Выбрать главу

Das Wissen, wie man einen Gravschlitten flog, hatte er während seiner Ausbildung in der Arena erworben. Im Prinzip nicht mehr als eine weitere Waffe, die es zu beherrschen galt – schließlich konnte man nie wissen, was seine Gegner als nächstes gegen ihn aufstellen würden. Der Maskierte Gladiator hatte alle Waffen zu beherrschen, also hatte Finlay nur mit den Schultern gezuckt und gelernt, was er wissen mußte. Damals hatte er gedacht, daß es vielleicht eines Tages sein Leben retten könnte, aber eine Situation wie diese hätte er sich nicht im Traum vorstellen können: Sein Vater und seine gesamte Familie tot, niedergestreckt von den verräterischen Wolfs, und ihm selbst blieb nichts als die Flucht, wenn er nicht auch noch sterben wollte. Er war der letzte Überlebende aus der Führungsriege des Feldglöck-Clans, ohne Freunde oder Verbündete, die er um Hilfe bitten konnte, und mit einem zu allem entschlossenen Feind dicht auf den Fersen. Ein gestürztes Haus besaß keine Freunde. Niemand wollte mit Versagern zu tun haben; es könnte ja ansteckend sein. Und Adrienne, seine oft verfluchte, verachtete Ehegattin, hatte ein Schwert in die Hand genommen und versucht, den Clan zu verteidigen. Finlay warf einen hastigen Blick nach hinten auf die Pritsche.

Seine Frau lag noch immer dort, in ihrem eigenen Blut, halb bei Bewußtsein, Obszönitäten fluchend. Sie benötigte medizinische Hilfe, und zwar bald; doch selbst wenn es ihm irgendwie gelang, seine Verfolger abzuschütteln – er hatte keine Ahnung, wo er sie hinschaffen sollte. Er war jetzt der Feldglöck, und das bedeutete, daß seine Frau genauso Ziel seiner Feinde war wie er selbst. Kein Hospital wäre sicher, kein Zufluchtsort, dessen Unantastbarkeit nicht gebrochen werden würde. Vendetta kennt keine Gnade.

Finlay schwang den Schlitten in einer plötzlichen, scharfen Kurve herum, wappnete sich gegen den Anpreßdruck der Fliehkraft und nutzte die aufwärtsgerichteten thermischen Strömungen, die zwischen den Türmen kamen und gingen.

Der Schlitten beschrieb eine Schleife, und Finlay gab wieder Gas. Das Manöver hatte ihn schräg von hinten über einen einzelnen Wolf gebracht, der den Fehler begangen hatte, sich zu weit vorzuwagen. Finlays Mund verzog sich zu dem humorlosen, wilden Grinsen, das normalerweise nur unter dem stählernen Helm des Maskierten Gladiators zu sehen war – wenn jemand unter den Helm hätte sehen können. Niemand aus seiner Familie hätte ihn jetzt noch erkannt, aber sicher hätten alle zugeben müssen, daß es ihm sehr gut zu Gesicht stand. Er lenkte das Fahrzeug dichter an den verzweifelt Haken schlagenden Wolf-Schlitten und aktivierte die eingebauten Waffen.

Der Strahl aus der Zwillingskanone fuhr krachend in das Heck des Wolfs, und die massive Stahlpanzerung flog funkensprühend auseinander. Splitter fetzten gefährlich dicht an Finlay vorbei, und die Wolfs schrien entsetzt, als die Maschine ihres Schlittens plötzlich stotterte und erstarb. Der Schlitten sackte wie ein Stein dem weit entfernten Erdboden entgegen. Seine Insassen schrien auf dem gesamten Weg nach unten.

Finlay beschleunigte durch den Wald aus Türmen und war zuversichtlich, daß die restlichen Verfolger zumindest für eine Weile einen gewissen Sicherheitsabstand einhalten würden.

Aber die Zeit lief gegen ihn; sie konnten warten, bis sich eine günstige Gelegenheit bot. Ihr Opfer hatte plötzlich Klauen und Zähne entwickelt, und sie waren gewarnt. So sollte es auch sein. Sie jagten schließlich nicht den berüchtigten Stutzer Finlay Feldglöck. Sie waren Kämpfer, aber er war der Maskierte Gladiator. Sie besaßen nicht seine Erfahrung eines Kampfes auf Leben und Tod. Sie waren daran gewöhnt, Angreifer zu sein, und sie waren dumm und langsam, weil sie sich auf die Stärke und Überlegenheit verließen, die ihre hohe Übermacht ihnen vorgaukelte. Finlay grinste breit, und seine Hände huschten mit neuem Selbstvertrauen über die Steuerkonsole. Der Shreck-Turm lag ganz in der Nähe, und Evangeline besaß ein Apartment dort. Er zögerte ein wenig, seine heimliche Geliebte in seine Schwierigkeiten zu verwickeln, doch ihm blieb keine andere Wahl. Adrienne lag im Sterben, und in Evangelines Apartment stand eine Regenerationsmaschine. Er hatte sie vor einiger Zeit dorthin schaffen lassen, und sie versteckte die Maschine für ihn, für den Fall, daß er in Not geriet.

