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»Ein Implantat, Liebes. Nichts, was Robert helfen könnte.

Aber jemand muß bei Adrienne bleiben. Ich kann sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Das hat sie nicht verdient.«

»Schon gut. Laß mich nachdenken.« Evangeline verschränkte die Arme vor der Brust und ging im Zimmer auf und ab. »Hier… hier gehen mehr Dinge vor, als du auch nur ahnst, Finlay. Dinge, von denen ich dir noch nie etwas erzählt habe. Dinge, die mich betreffen…«

Finlay lächelte. »Ich weiß alles, was ich wissen muß.«

»Halt den Mund, Finlay. Du verstehst nicht. Ich mußte es geheimhalten, sogar vor dir. Ich bin ein Klon, und ich bin außerdem Mitglied der Untergrundbewegung.« Sie bemerkte, wie sich sein Gesicht verfinsterte, trotzdem blickte sie ihm weiter unverwandt in die Augen. »Die ursprüngliche Evangeline Shreck starb durch einen Unfall. Papa konnte den Gedanken nicht ertragen, ohne sie zu leben, und so ließ er mich klonen. Heimlich. Sieh mich nicht so an, Finlay. Bitte! Ich bin noch immer die gleiche Person, die ich immer war.«

»Wirklich?« erwiderte Finlay. »Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß überhaupt nichts mehr. Wann ist das geschehen? Wie lange ist das her? Ist die Frau tot, die ich einmal liebte? Habe ich mich von einer Kopie zum Narren halten lassen?«

»Nein! Das alles geschah lange, bevor wir uns zum ersten Mal sahen und ineinander verliebten. Es hat immer nur dich und mich gegeben!«

»Wie kann ich jemals sicher sein?«

»Kannst du nicht. Du wirst mir vertrauen müssen.«

»Wie soll ich dir nach dieser Geschichte vertrauen? Ich habe dir alles von mir erzählt, sogar über den Maskierten Gladiator. Und du hast mir die Wahrheit verschwiegen.«

»Ich mußte es tun! Ich wußte, daß du so reagieren würdest!«

»Was sonst hast du mir noch verheimlicht?«

»Nichts, gar nichts! Ich habe dir alles gesagt, Finlay. Es gibt nichts sonst.«

Sie standen sich eine kleine Ewigkeit gegenüber und starrten sich schweigend an. Als Evangeline schließlich wieder zu sprechen begann, klang ihre Stimme so ruhig und entschlossen wie nur möglich.

»Wir können nicht hierbleiben. Ich kann dich in den Untergrund führen. Sie werden dich aufnehmen, wenn ich mich für dich verbürge. Die Wolfs können dir nicht dorthin folgen, und du bist in Sicherheit. Außerdem ist Valentin Wolf auch im Untergrund aktiv.«

»Also kann er mir auch dort gefährlich werden. Ich würde in eine Falle laufen!«

»Nein. Die Untergrundbewegung würde es nicht erlauben.

Wir haben sehr strenge Regeln, was interne Konflikte angeht.

Das ist auch nötig, weil wir sonst nichts bewegen könnten.

Wenn man in den Untergrund geht, läßt man sein altes Leben zurück. Wir könnten noch einmal anfangen, Finlay, ganz von vorn!«

»Also gut«, erwiderte Finlay. »Also gut. Ich kann jetzt nicht vernünftig über all das nachdenken. Wir werden später weiterreden, vorausgesetzt, daß es ein Später gibt. Was machen wir wegen Robert? Er wird sicher bald mit seiner kleinen Armee hier eintreffen und nach Adrienne sehen wollen. Die Wachen deines Vaters werden versuchen, ihn aufzuhalten, und ich glaube nicht, daß er in der Stimmung ist, ›Nein‹ als Antwort gelten zu lassen. Es wird zum Kampf kommen, und es hat genug Blutvergießen gegeben. Wie können wir ihn hereinbekommen? Kannst du die Befehle deines Vaters außer Kraft setzen? Nehmen seine Leute Befehle von dir entgegen?«

»Nein. Papa vertraut mir nicht, wenn es um wichtige Dinge geht.«

»Dann wirst du mit ihm reden müssen. Ruf ihn an und bitte ihn um Hilfe.«

Evangeline sah Finlay fest in die Augen. »Du weißt nicht, was du da verlangst.«

»Ich bitte die Frau um Hilfe, die sagt, daß sie mich liebt. Ich weiß, daß du und dein Vater nicht miteinander auskommen, aber… Sieh mal, es ist nicht wegen Adrienne. Es ist wegen mir.«

