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Simon R. Green

Der Eiserne Thron 

KAPITEL EINS

KOLLISION IM DUNKEL

Draußen am Rand, an den Grenzen des Imperiums, wo bewohnbare Welten rar und Zivilisationen dünn gestreut sind, herrscht Dunkelheit. Hier findet man seltsame Planeten und noch seltsamere Leute. Hinter dem Rand liegt das Unbekannte, das Nichts, wo keine Sterne mehr leuchten und nur wenige Schiffe ihren Weg suchen. So weit weg von allem verschwindet man leicht. Zwar patrouillieren Sternenkreuzer am Rand, aber es gibt längst nicht genügend Schiffe, um die weiten Gebiete offenen Raums zu kontrollieren. Das Imperium ist zu groß und viel zu schwerfällig geworden, doch keiner will das wahrhaben – oder zumindest macht sich niemand deswegen ernsthafte Gedanken.

Jedes Jahr werden dem Imperium weitere Welten einverleibt, und die Grenzen schieben sich hungrig nach draußen.

Nicht so am Rand. Am Rand scheint das Imperium reglos zu verharren, expandiert nicht, ein winziger Raum im Vergleich zu den unergründlichen Tiefen der Dunkelwüste dahinter.

Es ist finster dort draußen. Gelegentlich verschwinden Schiffe und werden nie wieder gesehen. Niemand weiß, warum. Die kolonisierten Welten bewahren ihre Unabhängigkeit soweit wie möglich und wenden ihren Blick von der endlosen Dunkelheit.

Die Kriminalität blüht dort draußen am Rand, so unvorstellbar weit entfernt vom Mittelpunkt des Imperiums und seinen strengen Gesetzen. Manche Delikte sind so alt wie die Menschheit selbst, andere neu, dem ständig wachsenden Fortschritt und Wissen des Imperiums entsprungen.

Im Augenblick haben die Imperialen Sternenkreuzer noch alles unter Kontrolle. Sie tauchen unangekündigt aus dem Hyperraum auf und erzwingen mit effizienter Brutalität die Einhaltung der Gesetze – aber sie können nicht überall sein.

Geheimnisvolle Kräfte lauern dort draußen am Rand, geduldig und schrecklich zugleich, und es braucht nicht mehr als eine Kollision zwischen zwei Raumschiffen, hoch oben in der Umlaufbahn um den Hinterweltplaneten Virimonde, um sie loszulassen.

Im Orbit von Virimonde kreiste das Piratenschiff Scherbe unauffällig durch die lange Nacht, um unerwünschten Blicken zu entgehen. Sie war kein großes Schiff, die Scherbe, und mehr auf Geschwindigkeit getrimmt als auf Ausdauer. Sie hatte bereits mehr als ein Dutzend Eigner und Kommandanten gesehen, als die Klonpascher sie in Besitz nahmen – und seitdem waren alle hinter ihr her.

Hazel d’Ark, Piratin, Klonpascher und Bonvivant, schlenderte mürrisch durch die düsteren Stahlkorridore und wünschte, sie wäre woanders. Irgendwo anders. Die Scherbe war selbst in ihren besten Zeiten kein luxuriöses Schiff gewesen, aber nun, da die meiste Energie der alten Generatoren dazu benötigt wurde, die Körperbänke zu versorgen, wirkte der alte Kahn noch düsterer als normal. Wozu eine ganze Menge gehörte.

Hazel d’Ark, letzte Trägerin eines einst edlen Namens, erreichte die verschlossene Tür des Frachthangars und wartete ungeduldig darauf, daß die Türsensoren sie erkannten. Ihre Stimmung war so düster wie die Korridore der Scherbe, und daran hatte sich nichts geändert, seit das Schiff sechs Stunden zuvor aus dem Hyperraum gefallen und in den Orbit um Virimonde eingeschwenkt war. Bereits seit sechs Stunden warteten die Klonpascher auf ein Signal ihrer Kontaktleute auf dem Planeten. Irgend etwas war faul an der Geschichte.

Sie konnten es sich nicht leisten, noch viel länger zu warten, aber sie konnten auch nicht einfach wieder verschwinden.

