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»Skalis Leute«, ergänzte Sludig. Seine Augen waren hart. Die Sithi forderten jetzt durch Gesten ihre Gefangenen auf, sich zu erheben. »Zwei von ihnen trugen den Raben von Kaldskryke«, fuhr Sludig fort und stand auf. »Oh, wie ich darum bete, Skali zu erwischen, wenn einmal nur noch unsere Äxte zwischen uns stehen.«

»Darauf hoffen noch ganze Heerscharen von anderen Leuten«, meinte Binabik.

»Wartet!« begann Simon, der sich innerlich ganz ausgehöhlt fühlte. So war das alles nicht richtig. Er wandte sich an den Führer des Sithitrupps. »Du hast meinen Pfeil gesehen und weißt, daß meine Geschichte wahr ist. Du kannst uns nirgendwohin bringen oder etwas mit uns tun, bevor wir nicht festgestellt haben, was aus unserem Gefährten geworden ist.«

Der Sitha musterte ihn prüfend. »Ich weiß nicht, ob deine Geschichte wahr ist, Menschenkind, aber wir werden es bald herausfinden. Schneller, als dir vielleicht lieb ist. Was das Übrige betrifft…« Er betrachtete einen Augenblick lang Simons zerlumpte Schar. »Also gut. Wir erlauben euch, nach eurem Mann zu sehen.« Er sprach mit seinen Kameraden, und sie folgten Simon und den anderen den Berg hinunter.

Die schweigenden Männer kamen an den von Pfeilfedern starrenden Leichen zweier ihrer Angreifer vorbei. Ihre Augen waren aufgerissen, die Münder standen weit offen. Schon legte sich neuer Schnee über die stillen Gestalten und deckte die purpurroten Flecken zu.

Sie fanden Ethelbearn hundert Ellen von der Seestraße entfernt. Der abgebrochene Schaft eines Eschenholzpfeiles ragte ihm unter dem Bart seitlich aus dem Hals, und die verdrehte Haltung mit den gespreizten Gliedern deutete darauf hin, daß sich sein Pferd im Todeskampf über ihn gewälzt hatte.

»Hat nicht lang gebraucht zum Sterben«, sagte Haestan, in dessen Augen Tränen standen. »Ädon sei gelobt, ein schneller Tod.«

Sie hoben, so gut sie konnten, eine Grube für ihn aus. Mit Schwertern und Äxten hackten sie auf den harten Boden ein; gleichgültig wie Gänse standen die Sithi daneben. Die Gefährten wickelten Ethelbearn in seinen dicken Mantel und legten ihn in das flache Grab. Als er zugedeckt war, rammte Simon das Schwert des Toten als Grabzeichen in die Erde.

»Nimm seinen Helm«, forderte Haestan Sludig auf, und Grimmric nickte. »Er würde nicht wollen, daß er dort nutzlos liegt«, meinte er. Sludig hängte seinen eigenen zerspellten Helm an Ethelbearns Schwertknauf und nahm dann den anderen, den man ihm entgegenstreckte. »Wir werden dich rächen, Mann«, erklärte der Rimmersgarder. »Blut um Blut.«

Schweigen senkte sich über sie. Schnee sickerte durch die Bäume. Sie standen da und starrten auf das Stück nackte Erde. Bald würde alles wieder weiß sein.

»Kommt jetzt«, sagte der Anführer der Sithi endlich. »Wir haben lange genug auf euch gewartet. Es gibt jemanden, der diesen Pfeil sehen möchte.«

Simon ging als letzter. Ich hatte kaum Zeit, dich kennenzulernen, Ethelbearn, dachte er. Aber du hattest ein gutes Lachen. Das werde ich nicht vergessen.

Sie wandten sich um und schlugen wieder den Weg in die kalten Berge ein.

Die Spinne hing unbeweglich da, ein stumpfbrauner Edelstein in einem kunstvollen Halsband. Ihr Netz war fertig, die letzten Fäden waren zierlich an ihren Platz gelegt; es reichte von der einen Seite der Deckenecke zur anderen und schwankte leise in der aufsteigenden Luft, als zupften unsichtbare Hände daran. Einen Moment verlor Isgrimnur den Gesprächsfaden, obwohl es ein wichtiges Gespräch war. Seine Augen waren von den bedrückten Gesichtern, die sich in der großen Halle um den Kamin drängten, fortgewandert, hatten die dunkle Ecke gestreift und die kleine Baumeisterin entdeckt, die sich dort ausruhte.

Das nenne ich vernünftig, sagte er zu sich selbst. Man baut sich etwas, und dort bleibt man dann. So sollte es sein. Nicht dieses dauernde Hin und Her, bei dem man seine Angehörigen oder die heimatlichen Dächer manchmal ein Jahr lang nicht zu Gesicht bekommt.