»Also gut«, erwiderte Evangeline zögernd. »Ich tue es für dich.«

Sie zog den Kopf zwischen die Schultern und bereitete sich innerlich auf die Begegnung vor. Sie würde stark sein müssen, wie schon so oft. Evangeline ging zu ihrer Schminkkommode und setzte sich, wobei sie ganz automatisch ihr Nachthemd zurechtrückte. Sie mußte hübsch sein für Papa. Dann aktivierte sie den Kommlink und wählte die Privatnummer ihres Vaters. Der Spiegel ihrer Kommode flackerte und verwandelte sich in einen Bildschirm. Evangeline veränderte die Brennweite, so daß nur ihr Gesicht und ihre Schultern zu sehen waren. Der Schirm flackerte ein weiteres Mal, und dann saß sie ihrem Vater gegenüber. Gregor Shreck räkelte sich in einem bequemen Sessel, und das lange Nachthemd, mit dem er bekleidet war, trug nichts dazu bei, seine Leibesfülle zu verbergen. Er runzelte die Stirn, als er erkannte, wer ihn da angerufen hatte, und seine tief in den Höhlen liegenden Augen verschwanden fast unter den Fettschichten in seinem Gesicht.

»Evangeline, meine Liebe! Ich habe dir doch gesagt, daß ich bald kommen werde. Warum denn so ungeduldig?«

Seine Stimme klang genauso fett und widerlich, wie er aussah, aber sie ließ sich ihren Abscheu nicht anmerken. »Ich brauche deine Hilfe, Papa. Adrienne Feldglöck ist zu mir in meine Wohnung gekommen und hat mich um Hilfe gebeten.

Sie ist die einzige Überlebende eines Angriffs der Wolfs auf ihre Familie. Sie ist verletzt und verzweifelt. Ich habe ihr gestattet, einen ihrer entfernteren Verwandten anzurufen und um Hilfe zu bitten, und er ist mit einigen Freunden unterwegs nach hier, um sie zu schützen. Du mußte den Wachen Bescheid geben, daß sie ihn hereinlassen.«

Der Shreck hob eine Augenbraue. »Ich wußte gar nicht, daß du mit Adrienne Feldglöck befreundet bist?«

»Wir sind keine engen Freundinnen. Sie ist schließlich eine Feldglöck, oder? Aber ich glaube, sie wußte nicht, wo sie sonst hingehen sollte. Außerdem mochte ich die Wolfs noch nie so recht. Sie waren immer sehr unhöflich dir gegenüber.«

»Ja, das waren sie, meine Liebe. Das waren sie wirklich. Ich weiß trotzdem nicht so recht, Schätzchen. Du verlangst da eine ganze Menge. Es ist niemals gut, sich in eine Vendetta einzumischen, und außerdem scheinen die Wolfs zu gewinnen. Wenn die Feldglöcks erst am Boden liegen, sind die Wolfs in einer sehr mächtigen Position, und nur ein Dummkopf macht sich überflüssige Feinde.«

»Ich bitte dich um einen besonderen Gefallen, Papa.«

»Wirklich, mein kleiner Liebling?« Der Shreck beugte sich mit glitzernden Augen in seinem Sessel vor. »Und wie dankbar wirst du sein?«

»Ich werde die besonderen Sachen tragen, die dir so gefallen, und wir können all die Dinge tun, die du so magst. Ich werde deine liebende, gehorsame Tochter sein…«

Gregor Shreck lächelte. »Natürlich wirst du das, mein Liebling. Also gut, ich werde anordnen, daß man die Feldglöcks hineinläßt. Aber dafür wirst du schon sehr nett sein müssen, Evangeline.«

»Ja, Papa. Ich weiß.«

Sie schaltete den Kommlink ab, und ihr Vater wurde gegen ihr eigenes Bild im Spiegel ausgetauscht. Evangeline betrachtete das ernste, entschlossene Gesicht eine Weile und erkannte die Person dahinter nicht wieder. Das war nicht sie, jedenfalls nicht ihr wirkliches Ich. Andererseits – sie hatte schon so viele Dinge getan, die nicht ihrem wirklichen Ich entsprachen.

Sie wandte sich ab und blickte leidenschaftslos zu Finlay. Er saß auf der Bettkante und starrte, tief in Gedanken versunken, auf seine verschränkten Hände. Er war über und über mit Blut verschmiert, ein Teil davon sein eigenes, aber er hatte kein Wort von seinen Verletzungen gesagt. Er würde nie erfahren, wieviel seine Bitte sie kosten würde; was sie dafür hatte versprechen müssen. Er durfte es niemals erfahren. Finlay würde sein Leben wegwerfen, um ihren Vater zu töten, und das durfte sie nicht erlauben. Sie brauchte ihn zu sehr. Aber sie fragte sich, ob ihre Gefühle für ihn je wieder so sein würden wie früher.