefühlen völlig freien Lauf gelassen hatte, weihte er selbst seinen Gast in mehrere seiner Geheimnisse ein, wobei Andrei Filippowitsch und Klara Olsufjewna die Hauptthemata waren. »Na, du und ich, wir passen zusammen, Jakow Petrowitsch,« sagte unser Held zu seinem Gaste; »wir beide, Jakow Petrowitsch, wollen leben wie die Fische im Wasser, wie zwei leibliche Brüder; wir wollen List anwenden, Freundchen, wollen zusammen List anwenden; wir wollen unsererseits eine Intrige gegen sie einfädeln... gegen sie eine Intrige einfädeln. Aber von denen vertraue du dich niemandem an! Ich kenne dich ja, Jakow Petrowitsch, und verstehe deinen Charakter; du erzählst einem gleich alles; du bist eine redliche Seele! Halte dich von denen allen fern, Bruder!« Der Gast war damit völlig einverstanden, dankte Herrn Goljadkin und vergoß zuletzt ebenfalls Tränen. »Weißt du was, lieber Jakow,« sagte Herr Goljadkin mit leiser, zitternder Stimme, »zieh für einige Zeit zu mir, oder auch für immer! Wir passen zusammen. Wie denkst du darüber, Bruder? Rege dich nicht darüber auf und murre nicht darüber, daß zwischen uns jetzt ein so sonderbares Verhältnis besteht; zu murren ist Sünde, Bruder; die Natur hat es so gewollt. Und Mutter Natur ist freigebig; ja, so ist es, Bruder Jakow! Ich sage das, weil ich dich liebe, dich brüderlich liebe. Aber wir beide, lieber Jakow, wollen mit List verfahren und unsererseits Minen anlegen und es ihnen gehörig besorgen.« Von dem Punsche waren schließlich drei, ja vier Gläser auf jeden der beiden gekommen, und nun wurde sich Herr Goljadkin zweier Empfindungen bewußt: der einen, daß er außerordentlich glücklich sei, und der andern, daß er nicht mehr auf den Beinen stehen könne. Der Gast wurde selbstverständlich eingeladen, dort zu übernachten. Ein Bett wurde, so gut es ging, aus zwei Reihen von Stühlen zusammengestellt. Herr Goljadkin der jüngere sprach den Gedanken aus, daß man unter einem befreundeten Dache selbst auf dem nackten Fußboden sanft schlafe; er jedenfalls werde, wo es sich auch träfe, mit Ergebenheit und Dankbarkeit schlafen; jetzt fühle er sich wie im Paradiese; er schloß mit der Bemerkung, er habe in seinem Leben viel Unglück und Leid zu ertragen gehabt; alles habe er ruhig hingenommen und geduldig ausgehalten, und wer kenne die Zukunft? Vielleicht werde er noch mehr zu leiden haben. Herr Goljadkin der ältere machte dagegen Einwendungen und wies darauf hin, daß man all seine Hoffnung auf Gott setzen müsse. Der Gast stimmte ihm völlig bei und sagte, daß natürlich niemand so gut und mächtig sei wie Gott. Hier bemerkte Herr Goljadkin der ältere, daß die Türken in gewisser Hinsicht recht daran täten, den Namen Gottes sogar im Schlafe anzurufen. Darauf äußerte er, er sei mit manchen Gelehrten nicht einverstanden, die gegen den türkischen Propheten Mohammed allerlei Verleumdungen vorbrächten, erkannte ihn als einen großen Politiker in seiner Art an und ging dann zu einer sehr interessanten Beschreibung einer Barbierstube in Algier über, von der er in einem Büchelchen unter »Allerlei« gelesen hatte. Der Gast und der Wirt lachten herzlich über die Einfalt der Türken, konnten aber nicht umhin, ihren durch das Opium hervorgerufenen Fanatismus zu bewundern... Der Gast begann endlich sich zu entkleiden, und Herr Goljadkin ging hinaus hinter die Scheidewand, zum Teil aus Gutherzigkeit, um den Gast, der vielleicht kein anständiges Hemd anhabe, nicht in Verlegenheit zu setzen, da er ohnehin schon genug gelitten habe, und zum andern Teil um sich nach Möglichkeit Petruschkas zu vergewissern, ihn zu sondieren und ihn wenn möglich durch freundliche Worte aufzuheitern, damit alle glücklich waren und keine Spur von Verstimmung zurückbliebe. Es muß bemerkt werden, daß Herr Goljadkin sich immer noch ein wenig über Petruschka beunruhigte.