Er dachte an seine Frau Gutrun, die Scharfäugige mit den roten Wangen. Kein Wort des Vorwurfes hatte er von ihr gehört, aber er wußte, daß sie zornig war, weil er so lange von Elvritshalla fortgeblieben war und es ihrem ältesten Sohn, dem Stolz ihres Herzens, überlassen hatte, das große Herzogtum zu regieren … und dabei zu versagen. Nicht daß Isorn oder sonst jemand in Rimmersgard Skali und seine Anhänger hätten aufhalten können, nicht mit der Macht des Hochkönigs hinter ihnen. Aber es war der junge Isorn gewesen, der dort geboten hatte, während sein Vater fern war, und es war Isorn, an den man sich als denjenigen erinnern würde, der zugesehen hatte, wie die Kaldskryke-Leute, die Erbfeinde der Männer von Elvritshalla, prahlerisch durch das Langhaus stolzierten – als die neuen Herren und Gebieter.

Und ich hatte mich diesmal so darauf gefreut, nach Hause zu kommen, dachte der alte Herzog traurig. Es wäre so schön gewesen, mich um meine Pferde und Kühe zu kümmern, ein paar Streitigkeiten in der Nachbarschaft zu schlichten und zuzusehen, wie meine Kinder ihre Kinder erziehen. Statt dessen ist das ganze Land zerrissen wie ein leckes Strohdach. Gott helfe mir, ich hatte schon vor Jahren das Kämpfen satt … soviel ich auch davon geschwatzt habe.

Schließlich waren Kämpfe vor allem etwas für junge Männer, deren Bindung ans Leben locker und sorglos war. Und etwas, von dem alte Männer reden, an das sie sich erinnern konnten, wenn sie in ihrer Halle im Warmen saßen und der Winter draußen vor der Tür heulte.

Für einen verdammten alten Hund wie mich ist es jetzt Zeit, sich vors Feuer zu legen und zu schlafen.

Er zupfte an seinem Bart und sah zu, wie die Spinne in die dunkle Dachecke hinüberkroch, wo sich unerwartet eine unvorsichtige Fliege niedergelassen hatte.

Wir dachten, Johan hätte einen Frieden geschmiedet, der tausend Jahre halten müßte, und nun hat der Friede Johans Tod nicht einmal zwei Sommer überdauert. Man baut und baut immer weiter, legt Faden über Faden wie die Kleine dort oben – und dann kommt ein Wind und bläst alles in Fetzen.

»… und so habe ich zwei Pferde beinahe zuschanden geritten, um Euch die Nachricht so schnell wie möglich zu bringen, Herr«, schloß der junge Mann, als Isgrimnur sein Ohr wieder der dringenden Besprechung zuwendete.

»Das hast du großartig gemacht, Deornoth«, antwortete Josua. »Bitte steh auf.«

Mit vom Ritt noch feuchtem Gesicht und strähnigem Haar erhob sich der junge Soldat und wickelte sich fester in die dicke Decke, die der Prinz ihm gereicht hatte. Er sah ganz ähnlich aus wie damals, als er im Gewand des heiligen Mönches zur Feier des Sankt-Tunath-Tages dem Prinzen die Nachricht vom Tod seines Vaters gebracht hatte.

Der Prinz legte Deornoth die Hand auf die Schulter. »Ich bin froh, daß du wieder hier bist. Ich habe für deine Sicherheit gefürchtet und mich selbst verwünscht, weil ich dich auf einen so gefährlichen Weg schicken mußte.« Er wandte sich an die anderen Männer. »Nun. Ihr habt Deornoths Bericht gehört. Elias ist endlich aufgebrochen. Er ist unterwegs nach Naglimund, mit … Deornoth? Wieviel hast du gesagt?«

»Mit ungefähr tausend Rittern oder noch mehr, und an die zehntausend Fußsoldaten«, erwiderte Deornoth betrübt. »Das ist der am glaubwürdigsten scheinende Durchschnitt aus den verschiedensten Angaben.«

»Das glaube ich auch.« Josua machte eine Handbewegung. »Und es bleiben uns höchstens noch vierzehn Tage, bis er vor unseren Mauern steht.«

»Das ist auch meine Meinung, Herr«, nickte Deornoth.

»Und was hört man von meinem Gebieter?« erkundigte sich Devasalles.

»Nun, Baron«, begann der Soldat und biß die Zähne zusammen, bis ein Anfall von Schüttelfrost vorbei war, »in Nad Mullagh war alles vollkommen durcheinander – natürlich verständlich bei dem, was im Westen vorgeht…« Er brach ab und warf einen Blick auf Prinz Gwythinn, der ein Stückchen entfernt von den anderen saß und unglücklich an die Decke starrte.