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Endlich legte sich Herr Goljadkin definitiv schlafen. In seinem Kopfe brummte, sauste und summte es. Das Bewußtsein schwand ihm... Er machte Anstrengungen, an etwas zu denken, sich an etwas sehr Interessantes zu erinnern, eine sehr wichtige, heikle Frage zu lösen; aber er konnte es nicht. Der Schlummer senkte sich auf sein armes Haupt herab, und er schlief ein, wie gewöhnlich Leute einschlafen, die nicht gewohnt sind, bei einem freundschaftlichen abendlichen Zusammensein fünf Gläser Punsch zu trinken.

8. Kapitel

Wie gewöhnlich erwachte Herr Goljadkin am andern Tage um acht Uhr; nachdem er erwacht war, erinnerte er sich sogleich an alle Ereignisse des gestrigen Abends; bei dieser Erinnerung runzelte er die Stirn. »Wie ein rechter Dummkopf habe ich mich gestern benommen!« dachte er, während er sich vom Bett erhob, und blickte nach dem Bette seines Gastes hin. Aber wie groß war sein Erstaunen, als nicht nur der Gast, sondern sogar auch das Bett, auf dem der Gast geschlafen hatte, aus dem Zimmer verschwunden war! »Was stellt das vor?« schrie Herr Goljadkin beinah laut auf. »Wie geht das zu? Was hat jetzt dieses neue Ereignis zu bedeuten?« Während Herr Goljadkin noch verständnislos mit offenem Munde nach dem leeren Fleck hinsah, knarrte die Tür, und Petruschka kam mit dem Teebrett herein. »Wo ist er, wo ist er?« fragte unser Held kaum hörbar und zeigte mit dem Finger nach der Stelle hin, die gestern dem Gaste angewiesen worden war. Petruschka gab zuerst keine Antwort und sah seinen Herrn sogar nicht einmal an, sondern wandte seine Augen nach der Ecke rechts, so daß Herr Goljadkin selbst genötigt war, nach der Ecke rechts hinzublicken. Nach einigem Stillschweigen indes antwortete Petruschka grob mit heiserer Stimme: »Der Herr ist nicht zu Hause.«

»Du Dummkopf! Ich bin ja doch dein Herr, Petruschka!« stotterte Herr Goljadkin und sah seinen Diener mit weit geöffneten Augen an.

