Выбрать главу

»Wann wirst du endlich aufhören, mich dauernd in der Gegend herumzuschubsen, Finlay Feldglöck?« sagte sie zornig.

»Ich bin sehr wohl alleine imstande, mich zu ducken, weißt du?«

Ihre Stimme klang rauh und weit entfernt, als befänden sie sich beide unter Wasser. Finlay spürte, wie ein Grinsen seine Mundwinkel nach oben zu biegen begann, doch er verkniff sich eine Antwort. Evangeline schien nicht in der Stimmung für Scherze.

»Woher hast du die Granate?« fragte er schließlich.

»Papa hat in letzter Zeit immer darauf geachtet, daß die weiblichen Familienmitglieder voll bewaffnet aus dem Haus gehen«, erwiderte sie, »nachdem die Eiserne Hexe eine meiner Cousinen entführt hat. Und ich dachte mir, daß ein Disruptor ein wenig zu offensichtlich wäre. Man findet ihn sofort und kann zu leicht dagegen Vorkehrungen treffen, also entschied ich mich für Granaten. Ich weiß, sie sind nicht besonders subtil, aber ich denke, es zeigt, daß ich meines Vaters Tochter bin. Meinst du nicht?«

Finlay entschloß sich, das Thema nicht weiter zu verfolgen, jedenfalls nicht im Augenblick, und ging zu den langsam wieder zu sich kommenden Espern, um ihre Verletzungen zu begutachten. Die Explosion hatte alle von den Beinen gerissen, aber niemand war ernsthaft verwundet worden. Einige litten an Nasenbluten und Kopfschmerz, und die meisten hatten einen oder mehrere umherfliegende Splitter abbekommen; das war alles. Finlay atmete auf und ging den Korridor hinunter, um nachzusehen, was von den Kampfespern übriggeblieben war. Ein paar der zerrissenen Leichen waren noch erkennbar – die meisten nicht. Er hörte Schritte hinter sich und blickte sich um, in der Erwartung, Evangeline zu sehen. Aber es war Stevie Zwei. Finlay erkannte sie an dem bunten Band im Haar. Sie blickte ungerührt auf den blutigen Brei auf dem Boden.

»Hier stehe ich, Gott sei Dank, und ich bin frei. Meine Schwestern und ich wurden nämlich nur aus einem einzigen Grund geschaffen: Wir sollten die nächste Generation von Kampfespern abgeben. Wir konnten entwischen, aber viele unserer Freunde blieben zurück. Ich frage mich, ob ich ein paar bekannte Gesichter finde, wenn ich genauer hinsehe.«

»Besser, Ihr laßt das«, entgegnete Finlay. »Besser, es nicht zu wissen.«

Sie nickte, wandte sich um und kehrte zu ihren Schwestern zurück. Finlay folgte ihr und gesellte sich zu Pindar und Evangeline.

»Also gut«, sagte er barsch. »In welche Richtung gehen wir als nächstes? Ihr könnt darauf wetten, daß Verstärkungen unterwegs sind, und ich glaube nicht, daß einer von uns erneut einer größeren Anzahl von Kampfespern gegenübertreten möchte.«

»Der Plan hat sich jedenfalls nicht geändert«, sagte Evangeline. »Wir finden den Wurmwächter, töten ihn und befreien die Gefangenen.«

»Nur wir allein?« fragte Finlay.

»Siehst du sonst noch jemanden?«

»Was ist mit dieser Johana Wahn?« fragte Pindar.

»Was soll mit ihr sein?« Evangeline runzelte die Stirn. »Wir befreien sie, wenn wir die anderen auch befreien.«

»Ich denke, wir brauchen ihre Hilfe«, erwiderte Pindar.

»Die Untergrundbewegung hat sie aus einem ganz bestimmten Grund in Silo Neun eingeschleust. Sie besitzt sehr starke Kräfte. Viel stärker, als sie selbst auch nur ahnt. Sie sollte den Wurm Wächter töten.«

»Aber wir haben keine Zeit dafür, und wir haben keine Zeit für sie«, sagte Evangeline. »Johana Wahn wird sich gedulden müssen. Von hier aus geht es auf geradem Weg zum Wurmwächter. Wir müssen ihn erwischen, bevor das Imperium seinen Schutz verstärken kann.«

»Ich schätze, wir können ruhig davon ausgehen, daß das bereits in dem Augenblick geschehen ist, als wir in den äußeren Bezirk von Silo Neun eingedrungen sind«, entgegnete Finlay.

