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Der Mann in der Hundemaske fluchte matt und spie einen weiteren Blutklumpen in den Schnee. Jeder Geringere, das wußte er, wäre längst tot gewesen, hätte er mit zerschmetterten Beinen und zerquetschten Rippen in der Kälte liegen müssen. Aber dieser Gedanke war nur ein schwacher Trost. All die Jahre ritueller Übung und abhärtender Knochenarbeit, die ihm das Leben gerettet hatten, als das sterbende Pferd sich über ihn gewälzt hatte, würden sich als sinnlos erweisen, wenn er nicht bald einen geschützten, trockenen Ort erreichte. Noch ein paar Stunden im Schnee würden vollenden, was sein sterbendes Roß begonnen hatte.

Die verdammten Sithi – deren unerwartetes Eingreifen geradezu unglaublich war – hatten ihre menschlichen Gefangenen nur wenige Schritte neben der Stelle vorbeigeführt, an der er versteckt gelegen hatte, begraben unter einem halben Fuß Schnee. Er hatte alle Reserven an Kraft und Mut aufgeboten, um übernatürlich still auszuharren, während das Schöne Volk sich auf dem Platz umsah. Sie mußten zu dem Schluß gekommen sein, er habe sich irgendwo verkrochen, um zu sterben – worauf er natürlich gehofft hatte –, und waren bald weitergezogen.

Jetzt duckte er sich zitternd dort zusammen, wo er sich aus der verhüllenden weißen Decke hervorgewühlt hatte, und sammelte seine Kräfte für den nächsten Schritt. Seine einzige Hoffnung lag darin, auf irgendeine Weise nach Haethstad zurückzugelangen, wo inzwischen zwei seiner eigenen Männer auf ihn warten mußten. Er verfluchte sich selbst hundertfach, weil er so dumm gewesen war, sich auf Skalis ungeschickte Tölpel zu verlassen – betrunkene Plünderer und Frauenprügler, nichts anderes waren sie, nicht wert, ihm die Stiefel zu putzen. Wäre er nur nicht gezwungen gewesen, seine eigenen Leute in einer anderen Sache fortzuschicken!

Er schüttelte den Kopf, um die wirbelnden, tanzenden Lichtfünkchen loszuwerden, die vom allmählich dunkler werdenden Himmel herunterschwebten. Dann spitzte er die aufgesprungenen Lippen. Aus der geifernden Hundeschnauze ertönte höchst unpassend der Schrei einer Schnee-Eule. Während er wartete, versuchte er nochmals vergeblich aufzustehen, oder wenigstens zu kriechen. Es war sinnlos; beide Beine schienen ernstlich verletzt. Ohne sich um den brennenden Schmerz in den gebrochenen Rippen zu kümmern, zog er sich mit den Händen ein Stück näher auf die Bäume zu, mußte dann aber innehalten. Flach lag er auf dem Boden und rang nach Luft.

Gleich darauf spürte er heißen Wind und hob den Kopf. Wie in einem wunderlichen Spiegel hatte sich die schwarze Schnauze des Helms verdoppelt: Wenige Zoll von ihm entfernt grinste ein weißes Maul.

»Niku'a«, keuchte er in einer Sprache, die keine Ähnlichkeit mit seiner Schwarz-Rimmerspakk hatte. »Komm her, Udun verdamm dich! Komm!«

Der gewaltige Hund kam einen weiteren Schritt näher, bis er hoch vor seinem verletzten Herrn aufragte.

»Jetzt … bleib stehen«, befahl der Mann und griff mit starken Händen nach dem weißen Lederhalsband, um sich daran festzuhalten. »Und zieh

Er stöhnte qualvoll auf, als der Hund wirklich zog, aber sein Griff blieb fest. Unter der starren Hundemaske des Helms hatte er die Zähne zusammengebissen, die Augen wollten ihm aus dem Kopf treten. Der hämmernde, reißende Schmerz machte ihn beinahe ohnmächtig, als der Hund ihn holpernd über den Schnee zerrte, aber er lockerte keinen Finger, bevor er den Schutz der Bäume erreicht hatte. Erst dann ließ er los, ließ alles los. Er glitt hinab in die Dunkelheit, fand kurzen Aufschub von seinen Schmerzen.

Als er aufwachte, war das Grau des Himmels um mehrere Töne dunkler geworden, und der Wind hatte eine pudrige Schneeschicht über ihn gelegt wie eine Decke. Noch immer wartete der gewaltige Hund Niku'a, trotz seines kurzen Felles ungerührt und ohne zu zittern, so als liege er behaglich vor einem lodernden Kamin. Der Mann auf der Erde war nicht überrascht; er kannte die eisigen schwarzen Zwinger von Sturmspitze gut und wußte, wie die Tiere dort aufwuchsen. Er betrachtete Niku'as rotes Maul und die krummen Zähne, die winzigen weißen Augen wie milchige Gifttropfen und war wieder einmal dankbar, daß er den Hunden folgte, und nicht umgekehrt.

