Выбрать главу

»Und wer ist der Wurmwächter?« fragte Finlay.

»Er leitet Silo Neun. Er war einmal ein Mensch, aber das ist lange her. Der Wurmwächter besitzt künstlich verstärkte Esperfähigkeiten, die weit über alles hinausgehen, was je ein natürlicher Esper entwickelt hat. Er macht das Gefängnis erst zu der Hölle, die es ist, und er empfindet dabei richtiges Vergnügen. Das Leid und die Verzweiflung anderer machen ihn stark. Er ist der Grund, aus dem noch nie jemand lebend aus Silo Neun entkommen konnte.«

Finlay schüttelte langsam den Kopf. »Davon wußte ich nichts.«

»Du hast nie danach gefragt. Solange es immer ausreichend Klone und Esper für dich zum freien Gebrauch gab, hast du das System nicht in Frage gestellt, das sie hervorgebracht hat.

Und du hast dich auch nie gefragt, was mit dem Abfall geschah, den du weggeworfen hast, oder?«

»Ja, ja, schon gut! Es gibt eine ganze Menge Fragen, die ich mir nie gestellt habe, aber jetzt frage ich! Ich will alles wissen. Hat jemals jemand versucht, in dieses Gefängnis einzubrechen?«

»Niemand, der überlebt hätte, um davon zu berichten. Silo Neun besitzt Sicherheitseinrichtungen auf dem neuesten Stand der Technik. Immer. Wir waren noch nie imstande, an ihnen vorbeizukommen, doch das hier könnte die Gelegenheit sein, für die wir gebetet haben. Eine ganze Menge von uns wären ohne Zögern bereit, ihr Leben für eine Chance zu opfern, den Wurmwächter mitsamt seiner Hölle zu vernichten.«

Finlay blickte Evangeline fest in die Augen. Ich dachte immer, ich wäre dein Leben? »Du hast jemanden in Silo Neun verloren, stimmt’s? Jemanden, der dir nahestand.«

»Ja. Wir alle haben jemanden verloren. Sie war meine Freundin, bevor ich als Klon lebte, und später auch noch. Sie half mir, in meine Rolle als Evangeline zu schlüpfen. Der einzige Mensch, mit dem ich je über alles reden konnte. Sie holten sie eines Tages mitten in der Nacht ab, und ich sah sie nie wieder. Papa hat alles versucht, um herauszufinden, was mit ihr geschehen ist – aus Furcht, sie könnte reden –, aber selbst er hat nicht erfahren, was mit denen geschieht, die in der Hölle des Wurmwächters landen.«

Evangeline verstummte, und Finlay wußte nicht, was er auf ihre Worte erwidern sollte. Sie blickten zu Huth, der noch immer eifrig versuchte, die Anführer von seinem Plan zu überzeugen.

»Ich habe einige meiner eigenen Leute in die Reihen der neuen Sicherheitskräfte einschleusen können, und ich habe ein paar tapfere Kyberratten dazu bewegen können, ein elektronisches Störfeuer zu entfachen, das mit unserem Angriff einhergeht. Sie werden die Sicherheitsanlagen sabotieren, während wir unsere Leute befreien, und damit die Wachen daran hindern, Hilfe von außen herbeizurufen.«

»Also gut«, sagte das riesige Schwein. »Wir sind überzeugt.

Setzt alles in Bewegung, Huth. Wir werden die Nachricht über das Esper-Netz verbreiten, während Ihr die Klone organisiert. Unser Angriff auf Silo Neun beginnt in genau einer Stunde. Los, setzt Euch in Bewegung!«

Huths leere Kapuze nickte knapp, dann drehte er sich um und verschwand aus der Kammer, ohne noch weitere Notiz von Finlay oder Evangeline zu nehmen. Finlay blickte Evangeline fragend an.

