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»Also so haben sie den wichtigsten Knoten geschürzt!« rief Herr Goljadkin, indem er sich vor die Stirn schlug und die Augen immer weiter öffnete; »also im Hause dieses greulichen deutschen Frauenzimmers laufen jetzt alle Fäden dieses höllischen Komplotts zusammen! Also hat sie nur eine strategische Diversion gemacht, indem sie mich nach der Ismailowski-Brücke hinwies; sie hat mir Sand in die Augen gestreut, mich wirr gemacht, die nichtswürdige Hexe, und auf diese Art ihre unterirdischen Minen gelegt!!! Ja, so ist es! Wenn man die Sache von dieser Seite betrachtet, dann sieht man, daß sich alles genau so verhält! Auch das Erscheinen jenes Schurken erklärt sich jetzt vollkommen: da hängt eins mit dem andern zusammen. Sie hatten ihn schon lange beschafft, ihn zurechtgemacht und hielten ihn für den Unglückstag in Bereitschaft. So also hat sich jetzt alles herausgestellt! Wie hat nur alles diese Wendung nehmen können? Nun, es macht nichts! Noch ist das Spiel nicht verloren!...« Hier erinnerte sich Herr Goljadkin mit Schrecken daran, daß es bereits zwischen ein und zwei Uhr nachmittags war. »Aber wenn es ihnen nun inzwischen gelungen ist...« Ein Stöhnen entrang sich seiner Brust... »Aber nein, sie lügen, es ist ihnen noch nicht gelungen, – wir wollen sehen...« Er kleidete sich notdürftig an, ergriff Papier und Feder und schrieb den folgenden Brief:

»Geehrter Herr,

Jakow Petrowitsch!

»Entweder Sie oder ich; aber nebeneinander haben wir nicht Platz! Und darum erkläre ich Ihnen, daß Ihr sonderbares, lächerliches und zugleich ganz unglaubliches Bemühen, als mein Zwillingsbruder zu erscheinen und sich für einen solchen auszugeben, zu nichts anderem führen kann als zu Ihrer vollständigen Beschämung und Niederlage. Deshalb ersuche ich Sie in Ihrem eigenen Interesse, den Weg freizugeben und wahrhaft anständigen Leuten, welche moralisch gute Ziele verfolgen, den Platz zu räumen. Andernfalls bin ich entschlossen, auch vor den äußersten Maßregeln nicht zurückzuschrecken. Ich lege die Feder hin und werde warten... Im übrigen verbleibe ich zu Ihren Diensten... auch mit der Pistole.

J. Goljadkin.«

Als unser Held dieses Schreiben beendet hatte, rieb er sich energisch die Hände. Dann zog er sich den Mantel an, setzte sich den Hut auf, schloß mit seinem Reserveschlüssel die Entreetür auf und machte sich auf den Weg nach der Kanzlei. Er gelangte auch bis zum Amtsgebäude; aber hineinzugehen konnte er sich nicht entschließen; es war in der Tat schon zu spät; Herrn Goljadkins Uhr zeigte halb drei. Plötzlich löste ein anscheinend geringfügiger Umstand einige Zweifel des Herrn Goljadkin: um eine Ecke des Amtsgebäudes herum kam auf einmal schwer atmend und mit gerötetem Gesicht eine Gestalt, huschte heimlich wie eine Ratte die Stufen vor der Haustür hinan und verschwand im Flur. Dies war der Schreiber Ostafjew, ein Mensch, der Herrn Goljadkin sehr wohlbekannt war, ein Mensch, den man mitunter brauchen konnte, und der sich für ein Zehnkopekenstück zu allem bereit finden ließ. Da er Ostafjews schwache Seite kannte und wußte, daß dieser nach einer kurzen Abwesenheit »wegen eines dringenden Bedürfnisses« wahrscheinlich noch größeres Verlangen nach Zehnkopekenstücken tragen werde als sonst, so entschloß sich unser Held, das Geld nicht zu sparen, und lief sofort hinter Ostafjew her die Stufen hinan und dann auf den Flur, rief ihn an und forderte ihn mit geheimnisvoller Miene auf, mit ihm zur Seite zu treten, in ein stilles Winkelchen hinter einem gewaltigen eisernen Ofen. Nachdem er ihn dorthin geführt hatte, begann unser Held ihn auszufragen:

