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Das Knarren nahm an Lautstärke zu, während der beißende, lehmige Geruch der Furchen schwächer wurde. Der Pflug kam näher; es klang, als sei der Wagen direkt hinter ihm. Schliefen die Ochsentreiber? Hatte jemand die Ochsen unbeaufsichtigt die Felder zerstampfen lassen? Er empfand kindisches Entsetzen.

Der Alte wird stocksauer sein – War ich das etwa? Hätte ich auf sie aufpassen sollen? Er wußte, wie sein Vater aussehen würde, das verkniffene, vor Wut fleckige Gesicht, das keine Entschuldigung zuließ, das Gesicht Gottes, so hatte der junge Deornoth stets gedacht, der einen Sünder zur Hölle schickt. Mutter Elysia, mit dem Riemen wird er mich schlagen, ganz bestimmt…

Keuchend fuhr er vom Strohsack auf. Sein Herz hämmerte so wild wie nach dem Hai-Traum. Als Deornoth sich in der Kaserne umblickte, wurde es nach und nach langsamer.

Wie lange bist du schon tot, Vater? fragte er sich selber und wischte sich mit dem Handgelenk den schnell erkaltenden Schweiß von der Stirn. Warum verfolgst du mich immer noch? Haben dich die Jahre und Gebete nicht …?

Jäh fühlte Deornoth Furcht mit kaltem Finger über sein Rückgrat streichen. Er war jetzt doch wach, oder etwa nicht? Warum war dann das erbarmungslose Knarren nicht verstummt, als sein halber Traum verging? Sofort war er auf den Beinen, laut schreiend, der Geist des toten Vaters ausgelöscht wie eine Kerze.

»Auf, Männer, auf! Zu den Waffen! Die Belagerung hat begonnen!«

Im Laufen streifte er das Panzerhemd über, vorbei an der Reihe der Feldbetten, trat die Benommenen und Weinwirren wach, rief denen, die sein erster Aufschrei blitzartig zum Leben erweckt hatte, Befehle zu. Vom Torhaus über ihnen kamen Alarmrufe und das rauhe Blöken einer Trompete.

Den Helm schief auf dem Kopf, trabte er zur Tür hinaus. Er kämpfte mit seinem Schwertgurt; der Schild schlug ihm gegen die Flanke. Deornoth steckte die Nase in den anderen Kasernenraum und sah dessen Bewohner bereits aufgestanden und hastig dabei, sich zu wappnen.

»Ho, Naglimunder!« rief er und schwang die Faust, während er mit der anderen den Gürtel zuhielt. »Jetzt gilt es, bei der Liebe Gottes, jetzt gilt es!«

Er lächelte über den wilden Schrei, der ihm antwortete, und rannte nach der Treppe. Unterwegs richtete er sich den Helm gerade.

Der obere Stock des großen Torhauses in der westlichen Vormauer sah im Schein des Halbmondes sonderbar unförmig aus: Erst vor wenigen Tagen hatte man die Bretterverschalungen fertiggestellt, Holzwände und ein Dach, die die Verteidiger vor Pfeilen schützen sollten. Schon wimmelte es dort oben von halbbekleideten Wachen, auf deren hin und her huschende Gestalten die durch die Bretterwände sickernden Mondstrahlen unheimliche Streifen malten.

Überall auf der Mauer loderten Fackeln auf. Bogenschützen und Spießkämpfer nahmen ihre Stellungen ein. Wieder krähte eine Trompete, wie ein Hahn, der es aufgegeben hat, auf den Morgen zu warten, und rief weitere Soldaten auf den Hof hinaus.

Der schrille Protest hölzerner Räder wurde lauter. Deornoth starrte auf die kahle, abschüssige Ebene unterhalb der Stadtmauer und suchte den Ursprung des Geräusches. Er wußte, was es sein mußte, ohne doch wirklich auf den Anblick gefaßt zu sein.

»Gottes blutiger Baum!« fluchte er und hörte, wie der Mann neben ihm die Verwünschung wiederholte.

Was da langsam wie gefesselte Giganten auf sie zurollte und in den Schatten vor der Morgendämmerung Gestalt gewann, waren sechs gewaltige Belagerungstürme, deren hölzerne Plattformen Naglimunds mächtiger Vormauer an Höhe keinen Zoll nachstanden. Über und über mit dunklen Tierhäuten behangen, schoben sie sich vorwärts wie baumlange, vierkantschädlige Bären; das Ächzen und Geschrei der Männer, die sie bewegten, und das Kreischen der haushohen Räder klangen wie Stimmen von Ungeheuern, wie sie seit Urzeiten niemand mehr erblickt hatte.

Deornoth überkam eine nicht unangenehme Wallung von Furcht. Endlich war der König da; sein Heer stand vor ihren Toren. Beim Guten Gott, wie immer es auch ausgehen mochte, von diesem Tag würden einst die Lieder singen!