»Das geht mir alles zu schnell. Ihr habt wirklich vor, auf das bloße Wort dieses Mannes hin einen Angriff auf ein Hochsicherheitsgefängnis zu starten?«

»Selbstverständlich«, erwiderte Evangeline. »Wir vertrauen Huth. Er hat uns in der Vergangenheit wertvolle Informationen geliefert. Wir planen seit Jahren einen Angriff auf die Hölle des Wurmwächters, und wir waren bereit zuzuschlagen, sobald sich auch nur eine winzige Gelegenheit bot. Wir träumen seit langem davon, Finlay Feldglöck. Viele Blutschulden werden heute eingelöst werden.«

»Aber was ist, wenn etwas schiefgeht?«

»Dann geht es schief! Wir können eine solche Chance nicht einfach verstreichen lassen! Vielleicht ist es die letzte für Jahrzehnte! Du kannst dir nicht vorstellen, wie es in diesem Höllenloch aussieht, Finlay. Keiner von uns kann das!«

»Das stimmt nicht ganz«, mischte sich das schwebende Mandala mit kühler, emotionsloser Stimme ein. Finlay bekam schon alleine vom Betrachten des Musters Kopfschmerzen, also blickte er zur Seite und konzentrierte sich auf die Stimme, als das Mandala fortfuhr. »Wir stehen in Kontakt mit einer unserer Verbündeten in Silo Neun. Sie hat sich freiwillig gemeldet und darauf bestanden, sich gefangennehmen und in die Hölle des Wurmwächters stecken zu lassen. Wir haben eine Menge Zeit damit verbracht, sie auf das vorzubereiten, was sie dort erwartete. Es sollte danach aussehen, als zerbräche sie bei ihrer Vernehmung, aber in Wirklichkeit sollte der verborgenste Teil ihres Selbst frei bleiben. Wir können in sie hineinlauschen, aber wir können nicht mit ihr reden. Sie wußte, daß sie mit ziemlicher Sicherheit in den Tod geht, trotzdem meldete sie sich freiwillig. Nur damit wir eine Gelegenheit bekamen, Nutzen aus ihr zu ziehen. Sie war bereit, Jahre im Gefängnis zu ertragen, wenn es sein mußte. Habt Ihr je ein derartiges Opfer in Eurem Leben erbracht, Finlay Feldglöck?

Habt Ihr je ein derartiges Risiko auf Euch genommen?«

»Jedesmal, wenn ich die Arena betreten habe«, erwiderte Finlay. »Aber das war nur für mich alleine. Ich habe mich nie um jemand anderen geschert, bis ich Evangeline kennenlernte. Und dann kümmerte ich mich nur um uns beide. Vielleicht ändert sich das jetzt alles, wer kann das schon sagen? Ich weiß noch nicht, was alles auf mich zukommt. Ich… ich glaube, ich kann gar nicht richtig ermessen, was das Leben hier unten für Euch bedeuten muß.«

Dann laß es uns dir zeigen, meldeten sich die Stimmen der Anführer in seinem Kopf, und ein Sturm brach über Finlay herein wie eine unwiderstehliche Flut aus blendendem Licht.

Er wurde in einem Ansturm von Emotionen und Bildern davongespült, dem er nichts entgegenzusetzen hatte. Finlay konnte Evangelines Gegenwart trotz des wirbelnden Malstroms spüren, und das beruhigte ihn so weit, daß er seine Gegenwehr aufgab und den Anführern erlaubte, ihn zu leiten.

Er lauschte in sich hinein, und nach einer Weile stiegen Gedanken in ihm auf, die nicht seine eigenen waren.

Johana Wahn war nicht ihr wirklicher Name. Sie hatte ihren wirklichen Namen aufgegeben, als sie sich zu diesem Auftrag gemeldet hatte. Sie hatte noch eine Menge mehr verloren, als die Eiserne Hexe sie in die Hölle des Wurmwächters hatte werfen lassen, aber irgendwie klammerte sie sich an ihren wirklichen Namen, das letzte Geheimnis, tief in ihr verborgen, wo ihre Folterknechte es nicht finden konnten, nicht einmal der Wurmwächter selbst. Für ihre Wärter war sie niemand anderes als Johana Wahn, die gefangene Terroristin. Ganz genau so, wie es die Anführer der Esper geplant hatten, obwohl sie davon nichts mehr wußte. Sie hatte eine Menge vergessen. Es war der einzige Weg zu überleben.