»Ich habe eine Frage an Euch, Todtsteltzer. Wie wollt Ihr mich nach Haden bringen, wenn Ihr kein Schiff mehr besitzt?
Ihr habt versprochen, mich dorthin zu bringen. Ich habe Euer Wort.«
»Ich werde Euch nach Haden bringen.«
»Wie?«
»Ich denke darüber nach.«
Mond nickte und ließ ihn wieder alleine. Owen fluchte unterdrückt vor sich hin und zerhackte ein Geflecht aus herabhängenden Ranken. Er hatte das Gefühl, ein wenig Zeit zum Nachdenken zu benötigen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund zeigten die Kreaturen im umgebenden Dschungel eine ganze Menge mehr Respekt als zu Beginn. Owen kam es noch immer verdächtig vor, aber er konnte damit leben.
Einige Zeit später wich der Dschungel unvermittelt vor der kleinen Gruppe zurück und gab den Blick auf eine gewaltige steinerne Burg frei, die sich im Zentrum einer riesigen Lichtung erhob. Owen hob den Arm vor die Augen. Das grelle Licht der Sonne schmerzte. Die Hitze hier draußen, außerhalb des schützenden Blätterdachs, war kaum zu ertragen, aber er wich nicht zurück. Er war einen weiten Weg gegangen, um hierherzugelangen, und außerdem tat es zur Abwechslung einmal gut, sich keine Gedanken machen zu müssen, aus welcher Richtung der nächste Angriff beginnen würde. Die Dschungelkreaturen waren immer in der Nähe, beobachteten sie und folgten ihnen. Owens Rücken schmerzte von der fortwährenden Anstrengung und der ständigen Drohung eines erneuten Überfalls. Er senkte sein Schwert und stützte sich dankbar auf die Waffe, während er die Burg in der Mitte der Lichtung musterte.
Es war ein enormes Bauwerk, hoch genug, um den Dschungel auf der gegenüberliegenden Seite zu verdecken, und es schien ganz aus beunruhigend großen, eintönig grauen Steinblöcken errichtet worden zu sein. Die Burg besaß schmale, hohe Türme mit spitzen Dächern, und auf den Mauern befanden sich Zinnen. Es gab keinerlei Anzeichen von Bewohnern oder auch nur Licht hinter den schmalen Fensterschlitzen. Das schwere Tor, der einzige erkennbare Zugang, war geschlossen. Außerdem schien die Burg ein wenig vor seinen Augen zu verschwimmen – ein Schutzschirm hüllte sie ein. Lange Zeit sprach niemand aus der kleinen Gruppe ein Wort. Owen blickte hinauf in den Himmel. Die Sonne war blutrot und bewegte sich zunehmend in Richtung der Baumwipfel. Es würde nicht mehr lange dauern bis zum Einbruch der Dunkelheit, und mit ihr würden sich neue Raubtiere auf sie stürzen.
»Das also ist die sagenhafte Todtsteltzer-Fluchtburg deines Vorfahren«, sagte Hazel schließlich. »Ich muß schon sagen – ich bin beeindruckt. Wie zur Hölle hat er es nur geschafft, so eine Burg auf einem Höllenplaneten wie diesem zu errichten?«
»Ehrlich gesagt – das habe ich nicht erwartet«, gestand Owen. »Er muß irgendwelche Hilfe gehabt haben.«
»Richtig«, meldete sich Jakob Ohnesorg. »Für den Fall, daß Ihr es noch nicht bemerkt habt: Die Ränder dieser Lichtung sind scharf umrissen. Was die Vermutung nahelegt, daß sie durch den Einsatz von Energiewaffen zustande gekommen sind. Aber das liefert noch immer keine Erklärung dafür, wo er all die Steine herhat.«
»Vielleicht gibt es irgendwo einen Steinbruch?« vermutete Owen.
»Und wer soll in diesem Steinbruch gearbeitet haben?«
Sie fielen wieder in Schweigen und starrten die Fluchtburg an.
»Den Schutzschirm habe ich ebenfalls nicht erwartet«, sagte Owen nach einer Weile. »Das macht die Sache noch schwieriger. Er kann nur von innen abgeschaltet werden, und wir haben keine Garantie, daß dort drinnen eine Menschenseele lebt. Aber da die Schilde noch arbeiten, können wir wohl davon ausgehen, daß zumindest die Maschinen noch arbeiten.
Und ein paar Lektronen, die die Wartung und Instandhaltung überwachen.«
»Die Burg muß eine ganz erstaunliche Energiequelle besitzen«, sagte Hazel, »wenn die Schilde nach all den Jahren noch immer arbeiten.«
»Oder jemand anderes ist uns zuvorgekommen«, brummte Ruby Reise.
