»Das Schiff… es ist nur noch ein Wrack. Ausgedehnte Schäden, die meisten bereits vor der Landung entstanden.
Keine Spur von der Besatzung. Hier und da menschliches Blut… nicht genug für eine ernsthafte Verletzung. Der Hyperraumantrieb ist verschwunden. Einfach herausgeschnitten.
Professionell. Jemand war vor uns da, Kapitän.«
»Verstanden, Leutnant. Fahrt fort mit Eurer Untersuchung.
Schwejksam Ende.« Er wandte sich vom Schirm ab und sah zu Frost. »Was meint Ihr, Investigator? Könnte es sein, daß auf diesem Planeten Menschen leben oder sogar Stützpunkte existieren, von denen das Imperium nichts weiß?«
»Möglich wäre es, Kapitän.« Ihre Stimme klang kalt und unbeteiligt wie immer. »Sie könnten sich gegen unsere Sensoren abgeschirmt haben. Allerdings würde das eine Menge Energie kosten. Vielleicht leben sie unter der Oberfläche. Das würde Sinn machen, jedenfalls wenn man bedenkt, wie es oben aussieht.«
»Kapitän!« rief eine aufgeregte Stimme. »Ortungszentrale hier. Wir empfangen Signale von der Planetenoberfläche! Sie haben ihren Schirm fallen gelassen!«
Frost und Schwejksam blickten wieder auf den Bildschirm.
Das Schiffswrack war dem Bild einer gewaltigen steinernen Burg gewichen.
»Was zur Hölle ist das?« fragte Schwejksam.
»Eine Burg. Genauer gesagt, eine Fluchtburg. Ähnlich denen, wie sie die Aristokratie vor vielleicht neunhundert Jahren benutzt hat«, antwortete Frost. »Allen anderen war es bei Strafe eines schmerzhaften Todes verboten, eine solche Burg zu errichten. Ich schätze, damit ist klar, wo die Banditen und ihr Hyperraumantrieb abgeblieben sind.«
»Wie weit ist die Burg vom Wrack entfernt?«
»Vielleicht einen Kilometer, Kapitän«, antwortete der Offizier an den Sensoren. »Die wilden Kreaturen im Dschungel würden die Landungsmannschaft ohne spezielle Ausrüstung schlachten, bevor sie auch nur die Hälfte des Weges zurückgelegt hätte.«
»Er hat recht«, sagte Frost. »Ihr werdet eine volle Kompanie von Marineinfanteristen benötigen, bewaffnet und gepanzert bis an die Zähne, und außerdem einen extrem umsichtigen Anführer…«
»Also gut, Investigator. Ihr habt gewonnen.« Schwejksam mußte gegen seinen Willen grinsen. »Ihr könnt die zweite Landungstruppe anführen. Trefft alle notwendigen Vorbereitungen.«
»Es wird Zeit zu verschwinden«, sagte Giles. »Ich habe die Schirme der Burg heruntergefahren, weil wir die zusätzliche Energie für den Start benötigen. Ich hätte nie geglaubt, daß ich diesen Planeten noch einmal verlasse, aber ich hatte es gehofft. Tja, man soll die Hoffnung eben nie aufgeben.«
»Wie weit ist es bis zu deinem Schiff?« fragte Owen schnell. In ihm regte sich der schreckliche Verdacht, daß sein Vorfahr einen sentimentalen Anfall erlitt, und er war nicht sicher, ob er Sentimentalitäten im Augenblick ertragen konnte. »Besser nicht zu weit. Mit den abgeschalteten Tarnschilden sind wir für den Sternenkreuzer im Orbit ein leichtes Ziel.«
»Es ist nicht weit«, erwiderte Giles und lächelte schwach.
»Überhaupt nicht. Lektronen, Startprozeduren einleiten!«
Owen blickte mit leerem Gesicht zu seinem Vorfahren, als der Raum ringsumher sich zu schütteln und zu rumpeln begann. Tief unter seinen Füßen konnte er das anwachsende Brüllen mächtiger Maschinen hören. »Moment mal! Einen verdammten Augenblick! Das Schiff ist ein Teil der Burg?