»Nun, mein Freund, wie steht es dort damit?... Du verstehst mich doch?«

»Ich stehe zu Ihren Diensten, Euer Wohlgeboren, und wünsche Euer Wohlgeboren eine gute Gesundheit.«

»Gut, mein Freund, gut; ich danke dir, lieber Freund. Nun also, siehst du, wie steht es denn, mein Freund?«

»Was wünschen Sie zu wissen?« Hier hielt sich Ostafjew ein wenig die Hand vor den Mund, den er beim Reden öffnen mußte.

»Ich... siehst du, mein Freund, ich wollte... hm... denke nur nichts Schlimmes... Also, ist Andrei Filippowitsch da?«

»Jawohl, er ist da.«

»Sind auch die Beamten da?«

»Ja, auch die Beamten sind da, wie es in der Ordnung ist.«

»Und Seine Exzellenz auch?«

»Ja, Seine Exzellenz auch.« Hier verdeckte der Schreiber zum zweitenmal den geöffneten Mund mit der Hand und richtete einen eigentümlichen, neugierigen Blick auf Herrn Goljadkin. Wenigstens kam es unserem Helden so vor.

»Und gibt es da nichts Besonderes, mein Freund?«

»Nein, gar nichts.«

»Ich meine, etwas, was mich betrifft, lieber Freund; wird da etwas geredet? Ich meine nur so, lieber Freund; verstehst du?«

»Nein, bis jetzt ist nichts zu hören gewesen.« Der Schreiber hielt wieder die Hand vor den Mund und blickte Herrn Goljadkin wieder seltsam an. Unser Held bemühte sich nämlich jetzt, Ostafjews Miene zu durchschauen, auf seinem Gesichte zu lesen, ob sich da auch nicht etwas verberge. Und es machte wirklich den Eindruck, als ob sich da etwas verbarg: Ostafjew wurde nämlich immer weniger höflich, redete in immer trockenerem Tone und ging nicht mehr mit solchem Interesse wie bei Beginn des Gespräches auf Herrn Goljadkins Fragen ein. »Er hat ja bis zu einem gewissen Grade recht,« dachte Herr Goljadkin; »was gehe ich ihn an? Vielleicht hat er auch schon von der Gegenseite etwas bekommen und hat sich darum wegen eines dringenden Bedürfnisses entfernt. Aber ich will ihm doch auch etwas...« Herr Goljadkin sagte sich, daß der richtige Zeitpunkt für die Zehnkopekenstücke gekommen sei.

»Hier ist etwas für dich, lieber Freund...«

»Ich danke Euer Wohlgeboren von ganzem Herzen.«

»Ich werde dir noch mehr geben.«

»Zu Diensten, Euer Wohlgeboren.«

»Jetzt gleich werde ich dir noch mehr geben, und wenn die Sache erledigt ist, noch einmal die gleiche Summe. Verstehst du?«

Der Schreiber schwieg, nahm eine militärisch stramme Haltung an und hielt seinen Blick unbeweglich auf Herrn Goljadkin gerichtet.

»Nun, dann rede jetzt: hat über mich nichts verlautet?«

»Es scheint, daß bis jetzt, vorläufig... hm... daß vorläufig noch nichts verlautet hat.« Ostafjew antwortete in einzelnen Absätzen, machte ebenso wie Herr Goljadkin eine etwas geheimnisvolle Miene, zuckte ein wenig mit den Augenbrauen, blickte zu Boden, bemühte sich, den richtigen Ton zu treffen, kurz, er war mit aller Kraft bestrebt, die versprochene Belohnung zu verdienen; denn das, was ihm bereits gegeben war, hielt er schon für sein wohlerworbenes Eigentum.

»Und es ist nichts bekannt?«

»Bis jetzt noch nicht.«

»Aber höre... hm... es wird vielleicht etwas bekannt werden?«

»Später natürlich wird vielleicht etwas bekannt werden.«