Petruschka antwortete nichts, blickte aber Herrn Goljadkin so an, daß dieser bis über die Ohren errötete; denn dieser beleidigende, vorwurfsvolle Blick konnte die Stelle eines wirklichen Schimpfwortes vertreten. Herr Goljadkin streckte die Waffen. Endlich erklärte Petruschka, »der andere« sei schon vor anderthalb Stunden weggegangen und habe nicht warten wollen. Diese Antwort klang allerdings wahrscheinlich und glaubwürdig; es war klar, daß Petruschka nicht log, und daß sein beleidigender Blick und der von ihm gebrauchte Ausdruck »der andere« nur eine Folge des ganzen bekannten widerwärtigen Umstandes waren; aber dennoch verstand Herr Goljadkin, wenn auch nur undeutlich, daß da etwas nicht geheuer war, und daß das Schicksal für ihn noch irgendeine nicht ganz angenehme Gabe bereit hielt. »Nun gut, wir werden sehen,« dachte er bei sich; »wir werden seinerzeit das alles durchschauen... Ach, Herr du mein Gott,« stöhnte er zum Schlusse in ganz anderem Tone, »warum habe ich ihn eingeladen? Wozu habe ich das getan? Ich stecke ihnen ja selbst meinen Kopf in die Schlinge und ziehe die Schlinge selbst zu! Ach, du Dummkopf, du Dummkopf! Daß du doch auch gar nicht das Maul halten kannst; nein, du mußt dich verplappern wie so ein dummer Junge, wie ein Kanzlist, wie ein Plebejer ohne Rang und Würden, wie ein jämmerlicher Waschlappen, du Schwätzer, du altes Weib!... All ihr Heiligen! Und sogar Verse hat er geschrieben, der Gauner, und mir seine Liebe erklärt! Wie könnte ich nun, hm... Wie könnte ich nun dem Gauner in anständiger Manier die Tür weisen, wenn er wiederkommt? Es gibt ja da natürlich viele verschiedene Redewendungen und Hilfsmittel. Ich könnte sagen: ›So und so, bei meinem geringen Gehalte...‹; Oder ich könnte ihm bange machen und sagen: ›In Erwägung dieses und dieses Umstandes sehe ich mich genötigt, Ihnen mitzuteilen, daß Sie die Kosten der Wohnung und der Beköstigung zur Hälfte tragen und das Geld im voraus zahlen müssen‹; Hm! nein, hol's der Teufel, nein! Das würde meine Ehre beflecken. Das ist nicht recht zartfühlend! Vielleicht könnte ich es so machen: ich könnte Petruschka instruieren, daß er ihn irgendwie ärgern, ihn nachlässig und grob behandeln solle, und ihn mir auf diese Art vom Halse schaffen? Ich müßte sie so zusammenhetzen... Nein, hol's der Teufel, nein! Das ist gefährlich, und ferner, wenn man es aus einem andern Gesichtspunkte betrachtet... es ist ganz und gar nicht schön! Ganz und gar nicht schön! Aber wenn er nun nicht wieder herkommt? Auch das wäre übel! Ich habe ihm gestern abend gar zu viel ausgeschwatzt!... Ach, schlimm, schlimm! Ach, wie schlimm steht meine Sache! Ach, ich Dummkopf, ich verdammter Dummkopf! Kannst du nicht lernen, wie du dich benehmen mußt? Kannst du nicht endlich zur Vernunft kommen? Na, wenn er nun aber herkommt und absagt? Ach, gebe Gott, daß er käme! Ich würde sehr froh sein, wenn er käme...« So überlegte Herr Goljadkin, während er seinen Tee trank und fortwährend nach der Wanduhr blickte. »Jetzt ist es drei Viertel auf neun; nun ist es Zeit zu gehen. Aber was wird nun geschehen? Was wird mir passieren? Ich möchte gern wissen, was sich da eigentlich Besonderes hinter dem Vorhang verbirgt, was für Absichten und Pläne sie haben, und was für Steine sie mir in den Weg werfen wollen. Es wäre gut, wenn ich erfahren könnte, was für ein Ziel eigentlich diese ganze Bande im Auge hat, und welches der erste Schritt ist, den sie unternehmen wollen...« Herr Goljadkin konnte es nicht länger aushalten; er warf die noch nicht ausgerauchte Pfeife hin, zog sich an und ging in den Dienst, um womöglich die Gefahr aufzudecken und sich über alles durch seine persönliche Anwesenheit Gewißheit zu verschaffen. Aber Gefahr war vorhanden: das wußte er selbst, daß Gefahr vorhanden war. »Aber auch diese Nuß werden wir schon knacken!« sagte Herr Goljadkin, indem er den Mantel und die Überschuhe im Vorzimmer ablegte; »nun werden wir all diese Dinge sofort durchschauen.« Nachdem er in dieser Weise zu handeln beschlossen hatte, machte unser Held seinen Anzug zurecht, nahm eine wohlanständige Dienstmiene an und wollte eben in das anstoßende Zimmer treten, als plötzlich gerade in der Tür sein Bekannter und Freund von gestern mit ihm zusammenstieß. Herr Goljadkin der jüngere schien Herrn Goljadkin den älteren nicht zu bemerken, obwohl sich beinahe ihre Nasen berührten. Herr Goljadkin der jüngere war, wie es schien, sehr beschäftigt, hatte es eilig, irgendwohin zu kommen, und war außer Atem; er hatte eine solche Amts- und Geschäftsmiene, daß, wie es schien, jeder auf seinem Gesichte lesen konnte: »Mit einem besonderen Auftrage betraut...«