Sind wir etwa schon drin?«
»Nein, nicht Teil«, korrigierte ihn Giles. »Die Burg ist das Schiff. Und umgekehrt natürlich.«
»Wir springen mit einer Burg aus Steinen, die seit über neunhundert Jahren auf einem Fleck gestanden hat, in den Hyperraum??!«
»In meinen Tagen wurde noch für die Ewigkeit gebaut«, erwiderte Giles ungerührt. »Frag deinen Lektron, wenn du mehr Einzelheiten möchtest.«
»Oz? Bist du da? Melde dich!«
»Ja, ich bin da. Wo sollte ich denn deiner Meinung nach sonst sein? Du würdest nicht glauben, wie eng es hier ist! Einige dieser Systeme sind ganz eindeutig prähistorisch. Ich kann nicht glauben, daß man mir zumutet, in so einem beengten System zu wohnen. Hier gibt es nicht einmal genügend Platz, um ein Neuron zu schwingen!«
»Erzähl mir von dieser Burg, Oz, oder ich verspreche dir, ich reprogrammiere dich mit einem stumpfen Löffel! Ist die Burg wirklich ein Raumschiff?«
»O ja! Ein wenig langsam und behäbig, aber es bringt dich voran. Paß auf, daß du dir nirgendwo den Kopf anstößt, Owen. Der Start wird ein wenig holprig sein.«
Auf der Brücke der Unerschrocken beobachteten Kapitän Johan Schwejksam und Investigator Frost mit heruntergeklappten Kinnladen, wie die Fluchtburg des Ersten Todtsteltzers sich aus ihrem Fundament löste und in die Luft schoß. Unfaßbar kraftvolle Maschinen schoben die Burg immer weiter in die Höhe. Der Antriebsstrahl drückte den Dschungel mitsamt seinen mächtigen Bäumen im Umkreis von vielen Kilometern platt, doch die Burg schob sich so sanft und sicher in den Himmel wie ein ganz gewöhnliches Raumschiff. »Ich glaube das einfach nicht!« sagte Frost. »Ein steinernes Raumschiff!?«
»Wir haben den Kontakt zum Landungstrupp verloren, Kapitän!« meldete der Überwachungsoffizier aufgeregt.
»Richtschütze, Feuer frei!« befahl Schwejksam. »Blast dieses Ding zu Asche!«
»Unmöglich, Kapitän! Es besitzt mit Abstand die stärksten Energieschilde, die ich jemals gesehen habe! Wir besitzen nichts, um sie auch nur zu kratzen!«
»Verdammt!« entfuhr es Schwejksam.
»Ja, verdammt«, stimmte Frost ihm zu. »Die Imperatorin wird gar nicht erfreut sein, was?«
Schwejksam lehnte sich in seinem Kommandantensitz zurück und versuchte, ohne Panik nachzudenken. »Vielleicht glauben sie, sie wären uns entwischt«, sagte er nach einer Weile. »Aber es ist noch nicht vorbei. Schließlich wissen wir, wohin sie flüchten.«
KAPITEL ZWÖLF
IN DER HÖLLE DES WURMWÄCHTERS
Finlay Feldglöck floh um sein Leben, gejagt und gehetzt, das Rudel immer dicht auf den Fersen. Er war jetzt der Feldglöck, letzter Sproß einer niedergemetzelten Linie, und die Wolfs waren hinter ihm her, gnadenlos und zu allem entschlossen.
Mit aberwitziger Geschwindigkeit lenkte er den gestohlenen Gravschlitten zwischen den verspiegelten Fensterfronten der eng beieinanderstehenden Türme des Stadtzentrums hindurch.
Hinter ihm auf der Ladepritsche lag Adrienne in ihrem eigenen Blut, zusammengerollt um die schwere Wunde in ihrem Leib, die sie langsam tötete. Der rauschende Fahrtwind trieb Tränen in Finlays Augen, und er wünschte, er hätte sich die Zeit genommen, um zusammen mit dem Schlitten auch noch eine Brille zu stehlen. Aber er hatte diese Zeit nicht gehabt.
Es war schon lange her, daß er einen Gravschlitten gesteuert hatte, doch die alten Reflexe und Erinnerungen kamen bereits wieder. Finlay grinste wild und riß das Fahrzeug zwischen den Türmen hin und her wie ein Flößer, der über Stromschnellen den Fluß hinunterfuhr und im Weg stehenden Felsen auswich. Er preßte alles an Geschwindigkeit aus den ächzenden Antrieben, was er nur konnte. Die Wolfs blieben dicht hinter ihm, sieben Schlitten voller blutrünstiger Jäger. Hin und wieder fuhr ein Disruptorstrahl zischend an ihm vorbei, aber bei dieser Geschwindigkeit machten die schnellen Bewegungen der Fahrzeuge ein genaues Zielen unmöglich. Seine Verfolger feuerten trotzdem weiter. Ein Glückstreffer würde vollkommen ausreichen. Finlay fluchte unterdrückt, während sein Verstand raste, um einen Ausweg zu finden, eine Fluchtmöglichkeit aus der Hölle, in die er so unvermutet geraten war.