»Spart eure Pfeile, Dummköpfe!« schrie er, als einige der Verteidiger wild ins Dunkel schossen, obwohl die Pfeile die noch fernen Ziele gar nicht erreichen konnten. »Wartet, wartet, wartet! Sie werden schon bald näher bei euch sein, als es euch lieb ist!«

Wie als Antwort auf das Feuer, das auf Naglimunds Wällen loderte, ließ Elias' Heer seine Trommeln durch die Finsternis dröhnen, ein lautes, rollendes Grollen, das nach und nach in einen schweren Doppelschlag wie von titanischen Schritten überging. Die Verteidiger bliesen von allen Türmen ihre Hörner – nur ein schwacher und blecherner Ton gegen das Krachen der Trommeln, aber trotzdem ein Zeichen von Leben und Widerstand.

Deornoth fühlte eine Hand auf der Schulter und blickte auf. Neben ihm standen zwei gepanzerte Gestalten: Isorn mit dem Bärenhelm und der finstere Einskaldir in einer Stahlhaube, die als einzigen Schmuck einen über die Nase hinuntergezogenen Metallschnabel aufwies. Die Augen des schwarzbärtigen Rimmersmannes brannten wie Fackellicht, als er mit fester Hand nach dem Sohn seines Herrn Isgrimnur griff und ihn behutsam, aber kräftig zur Seite schob, um selbst auf die Zinnen hinauszutreten. Er starrte in die Dämmerung hinaus und stieß ein dumpfes Grollen aus wie ein Hund.

»Dort drüben«, knurrte er und deutete auf die Sockel der Belagerungstürme, »am Fuß der großen Bären: Steinschleudern und Rammböcke.« Er zeigte auf mehrere weitere große Maschinen, die hinter den Türmen herfuhren. Darunter befanden sich einige Katapulte, die langen, starken Arme zurückgebogen wie die Köpfe erschreckter Schlangen. Andere sahen nur wie lederbedeckte Kästen aus, deren Innenleben die Panzerung verbarg; sie dienten dazu, wie hartschalige Krebse durch Pfeile und Steine unversehrt bis an die Mauer zu gelangen, um dort ihre jeweiligen Aufgaben auszuführen.

»Wo ist der Prinz?« fragte Deornoth, der den Blick nicht von den herankriechenden Maschinen losreißen konnte.

»Schon unterwegs«, antwortete Isorn, der sich auf die Zehen gestellt hatte, um über Einskaldirs Kopf hinweg zu sehen. »Seitdem er von der Unterredung mit Elias zurückgekehrt ist, steckt er mit Jarnauga und dem Archivar zusammen. Ich hoffe nur, daß sie sich eine Wunderwaffe ausgedacht haben, um uns Stärke zu verleihen oder die des Königs zu mindern. Bei Gottes Wahrheit, Deornoth, schau dir diese Massen an!« Er deutete auf die dunklen Schwärme von königlichen Truppen, zahlreich wie Ameisen hinter den langsam weiterrollenden Türmen. »Es sind so verdammt viele.«

»Bei Ädons Wunden!« fauchte Einskaldir und sah sich mit blutunterlaufenen Augen nach Isorn um. »Mögen sie kommen! Wir werden sie fressen und wieder ausspucken!«

»Da hast du es«, meinte Deornoth und hoffte, daß sein Gesicht auch wirklich das beabsichtigte Lächeln zeigte. »Mit Gott, dem Prinzen und Einskaldir – wovor sollten wir uns fürchten?«

Das Heer des Königs folgte den Belagerungsmaschinen auf die Ebene hinaus und breitete sich auf den nebelnassen Wiesen aus wie Fliegen auf einer grünen Apfelschale. Überall schienen Zelte aus der feuchten Erde zu sprießen wie eckige Pilze.

Während die Belagerer ihre Stellungen einnahmen, kam lautlos das Morgengrauen. Die verborgene Sonne schälte nur eine einzige Schicht von der nächtlichen Dunkelheit ab und tauchte die Welt in unbestimmtes graues Licht.

Auf einmal setzten sich die riesigen Belagerungstürme, die eine lange Stunde an Ort und Stelle verharrt hatten wie dösende Posten, wieder in Bewegung. Soldaten liefen zwischen den mächtigen Rädern hin und her und spannten sich an die Zugseile, während die schweren Maschinen mühsam bergan rollten. Endlich kamen sie in Schußweite. Die Bogenschützen auf den Wällen gaben ihre Schüsse ab und schrien in entsetzter Freude auf, als die Pfeile davonzischten, so als lockerten sich mit den Bogensehnen auch die Fesseln um ihre Herzen. Nach der ersten unsicheren Salve stellten sie sich allmählich auf ihr Schußfeld ein; viele Männer des Königs sanken tot zusammen oder wurden, während sie verwundet am Boden lagen, schreiend von den erbarmungslosen Rädern der eigenen Maschinen zerquetscht. Doch für jeden pfeildurchbohrten Gefallenen sprang ein anderer behelmter Meisterwerker in blauer Jacke vor, um sein Tau zu übernehmen. Ungerührt holperten die Belagerungsmaschinen weiter auf die Mauern zu.