»Lege dich jetzt schlafen, Petruschka!« sagte Herr Goljadkin sanft, indem er in die Abteilung seines Dieners hereintrat. »Lege dich jetzt schlafen, und morgen um acht Uhr wecke mich! Hörst du, Petruschka?«

Herr Goljadkin sprach in außerordentlich mildem, freundlichem Tone. Aber Petruschka schwieg. Er war in diesem Augenblick damit beschäftigt, sein Bett zu machen, und wendete sich nicht einmal zu seinem Herrn um, was er doch schon aus Respekt gegen ihn hätte tun müssen.

»Hast du gehört, was ich sage, Petruschka?« fuhr Herr Goljadkin fort. »Lege dich jetzt schlafen, und morgen, Petruschka, wecke mich um acht Uhr; verstehst du?«

»Ich werde schon darandenken; große Sache!« brummte Petruschka vor sich hin.

»Nun, nun, Petruschka; ich sage das ja nur so, damit auch du ruhig und glücklich sein kannst. Siehst du, wir sind jetzt alle glücklich; da möchte ich, daß auch du ruhig und glücklich wärest. Jetzt aber wünsche ich dir Gute Nacht. Schlaf dich aus, Petruschka, schlaf dich aus: es hat ein jeder von uns seine Mühe und Arbeit... Und weißt du, lieber Freund, mach dir keine Gedanken darüber, daß...«

Herr Goljadkin hatte den Satz angefangen, hielt dann aber inne. »Sage ich auch nicht zu viel?« dachte er. »Fordere ich auch nicht die Gefahr heraus? So mache ich das immer; ich gehe immer zu weit.« Unser Held ging, sehr unzufrieden mit sich selbst, aus Petruschkas Räume hinaus. Außerdem fühlte er sich durch Petruschkas Respektlosigkeit und Grobheit etwas beleidigt. »Man redet freundlich mit einem solchen Halunken, der Herr erweist ihm eine Ehre, und er hat kein Gefühl dafür,« dachte Herr Goljadkin. »Übrigens findet man diese gemeine Gesinnung bei dieser ganzen Menschenklasse!« Etwas schwankend kehrte er in das Zimmer zurück, und da er sah, daß sein Gast sich schon vollständig hingelegt hätte, setzte er sich für einen Augenblick zu ihm auf das Bett. »Aber das mußt du doch bekennen, lieber Jakow« begann er flüsternd und mit dem Kopfe wackelnd, »du hast dich doch mir gegenüber vergangen, du schändlicher Mensch! Weißt du, Namensvetter, du hast doch... hm...« fuhr er in familiärem, scherzendem Tone fort. Nachdem er endlich freundschaftlich seinem Gaste Gute Nacht gesagt hatte, schickte sich Herr Goljadkin an, schlafen zu gehen. Der Gast schnarchte unterdessen schon. Herr Goljadkin seinerseits begann sich ins Bett zu legen und flüsterte dabei lächelnd vor sich hin: »Du bist heute betrunken, mein Täubchen, Jakow Petrowitsch, du Lump, du armer Schlucker; daß du ein armer Schlucker bist, besagt ja schon dein Familienname!! Na, worüber freust du dich denn? Morgen wirst du ja weinen, du Plärrliese! Was soll ich mit dir anfangen?« Nun aber machte sich eine recht sonderbare Empfindung in Herrn Goljadkins ganzem Wesen geltend, etwas, was mit Zweifel oder Reue Ähnlichkeit hatte. »Ich habe des Guten zuviel getan,« dachte er; »nun brummt mir der Kopf, und ich bin betrunken; und du hast dich nicht beherrschen können, du Dummkopf! Was hast du für einen Haufen dummes Zeug zusammengeschwatzt, und dabei möchtest du noch intrigieren, du Halunke! Allerdings ist Beleidigungen zu verzeihen und zu vergessen die erste Tugend; aber die Sache steht doch schlecht! Ja, so ist das!« Hier stand Herr Goljadkin auf, nahm das Licht und ging auf den Zehen noch einmal hin, um seinen schlafenden Gast zu betrachten. Lange stand er in tiefem Nachdenken über ihn gebeugt da. »Ein unangenehmes Bild! Der reine Spott, der reine Spott; das steht fest!«