Sie fielen wieder in Schweigen, während sie über Rubys Worte nachdachten.
»Die Dschungelbiester haben sich jedenfalls so verhalten, als hätten sie schon früher Bekanntschaft mit Energiewaffen gemacht«, sagte Mond. »Und sie griffen immer seltener an, je weiter wir uns der Burg genähert haben. Wenn das Imperium vor uns hier angekommen ist…«
»… dann stecken wir in großen Schwierigkeiten«, vollendete Ohnesorg den Satz.
»Nichts hätte die Sonnenschreiter auf dem Weg hierher überholen können«, widersprach Owen.
»Es gibt nur eine Möglichkeit, wie wir es herausfinden können«, sagte Ruby und trat auf die Lichtung hinaus, in einer Hand den Disruptor, in der anderen das Schwert. Zwei helle Lichtpunkte erschienen in zwei Lichtschächten rechts und links des Tors. Hazel stürzte vor und warf sich auf Ruby. Die beiden Frauen gingen zu Boden, und zwei Disruptorstrahlen fuhren knisternd durch die Luft, wo die Kopfgeldjägerin einen Augenblick zuvor noch gestanden hatte. Hinten im Wald fing eine Reihe von Bäumen Feuer. Ihre Blätter flackerten lichterloh auf, bevor die Flammen langsam kleiner wurden und schließlich ganz erloschen. Das vernarbte Holz rauchte leicht, und die Blätter waren verschwunden, aber sonst schienen die Bäume keinen Schaden genommen zu haben.
»Ziemlich widerstandsfähige Gewächse«, kommentierte Mond den Zwischenfall.
»Wie alles andere auf diesem Planeten auch«, sagte Owen.
»Sind unsere Damen in Ordnung?«
»Hier gibt’s keine Damen«, murrte Hazel.
»Da stimme ich Euch voll und ganz zu«, sagte Ohnesorg.
Hazel zog Ruby zurück in den Schutz der Bäume am Rand der Lichtung und half ihr auf die Beine. Die Kopfgeldjägerin hielt es nicht einmal für nötig, sich zu bedanken. Ihre kalten Augen waren unverwandt auf die Burg gerichtet. Die beiden hellen Punkte in den Fenstern leuchteten noch immer. Ruby hob ihren Disruptor; doch dann senkte sie ihn wieder, ohne gefeuert zu haben.
»Ein Bruttofeldschirm« stellte Owen fest. »Läßt Energiestrahlen von innen nach außen durch, ohne daß man zuerst den Schild herunterfahren oder öffnen muß. Diese Schirme verbrauchen Unmengen an Energie, erst recht, wenn sie ein derart großes Bauwerk einhüllen. Wir besitzen jedenfalls keine Waffe, die diesem Schirm auch nur andeutungsweise gefährlich werden könnte.«
»Ich denke, wir können davon ausgehen, daß die Bewohner dieser Burg, wer auch immer sie sein mögen, keinerlei freundlichen Gefühle für uns hegen«, brummte Hazel, während sie Gras und Insekten aus ihrer mitgenommenen Kleidung klopfte.
»Ich weiß nicht«, widersprach Ohnesorg. »Das sah mir eher nach Warnschüssen aus. Ein lektronengestütztes Verteidigungssystem hätte Euch im Visier behalten, ganz gleich, wie schnell Ihr Euch auch bewegt haben mögt, und es hätte außerdem weitergefeuert, bis das Ziel mit hundertprozentiger Sicherheit vernichtet wäre.«
»Schön. Und was machen wir als nächstes?« wollte Hazel wissen. »Ich meine, mit Ausnahme von Selbstmordtaktiken?«
Sie funkelte Ruby an, die sie noch immer ignorierte.
»Kommunizieren«, meldete sich Tobias Mond. »Ob Menschen oder Maschinen – sie antworten vielleicht auf einen Kontaktversuch.«
»Es könnte ihnen genausogut auch die Richtung verraten, in die sie zielen müssen«, wandte Hazel ein.
»Da hat sie nicht ganz unrecht«, stimmte Ohnesorg ihr zu.
»Wir können jedenfalls nicht die ganze Zeit über hier stehen bleiben und Wurzeln schlagen«, sagte Owen. »Für den Fall, daß Ihr es vergessen habt: Wir können nirgendwo anders hin.
Uns bleibt nur die Burg. Entweder wir finden einen Weg hinein, oder wir leben im Dschungel. Was mir persönlich nicht sonderlich behagt. Ich werde unbewaffnet nach vorn gehen und zu reden versuchen. Wenn das die Lektronen meines Vorfahren sind, reagieren sie vielleicht auf mich. Ich bin