Also warteten sie. Hazel rechnete nicht mit Schwierigkeiten seitens der planetaren Sicherheitsbehörde. Die Scherbe mochte ein altes Schiff sein, doch ihre Tarneinrichtungen waren auf dem neuesten Stand der Technik und mehr als ausreichend, um alles zu täuschen, was die Bauern dort unten auf Virimonde besaßen. Nicht, daß der Planet viel hätte unternehmen können – selbst wenn sie gewußt hätten, daß sich Piraten im Orbit versteckten. Virimonde war eine technologisch zurückgebliebene Agrarwelt, auf der es mehr Vieh gab als Einwohner. Der einzige Kontakt zum Imperium bestand aus einem in monatlichen Abständen verkehrenden Frachter und einem sporadisch patrouillierenden Sternenkreuzer, und in den kommenden Wochen wurde keiner von beiden erwartet.

Hazel funkelte wütend die Tür vor sich an und trat heftig gegen den Rahmen. Mit einem Zischen fuhr das Schott zur Seite, und Hazel betrat den frostigkalten Frachtraum. Hinter ihr schloß sich die Tür sofort wieder. Winzige gefrorene Kristalle schwebten in der kalten Luft und brannten in Hazels Lungen. Sie erschauerte und drehte die Heizelemente in ihrer Montur höher. Die Körperbänke benötigten eine ganz spezifische Temperatur, um ihre Fracht aus menschlichem Gewebe klonfähig zu halten. Hazel warf einen raschen Blick in die Runde und aktivierte ihr Komm-Implantat. »Hannah, hier spricht Hazel. Bitte melden.«

»Ich höre, Hazel«, erwiderte Hannah, die Künstliche Intelligenz der Scherbe. »Was kann ich für dich tun?«

»Bearbeite die Signale der Sicherheitssensoren des Frachtraums so, daß es aussieht, als wäre ich nicht hier.«

Hannah seufzte. Die Künstliche Intelligenz besaß keine menschlichen Emotionen, aber sie tat gerne als ob. »Also wirklich, Hazel! Du weißt genau, daß du nicht dort hineingehen sollst! Du bringst uns beide in Schwierigkeiten.«

»Mach es! Oder soll ich dem Käpten von deiner persönlichen Videosammlung seiner intimsten Stunden erzählen?«

»Ich hätte sie dir niemals gezeigt, wenn ich gewußt hätte, daß du mich damit erpressen wirst. Außerdem ist es eine ganz harmlose Sammlung.«

»Elektronengehirn…«

»Schon gut, schon gut! Ich bearbeite die Sensoren. Bist du jetzt zufrieden?«

»So ziemlich… und Hannah? Wenn ich dich jemals erwischen sollte, wie du mich heimlich beobachtest, werde ich eine Lobotomie an deinen Hauptsystemen durchführen – aber mit einer Schrapnellgranate. Hast du mich verstanden?«

Hannah schniefte beleidigt und unterbrach die Verbindung.

Hazel mußte grinsen. Es gab so viele KIs – und der Käpten mußte ausgerechnet an eine Spannerin geraten. Irgendwie war das typisch für die Scherbe und das Pech, das dieses Schiff zu verfolgen schien. Hazel blickte die langen Reihen von Körperbänken entlang, großen, sperrigen Metallkisten, deren Seiten mit Reif und Eis überkrustet waren. Häßliche Dinger für ein häßliches Geschäft. Die KI hatte schon recht: Hazel hatte nicht die Befugnis, den Frachtraum zu betreten. Nicht, daß sie einen verdammten Dreck darauf gegeben hätte. Hazel d’Ark gab grundsätzlich auf nichts einen verdammten Dreck. Ganz zu schweigen davon, daß sie immer genau das tat, was sie wollte – zur Hölle mit den Konsequenzen. Was zumindest teilweise der Grund war, warum aus ihr eine Gesetzlose geworden war.

Vorsichtig, angetrieben von einer neugierigen Mischung aus Abscheu und Faszination, näherte sich Hazel der am nächsten stehenden Körperbank. Als sie als Klonschmugglerin auf der Scherbe angeheuert hatte, hatte sie sich keine Illusionen gemacht, worauf sie sich einließ. Doch aus der Nähe betrachtet sah die Sache noch ein wenig finsterer aus. Sicher, die Körperbänke waren ein Quell des Lebens – trotzdem schien der makellos saubere Frachtraum nach Tod zu stinken. Die meisten Lichter waren abgeschaltet, um Energie zu sparen. Man wußte nie, wann man die gesparte Energie gebrauchen konnte, um Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen. Klonpascher waren alles andere als beliebt, weder bei den Behörden noch bei denjenigen, die ihre Dienste in Anspruch nahmen.