Er streifte den Helm ab – nicht ohne Mühe, denn der Sturz hatte ihn verbogen – und stellte ihn neben sich in den Schnee. Dann schnitt er mit dem Messer seinen schwarzen Mantel in lange Streifen. Bald darauf begann er mühselig, ein paar schlanke, junge Bäume abzusägen. Es war eine furchtbare Arbeit für seine geschundenen Rippen, aber er mißachtete, so gut er konnte, den brennenden Schmerz und arbeitete weiter. Er hatte zwei hervorragende Gründe, am Leben zu bleiben: die Pflicht, seiner Gebieterin vom unerwarteten Angriff der Sithi zu berichten, und seinen eigenen, noch stärker gewordenen Wunsch nach Rache an diesem zusammengewürfelten Gesindel, das ihm schon allzu oft einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.

Das blauweiße Auge des Mondes spähte längst neugierig durch die Baumwipfel, als er endlich mit dem Schneiden fertig war. Mit Hilfe der Streifen aus dem Mantel band er sich eine Anzahl der kürzeren Stöcke als Schienen fest um beide Beine. Dann saß er da, die Beine steif vor sich ausgestreckt wie ein Kind, das im Staub Nullen und Kreuze spielt, und schnürte kurze Querstücke an die Spitzen der beiden langen Stäbe, die übriggeblieben waren. Er hielt sie vorsichtig fest und packte dann wieder Niku'as Halsband, um sich von dem langen, leichenweißen Hund in die Höhe ziehen zu lassen. Gefährlich schwankend stand er da, bis es ihm gelang, sich die neugebauten Krücken unter die Arme zu schieben.

Er versuchte ein paar Schritte und schaukelte dabei ungeschickt auf den starren Beinen. Es würde schon gehen, entschied er und zuckte vor dem bohrenden Schmerz zusammen, aber er hatte keine Wahl.

Er warf einen Blick auf den Helm mit der geifernden Schnauze, der unter ihm im Schnee lag, und überlegte, wie mühsam es sein würde, ihn aufzuheben, und wie schwer dieses jetzt unbrauchbare Ding wöge. Dann bückte er sich keuchend und griff trotzdem danach. In den heiligen Höhlen von Sturmrspeik war ihm der Helm verliehen worden, von IHR, als sie ihn zu ihrem geweihten Jäger ernannte – ihn, einen Sterblichen! Er konnte ihn ebensowenig im Schnee liegenlassen, wie er sein eigenes pochendes Herz hätte aufgeben können. Er erinnerte sich an jenen unfaßlichen, berauschenden Augenblick, an das Flackern der blauen Lichter in der Halle der Atmenden Harfe, als er vor dem Thron, vor dem ruhig-gelassenen Schimmer ihrer silbernen Maske gekniet hatte.

Kurze Zeit betäubte der Wein der Erinnerung den furchtbaren Schmerz. Niku'a trottete lautlos hinter ihm her, und Ingen Jegger kletterte hinkend den langen, bewaldeten Hang hinunter und dachte dabei sorgfältig über seine Rache nach.

Simon und seine Gefährten, jetzt um einen Mann vermindert, spürten wenig Lust zum Reden, und die Sithi ermunterten sie auch nicht dazu. Schweigend stapften sie langsam durch den Schneeteppich der Vorberge, während der graue Nachmittag in den Abend überging.

Die Sithi schienen ihr Ziel genau zu kennen, obwohl für Simon die fichtenbedeckten Hänge alle gleich aussahen und ein Fleck wie der andere schien. Zwar bewegten sich die Bernsteinaugen des Anführers rastlos im maskenhaften Gesicht, aber nie machte er den Eindruck, als suche er etwas; eher sah es aus, als lese er die komplizierte Sprache der Landschaft so kenntnisreich wie Vater Strangyeard die Bücher auf seinen Regalen.

Das einzige Mal, daß der Sithiführer überhaupt eine Regung zeigte, war gleich zu Anfang ihres Marsches, als Qantaqa eine Böschung heruntergetrottet kam und sich zu Binabik gesellte; mit zuckender Nase schnüffelte sie an der Hand des Trolls, den Schwanz unruhig zwischen den Beinen. Der Sitha hob mit leiser Neugier die Brauen und tauschte dann Blicke mit seinen Kameraden, deren ohnehin schmale Augen noch schmaler geworden waren. Er gab kein für Simon erkennbares Zeichen, aber die Wölfin durfte ungehindert neben ihnen herlaufen.

Das Tageslicht verschwand bereits, als die seltsamen Wandergefährten endlich nach Norden umschwenkten und kurz darauf langsam den Fuß eines Steilhanges umkreisten, dessen verschneite Flanken mit daraus hervorragenden, kahlen Felsen besetzt waren. Simon, dessen Schock und Betäubtheit sich soweit gelegt hatten, daß er sich seiner schmerzhaft kalten Füße nur allzu bewußt war, empfand stille Dankbarkeit, als der Anführer der Sithi ihnen winkte, stehenzubleiben.