Finlay besaß zwar seinen eigenen Apparat in seinem Quartier in den Katakomben der Arena, aber zu viele Leute wußten davon. Es bestand immer die Möglichkeit, daß jemand die Maschine sabotierte. Der Maskierte Gladiator hatte sich eine Menge Feinde innerhalb wie außerhalb der Arena geschaffen, die jede Gelegenheit genutzt hätten, um sich für seine vielen Siege an ihm zu rächen. Es lag nicht an ihm, sondern am Geschäft selbst. Familien, die einen geliebten Angehörigen verloren hatten, Spieler, die ein Vermögen gegen ihn gesetzt und verloren hatten… Also war er insgeheim hingegangen und hatte sich eine zweite Regenerationsmaschine besorgt. Er hatte sie im Apartment von Evangeline Shreck aufgestellt, als Reserve sozusagen, für den Notfall. Niemand würde auf die Idee kommen, dort nach ihr zu suchen, weil nämlich niemand von ihm und Evangeline wußte. Niemand durfte je etwas davon erfahren. Evangeline mußte unter allen Umständen geschützt werden, koste es, was es wolle.

Finlay verzog unglücklich das Gesicht, als ihm die Konsequenzen seiner Gedanken bewußt wurden. Er würde die Verfolger abschütteln oder töten müssen, bevor er wagen durfte, den Shreck-Turm anzusteuern. Auf der anderen Seite lief Adrienne die Zeit davon. Wenn er ihr nicht bald half, wäre alles zu spät.

Er fluchte leidenschaftslos. Finlay konnte es nicht allein schaffen, und ihm fiel nur eine einzige Person ein, die ihm vielleicht helfen würde. Eine Person, die allen Grund hatte, ihn bis ins Mark zu hassen. Er schaltete sich über sein Implantat in das Komm-Gerät des Gravschlittens und wählte eine Verbindung an, von der er noch bis vor weniger als einer Stunde geglaubt hatte, daß er sie so bald nicht mehr benutzen würde.

»Hier spricht Finlay Feldglöck, letzter Überlebender der Ersten Familie des Clans Feldglöck. Ich erbitte Loyalität, Blut um Blut. Robert, kannst du mich empfangen?«

Eine lange Pause, dann erklang plötzlich eine trockene Stimme in seinem Kopf. »Hier spricht Robert. Du hast dir eine höllisch unpassende Zeit ausgesucht, um anzurufen.«

»Es tut mir leid. Ich weiß, daß du noch immer wegen Letitia trauerst.«

»Vergiß es, ich hab’ keine Zeit zum Trauern! Hier geht alles zum Teufel! Die ganze Familie wird angegriffen! Wolfs und Feldglöcks kämpfen es unter sich aus, überall, selbst auf der Straße, bis hinunter zum entferntesten Vetter. Ich habe mich in meinem eigenen Haus verbarrikadiert. Die Wolfs haben uns die Vendetta erklärt: Tod allen Feldglöcks, bis hin zum letzten Mann, der letzten Frau und dem letzten Kind. Sie stecken unsere Fabriken und Geschäfte in Brand und greifen unsere Firmen an. Ich bin dabei, eine improvisierte Verteidigung zu organisieren, aber sie haben uns mit heruntergelassenen Hosen erwischt. Zum Glück besitze ich ein paar Freunde bei der Armee, die mir helfen. Die Behörden halten sich aus der Sache heraus und warten ab. Sie wollen sich nicht in Familienstreitigkeiten verwickeln lassen. Unterm Strich betrachtet: Wir sind in der Unterzahl, wurden überrascht, und eine Menge unserer Leute sind bereits tot. Wie sieht es bei dir aus, Finlay? Und wer ist jetzt eigentlich der Feldglöck?«

»Im Augenblick fliehe ich auf einem gestohlenen Gravschlitten um mein Leben. Die Wolfs sind mir dicht auf den Fersen und schreien nach Blut. Ich bin jetzt der Feldglöck, wenn überhaupt noch jemand. Die anderen sind alle tot. Können deine Leute helfen, wenn ich es bis zu euch schaffe?«

»Negativ, Finlay. Wir sind von allen Seiten umzingelt. Du mußt alleine klarkommen.«