»Und jemand – oder sollte ich besser sagen etwas? – wie der Wurmwächter wird bestimmt nicht so ohne weiteres zu töten sein. Ich denke, wir benötigen jede Hilfe, die wir finden können.«

»Aber das ist nicht der Grund, aus dem du sie befreien willst«, sagte Evangeline kühl. »Du hast deinen Eid wegen ihr geschworen, und du siehst dich als den Helden, der in das Gefängnis einbricht und sie befreit. Finlay, du kannst es dir nicht leisten, eine persönliche Sache daraus zu machen. Das sind alles Johana Wahns in dieser Hölle. Sie leiden alle gleich, und sie verdienen alle, daß man sie befreit. Und der beste Weg dazu ist noch immer, das Monstrum zu töten, das sie hier festhält.«

Finlay runzelte die Stirn und dachte nach. Dann wandte er sich zu Pindar. »Könnt Ihr mit Johana in Kontakt treten? Kann sie uns empfangen?«

»Ich wüßte nicht, was dagegen spricht«, entgegnete der Telepath. »Auf diese kurze Entfernung müßte es sogar möglich sein, einen vollen Kontakt herzustellen.«

Sein Blick wurde leer, als sein Verstand sich suchend ausbreitete. Dann erhellte sich sein Ausdruck. Er hatte sie gefunden. Johana, hier ist der Untergrund. Wir sind gekommen, um dich zu befreien.

Johana Wahn erwachte zum ersten Mal seit ihrer Einlieferung in die Hölle des Wurmwächters zu vollem Bewußtsein, und das änderte alles. Ihr Verstand loderte hell wie eine Sonne, blendend und mächtig, und es bereitete Pindar beinahe Schmerzen, sie mit seinem geistigen Auge anzusehen. Die anderen Esper schlugen vergeblich ihre Hände vor die Ohren, als ihre Stimme wie Donner in ihr Bewußtsein drang. Selbst Finlay und Evangeline, die keinerlei ESP besaßen, konnten sie hören, als würde sie direkt vor ihnen im Korridor stehen.

Ich erinnere mich. Ich erinnere mich, wer ich bin, und ich erinnere mich, aus welchem Grund ich hierherkam. Geht zu dem Wurmwächter. Zerstört ihn, und ich werde die Gefangenen befreien.

Plötzlich war die gottähnliche Stimme wieder aus den Köpfen der Rebellen verschwunden, und langsam, einer nach dem anderen, senkten die Esper die Hände und warfen sich fassungslose Blicke zu. Sie waren vorübergehend telepathisch taub vom Donner der Stimme, und so redeten sie laut durcheinander. Finlay versuchte, einen Sinn in ihren Worten zu erkennen, aber außer einem Namen, der sich laufend wiederholte, konnte er nichts verstehen. Mater Mundi. Die Weltenmutter. Einmal mehr wandte er sich zu Evangeline und Pindar um und blickte sie fragend an.

»Was zur Hölle war das? Du hast mir schon wieder etwas verschwiegen, nicht wahr, Evie? Wer ist sie? Ich will eine Antwort!«

»Unsere Mutter Aller Seelen«, sagte Pindar. Er schien noch immer ein wenig außer Atem. »Die mächtigste Telepathin, die es je gab. Sie gründete die Untergrundbewegung. Kein Wunder, daß niemand wissen durfte, wer Johana Wahn in Wirklichkeit war, sie selbst eingeschlossen. Wenn die Eiserne Hexe gewußt hätte, daß sie hier in Silo Neun steckt, hätte sie ohne zu Zögern die gesamte Stadt mit Atomwaffen vernichten lassen, nur um sicherzugehen, Mater Mundi zu erwischen.

Wenn die Weltenmutter will, daß wir uns den Wurmwächter schnappen, dann schnappen wir uns den Wurmwächter. Man diskutiert nicht mit Gott, wenn man einen direkten Befehl von ihm erhält. Jedenfalls nicht, solange man nicht als brennender Strauch enden möchte.«

»Ihr glaubt, sie ist Gott?« fragte Finlay erstaunt.

»Jedenfalls das nächstliegende lokale Äquivalent dazu«, sagte Evangeline. »Mein Kopf fühlt sich an, als hätte jemand mit Stahlwolle darin herumgekratzt. Sie ist mehr als nur eine Telepathin, Finlay. Sie ist eine Naturgewalt. Wir sollten gehen und den Wurmwächter suchen. Welche Richtung müssen wir einschlagen?«